"Der Bitcoin ist auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit" heißt es in einem gestern erschienen Blog-Artikel der Europäischen Zentralbank (EZB) mit dem Titel "Bitcoin's last stand" (auf Deutsch: "Das letzte Gefecht des Bitcoin"). Der Anlass des Artikels ist der Kollaps der Krypto-Börse FTX, der sich auch negativ auf den Bitcoin-Kurs ausgewirkt hat.

Die Autoren

Die Autoren des Blog-Artikels sind Ulrich Bindseil und Jürgen Schaaf, die beide für die EZB arbeiten. Bindseil, Generaldirektor für den Bereich Marktinfrastruktur und Zahlungsverkehr bei der EZB, stellte es in einem Paper als Vorteil heraus, dass mit einer digitalen Zentralbankwährung (CBDC) negative Zinsen leichter implementiert werden können. Schaaf ist ebenfalls ein CBDC-Befürworter und greift den Bitcoin gerne mit folgenden Aussagen an:

"Bitcoins dagegen haben finanzmathematisch einen fairen Wert von maximal null und der gesellschaftliche Wert ist aus meiner Sicht sogar negativ."

Jürgen Schaaf in einem Interview mit der FAZ

"Bitcoin auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit"

In erster Linie zeichnet der Artikel einen düsteren Ausblick über die Zukunft des Bitcoins.

"Im November 2021 lag der Wert noch bei 69.000 Dollar, fiel dann stetig bis zum vergangenen Juni, wonach er sich bei 20.000 Dollar zu stabilisieren schien. Das nährte die Hoffnung, dass es sich um eine Verschnaufpause auf dem Weg zu neuen Höhen handele. Dabei war schon vorher zu erkennen, dass es eher ein letztes Aufbäumen auf dem Weg in die Irrelevanz war."

aus dem Artikel (deutsche Version beim Handelsblatt als Gastkommentar)

Diese Einschätzung erinnert die Bitcoiner mal wieder an die unzähligen Artikel, in denen Bitcoin bereits entschieden totgesagt wurde, und das schon vor mehr als zehn Jahren, als ein Bitcoin wenige US-Dollar kostete. Zudem mehren sich diese Stimmen, nachdem es einen starken Rückgang im Kurs gegeben hat. Trotz heftiger Kurseinbrüche hat der Bitcoin immer neue Höchststände verzeichnen können und stand heute weist er noch in den letzten zehn Jahren eine durchschnittliche jährliche Wachstumsrate von mehr als 100 % auf.

Fundamental sieht es bei Bitcoin derzeit alles andere als nach Bedeutungslosigkeit aus. Die Rechenleistung des Netzwerks, die mit der Sicherheit gleichzusetzen ist, ist nahe der Höchststände. Zudem gibt es immer mehr Adressen mit mindestens einem ganzen Bitcoin, was nahelegt, dass Privatpersonen sich den Kursrückgang zunutze machen.

Bitcoin Hash Rate (TH/s) - Quelle: lookintobitcoin
Adressen mit > 1 Bitcoin - Quelle: lookintobitcoin

Nach dem düsteren Ausblick zu Beginn des Artikels werden anschließend die Gründe aufgeführt, wieso die Autoren nicht an die Zukunft des Bitcoin glauben.

"Bitcoin ist nicht als Zahlungsmittel geeignet"

Der erste Grund ist, dass Bitcoin sich nicht als massentaugliches Zahlungsmittel eignet.

"Das Konzept und die technologischen Unzulänglichkeiten von Bitcoin machen ihn als Zahlungsmittel fragwürdig: Echte Bitcoin-Transaktionen sind umständlich, langsam und teuer. Bitcoin wurde noch nie in nennenswertem Umfang für legale Transaktionen in der realen Welt verwendet."

aus dem Artikel

Bitcoin-Transaktionen im Hauptnetzwerk sind tatsächlich langsam - im Vergleich mit traditionellen Banküberweisungen und gerade Auslandsüberweisungen aber immer noch unglaublich schnell. Umständlich sind sie auch nicht. Man kann von Person zu Person direkt Bitcoin schicken. In unserem aktuellen Finanzsystem sind digitale Transaktionen nur mit etlichen Mittelsmännern möglich. Teuer sind Bitcoin-Transaktionen auch nicht zwingend. Sie sind nämlich nicht prozentual an die Höhe der Transaktion gebunden. So kann man Bitcoin im Gegenwert von Milliarden Euro für eine Transaktionsgebühr von weniger als einem Euro verschicken.

Mit auf Bitcoin aufbauenden Layern, wie dem Lightning Netzwerk, sind zudem auch kleine Transaktionen quasi gebührenfrei und vor allem auch blitzschnell möglich. Massentauglich ist Lightning zwar noch nicht, aber die Zukunft sieht vielversprechend aus. Mehr zu der Massentauglichkeit vom Lightning Netzwerk in dem aktuellen YouTube-Video auf unserem Kanal.

