Die American Geophysical Union hat in Kooperation mit der United Nations University eine Studie veröffentlicht, die sich mit dem ökologischen Fußabdruck des Bitcoin-Minings beschäftigt. Dabei wird vor den erheblichen Umweltauswirkungen gewarnt und Maßnahmen zur Bekämpfung dieser Auswirkungen gefordert. Bei genauerem Hinsehen ist die "Studie" allerdings voller Fehlannahmen, -Interpretationen und mehr als nur "fragwürdig".

American Geophysical Union

Die American Geophysical Union (AGU) ist eine unabhängige wissenschaftliche Gesellschaft, die im Jahr 1919 gegründet wurde und sich der Verbreitung und dem Austausch von Wissen sowie der Förderung der Geowissenschaften widmet. Dabei hält sich die AGU laut eigenen Angaben an strenge ethische Richtlinien und wahrt ihre Unabhängigkeit, um Interessenkonflikte zu vermeiden. Sie ist eine Non-Profit-Organisation, die sich durch verschiedene Quellen finanziert. Dazu gehören die jährlichen Mitgliedsbeiträge der über 60.000 Mitglieder aus 137 Ländern, die Teilnahmegebühren für die von der AGU organisierten Veranstaltungen, Spenden und Fördergelder sowie die Einnahmen aus Abonnements für ihre Publikationen.

Zu diesen Publikationen gehört auch das Journal „Earth's Future“, das regelmäßige Artikel zu einer Vielzahl von Themen veröffentlicht, insbesondere wissenschaftliche Arbeiten, die sich mit den aktuellen und zukünftigen Zuständen der Erde und ihrer Bewohner befassen. Dadurch soll ein umfassendes Verständnis für die komplexen Wechselwirkungen zwischen Mensch und Umwelt gefördert und eine Schnittstelle von Umweltwissenschaft, Politik und Gesellschaft geboten werden. In der aktuellen Ausgabe des Earth’s-Future-Journals wurde am 24. Oktober 2023 eine Studie mit dem Titel „The Environmental Footprint of Bitcoin Mining Across the Globe: Call for Urgent Action“ (z.Dt.: Der ökologische Fußabdruck des Bitcoin-Minings auf der ganzen Welt: Es besteht dringender Handlungsbedarf) von den Autoren Sanaz Chamanara, S. Arman Ghaffarizadeh und Kaveh Madani veröffentlicht.

Der ökologische Fußabdruck des Bitcoin-Minings

Im Rahmen der Studie stellen die Autoren zunächst fest, dass die Beliebtheit von Kryptowährungen immer weiter zunimmt. Dabei blicken sie mit großer Sorge auf den enormen Stromverbrauch des Bitcoin-Minings, das kontinuierliche Wachstum der Hashrate des Bitcoin-Netzwerks und die Zunahme der Mining-Geräte, obwohl diese immer effizienter werden. So verbrauche ein ASIC-Miner pro Tag genauso viel Strom wie ein Bürger der USA. Die damit verbundenen Umweltauswirkungen würden nach Meinung der Autoren von Unternehmen und Regierungen ignoriert.

Die Studie verfolgt einen etwas anderen Ansatz als ähnliche Studien, die sich mit dieser Thematik befassen. Es wird ein ökologischer Fußabdruck definiert, der sich auf die Umweltauswirkungen bezieht, die durch die Erzeugung und Übertragung des Stroms entstehen sollen. Dadurch ergeben sich weitere Daten zum Wasserverbrauch und der Nutzung der Landfläche. Die Grundlage dafür sind jedoch Daten, die zwischen Januar 2020 und Dezember 2021 gesammelt wurden und somit weniger aktuell sind als in anderen Studien

Unter der Berücksichtigung dieses Modells habe der Sektor der Kryptowährungen einen weitaus größeren ökologischen Fußabdruck als der, der konventionellen (zentralisierten) digitalen Transaktionen, wie zum Beispiel VISA, heißt es in der Studie.

Zusätzlich werden nicht mehr ganz aktuelle Prognosen herangezogen, die trotz ihres alarmierenden Charakters nicht mehr auf so viel Interesse und Besorgnis stoßen, wie sich die Autoren wünschen. Insbesondere, da als Quelle ein mittlerweile MEHRFACH widerlegtes Paper von Mora et al. aus dem Jahr 2018 herangezogen wurde:

Es wird prognostiziert, dass allein die Nutzung der BTC in weniger als drei Jahrzehnten genug Treibhausgasemissionen erzeugen kann, um die globale Erwärmung über das Ziel des Pariser Abkommens hinauszutreiben, die anthropogene Klimaerwärmung auf unter 2 Grad Celsius zu begrenzen (Mora et al., 2018). Trotz dieser alarmierenden Erwartungen haben die finanziellen und technologischen Beweggründe für das Mining von Kryptowährungen die Diskussion über deren Umweltkosten verdrängt.

Auszug aus der Studie

Exkurs: Da eine Widerlegung der genannten Studie natürlich diesen Beitrag sprengen würde, haben wir hier für Interessierte jedoch drei Berichte verlinkt, die, wie auch die Original-Studie, in der Fachzeitschrift Nature Climate Change erschienen sind und auf die Thematik eingehen sowie Camilo Mora und seine Kollegen widerlegen.

"Implausible projections overestimate near-term Bitcoin CO2 emissions"

https://www.nature.com/articles/s41558-019-0535-4

"Could Bitcoin emissions push global warming above 2 °C?"

https://www.nature.com/articles/s41558-019-0534-5

"Rational mining limits Bitcoin emissions"


https://www.nature.com/articles/s41558-019-0533-6

Aktuellere Studien würden sich nur auf die CO₂-Emissionen konzentrieren, ohne andere wichtige Umweltauswirkungen wie den Wasserverbrauch und die genutzte Landfläche zu berücksichtigen, heißt es.