Zahlt man hingegen heute beispielsweise mit einer Kreditkarte in einem Geschäft, dann ist diese Transaktion zwar für den Käufer kostenlos, aber bei Weitem nicht für den Verkäufer. Selbst in Deutschland oder in den USA gehen grob drei Prozent der Kaufsumme an die Mittelsmänner. In Entwicklungsländern ist die Gebühr sogar deutlich höher.

Auch wird mit der Aussage, dass Bitcoin noch nie in einem nennenswerten Umfang für legale Transaktionen verwendet wurde, suggeriert, dass überwiegend Kriminelle Bitcoin als Zahlungsmittel verwenden. Im Jahr 2021 waren Kriminelle laut Analysen von Chainalysis nur für 0,15 % des gesamten Transaktionsvolumens von Kryptowährungen verantwortlich. Bei Transaktionen mit US-Dollar und Euro ist der Anteil um ein Vielfaches höher.

"Bitcoin ist nicht als Investment geeignet"

Weiter wird angeführt, dass Bitcoin nicht nur als Zahlungsmittel, sondern auch als Investment ungeeignet ist.

"Aber Bitcoin ist auch nicht als Investition geeignet. Er generiert keinen Cashflow (wie Immobilien) oder Dividenden (wie Aktien), kann nicht produktiv genutzt werden (wie Rohstoffe) und stiftet keinen sozialen Nutzen (wie Gold). Die Marktbewertung von Bitcoin basiert daher auf reiner Spekulation."

aus dem Artikel

Wert ist immer subjektiv. Ein dezentrales Zahlungsnetzwerk kann für einige Menschen, etwa in totalitären Regimen, unglaublich viel wert sein. Vor allem aber gibt es mit Bitcoin nun einen Vermögenswert, dessen Menge nicht auszuweiten ist. Es können immer mehr Häuser gebaut, neue Aktien ausgegeben, mehr Rohstoffe beziehungsweise Gold gefördert werden. Bitcoin hingegen ist verifizierbar auf knapp 21 Millionen Einheiten begrenzt.

Dass der Bitcoin-Preis also nur auf Spekulation beruht, ist irreführend. Der Grund für diese Aussage ist, dass bei Bitcoin die herkömmlichen Bewertungsmethoden für Anlagen nicht greifen. Bitcoiner sehen das aber vielmehr als Vorteil und einen objektiven inneren Wert für ein Gut gibt es schlichtweg nicht.

"Rückenwind durch die Krypto-Unternehmen fällt weg"

Als Begründung dafür, dass in der Zukunft die Leute fehlen werden, die Bitcoin kaufen, wird angeführt, dass die Unterstützung der Unternehmen jetzt bei einem fallenden Preis fehlt. Diese haben nämlich laut den Autoren den Bitcoin-Preis künstlich nach oben getrieben, um Privatanleger anzulocken.

Tatsächlich gibt es unzählige Beispiele an Krypto-Unternehmen, die Bitcoin gezielt geschadet haben. Beispielsweise hatte FTX den Kunden Bitcoin verkauft, ohne die Bitcoin selbst zu besitzen. Am Ende hatte FTX Verbindlichkeiten in Bitcoin im Gegenwert von 1,6 Milliarden US-Dollar und dem gegenüber keine Bitcoin. Zudem hatte der CEO von FTX, Sam Bankman-Fried, auch Bitcoin direkt schlechtgeredet. Er behauptete zum Beispiel, dass Bitcoin keine Chance hat, ein Zahlungsmittel zu werden. Dass der Einfluss solcher Unternehmen schwindet, ist wohl eher positiv zu betrachten.

"Regulatorik ungleich Akzeptanz"

In puncto Regulatorik führen die Autoren zuerst auf, dass sich die Anzahl der Krypto-Lobbyisten in den letzten Jahren vervielfacht hat. Auch hier wird vergessen, dass die Krypto-Lobbyisten nicht zwingend pro Bitcoin agiert haben. Das Gegenteil ist sogar häufig der Fall. Beispielsweise hat Chris Larsen, der Mitgründer von Ripple, einem Unternehmen, das mit XRP einen eigenen Token hat, zusammen mit Greenpeace Lobbyarbeit gegen Bitcoin betrieben. Mit ihren Anstrengungen wollten sie den Bitcoin-Code ändern.

Weiter gehen die Autoren darauf ein, dass Kryptowährungen riskant sind und eine scharfe Regulatorik und Aufsicht benötigen. Zudem wird hervorgehoben, dass die EU mit der MICA-Verordnung den USA voraus ist.

Aber der zentrale Punkt ist, dass die wohlwollende Regulatorik nicht missverstanden werden soll. Laut den Autoren ist es nämlich eine Fehlannahme, dass Innovationen Raum eingeräumt werden muss. Hinzukommt, dass sie in Bitcoin selbst keine nützliche Innovation sehen, frei nach dem Motto: "Blockchain, aber nicht Bitcoin".

"Erstens haben diese Technologien bisher nur einen begrenzten Wert für die Gesellschaft geschaffen - ganz gleich, wie groß die Erwartungen an die Zukunft sind. Zweitens ist der Einsatz einer vielversprechenden Technologie keine hinreichende Bedingung für einen Mehrwert eines darauf basierenden Produkts."

aus dem Artikel

Dass Bitcoin nur einen begrenzten gesellschaftlichen Nutzen hat, würden Menschen anders sehen, die mit Bitcoin beispielsweise die Hyperinflationen in Entwicklungsländern gut überstehen konnten oder die aufgrund von Geschlecht, Religion oder sozialer Herkunft vom Bankensystem ausgeschlossen sind.

Bitcoin-Verbot?

Zwischen den Zeilen hört man auch heraus, dass die Autoren Bitcoin gerne verbieten würden. Das wäre auch nicht all zu verwunderlich. Jürgen Schaaf retweetet unter anderem Aussagen, in denen mit dem Verbot von Kryptowährungen geliebäugelt wird. Ganz sicher ist aber, dass die Autoren eine scharfe Regulatorik wollen, die Bitcoin delegitimiert.

"Da Bitcoin weder als Zahlungssystem noch als Anlageform geeignet zu sein scheint, sollte es aus regulatorischer Sicht auch nicht als solches behandelt und somit nicht legitimiert werden."

aus dem Artikel

"Die Finanzindustrie sollte sich von Bitcoin distanzieren"

Die Autoren richten ihre Worte am Ende des Artikels noch an die Finanzindustrie. Einerseits merken sie an, dass die zu lasche Regulatorik die Finanzindustrie in Versuchung gebracht hat, den Kunden Bitcoin anzubieten. Das hat letztlich den Privatanlegern suggeriert, dass Bitcoin ein sinnvolles Investment sei. Des Weiteren warnen sie die Unternehmen vor den Rufschäden, die sie erleiden können, wenn sie weiterhin es ihren Kunden ermöglichen, Bitcoin zu kaufen.

"Die Finanzindustrie sollte sich vor den langfristigen Schäden hüten, die die Förderung von Bitcoin-Investitionen mit sich bringt - trotz der kurzfristigen Gewinne, die sie dadurch erzielen könnten (selbst wenn sie selbst nicht in Bitcoin investieren). Die negativen Auswirkungen auf die Kundenbeziehungen und der Reputationsschaden für die gesamte Branche könnten enorm sein, sobald Bitcoin-Anleger weitere Verluste gemacht haben."

aus dem Artikel

Das ist übrigens nicht das erste Mal, dass Personen, die für den Staat arbeiten, Unternehmen nahelegen, nicht mehr Bitcoin-Dienstleistungen anzubieten. Vor etwas mehr als einer Woche forderten bereits US-Senatoren den Investmentgigant Fidelity dazu auf. Blocktrainer.de berichtete darüber.

Da die Europäische Zentralbank selbst einen schlechten Ruf hat, ist es eher unwahrscheinlich, dass Unternehmen sich diese Tipps zu Herzen nehmen.

Fazit

Wie es von einem Blog-Artikel der EZB zu erwarten ist, wird Bitcoin auf allen möglichen Ebenen angegriffen. Natürlich blieb auch die vermeintliche Umweltverschmutzung durch das Bitcoin-Netzwerk nicht unerwähnt. Bitcoin stellt eine direkte Konkurrenz zu dem Fiatgeld der Zentralbanken dar. Sollte sich Bitcoin durchsetzen, dann braucht es keine Zentralbanken mehr. Demnach ist es nachvollziehbar, dass Bitcoin als Konkurrent schlechtgeredet wird. In einem freien Geldmarkt würde sich Bitcoin nämlich vermutlich gegen alle Formen des Fiatgeldes durchsetzen.

Bitcoiner sind es gewohnt, dass Bitcoin totgesagt wird. Ob Bitcoin wirklich in der Irrelevanz verschwinden wird, bleibt abzuwarten. Momentan sieht es überhaupt nicht danach aus. Sollte sich die entschiedene Prognose der Autoren nicht bewahrheiten, dann wäre das auch nicht die erste Fehleinschätzung von Zentralbankern.

Wenn die Zentralbanker wirklich davon überzeugt sind, dass Bitcoin in der Bedeutungslosigkeit verschwindet, dann bräuchten sie durch solche Artikel Bitcoin doch nicht relevanter machen, als er ist.


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