Für diese Studie wurde deshalb probiert, mittels der Daten des Cambridge Bitcoin Electricity Consumption Index (CBECI) eine „erste globale Schätzung des Kohlenstoff-, Wasser- und Land-Fußabdrucks des BTC-Minings im Hinblick auf die unterschiedlichen Energieversorgungsmixe in der Welt“ vorzunehmen. Der BTC-Stromverbrauch pro Land wurde dafür mit den jeweiligen „Fußabdruckwerten“ multipliziert.

An dieser Stelle sei erwähnt, dass auch die Daten von Cambridge in der Kritik stehen und lediglich auf sehr groben Schätzungen basieren. Cambridge überarbeitete die Zahlen zwar mittlerweile, aber dennoch gelten diese weiterhin als ungenau - Blocktrainer.de berichtete.

CO₂-Emissionen, Wasser- und Flächennutzung

Die Studie stellt fest, dass von Anfang 2020 bis Ende 2021 mehr als 85,89 Millionen Tonnen CO₂ durch das globale Bitcoin-Mining emittiert wurden, wobei China für fast die Hälfte verantwortlich war. Mit zahlreichen Vergleichen und den notwendigen Ausgleichsmaßnahmen – wie etwa das Pflanzen von 3,9 Milliarden Bäumen (7% des Amazonas-Regenwaldes) – wird diesen Zahlen Nachdruck verliehen. Dass das Bitcoin-Mining heute die niedrigste Emissionsintensität aller großen globalen Branchen vorweisen kann, wurde jedoch nicht erwähnt.

Die Autoren verbinden den Wasserverbrauch von Bitcoin mit der Wasserintensität der Stromerzeugung. Diese ist bei Wasserkraftwerken am höchsten. Die Wasserkraft stellt die bedeutendste erneuerbare (und nach dem betrachteten Zeitraum auch die wichtigste) Energiequelle für das Bitcoin-Netzwerk dar. Aufgrund von Verdunstungsverlusten besitzt diese Energiequelle einen höheren Wasser-Fußabdruck als andere Energieformen. Auch die genutzte Fläche ist größer als bei den meisten Energiequellen, mit Ausnahme der flächenintensiven Bioenergie.

Im Zeitraum 2020-2021 beläuft sich der globale Wasser-Fußabdruck des BTC-Minings auf etwa 1,65 km3, was der Füllung von mehr als 660.000 Schwimmbecken olympischer Größe entspricht und mehr ist als der derzeitige häusliche Wasserverbrauch von 300 Millionen Menschen in den ländlichen Gebieten Subsahara-Afrikas. Auch in Bezug auf den Flächenverbrauch ist Bitcoin intensiv. Die Gesamtfläche des BTC-Mining-Netzes in der ganzen Welt beträgt im Zeitraum 2020-2021 mehr als 1.870 Quadratkilometer, das ist das 1,4-fache der Fläche von Los Angeles.

Auszug aus der Studie

Top-10-Rangliste

Anhand der verschiedenen Daten wurde eine Rangliste der zehn größten Bitcoin-Mining-Nationen erstellt, die nach den verschiedenen Fußabdrücken eingeteilt ist. China und die USA sind dabei immer auf Platz 1 bzw. 2, die restliche Platzierung variiert leicht. Dies hängt vor allem von den verschiedenen Energiequellen der Länder ab. Dabei produzieren die Top-10 pro Kategorie mehr als 90% des gesamten jeweiligen Anteils am globalen BTC-Mining.

Obwohl die Daten nicht mehr aktuell sind und andere Studien vernachlässigt wurden, stellen die Autoren zumindest fest, dass sich die Zahlen durch das allgemeine Bitcoin-Verbot in China im Jahr 2021 verändert haben.

Im Jahr 2020 stammten 53 % der Energieversorgung des globalen BTC-Netzes aus Kohle. Diese Zahl wurde auf 46 % im Jahr 2022 reduziert, was mit einer Verringerung des CO₂-Fußabdrucks um 34 %, des Wasser-Fußabdrucks um 32 % und des Land-Fußabdrucks des globalen BTC-Mining-Netzes um 25 % innerhalb eines Jahres verbunden ist. Allerdings ist das globale BTC-Mining-Netz immer noch sehr stark von fossilen Brennstoffen abhängig.

Auszug aus der Studie

Die Forderungen

Neben dem geschätzten ökologischen Fußabdruckes von Bitcoin beschreiben die Autoren zusätzlich einige potenzielle soziale und politische Auswirkungen, die im Zusammenhang mit Bitcoin auftreten und zu Unruhen, Ungleichheit und weiteren Umweltauswirkungen führen können. Dazu gehören zum Beispiel Stromausfälle und soziale Ungerechtigkeit. Um diesen Aspekten entgegenzuwirken, stellen sie einige Forderungen auf. Diese richten sich sowohl an politische Entscheidungsträger als auch an Einzelpersonen und Unternehmen. 

Die Autoren schlagen zum einen vor, strengere regulatorische Rahmenbedingungen für die Mining-Branche zu schaffen, wie zum Beispiel erhöhte Strompreise, eine Besteuerung der Einnahmen und Transaktionen, Kohlenstoffausgleichsmandate oder sogar ein Verbot von Krypto-Mining, das unsaubere Energie benutzt.  Zum anderen soll die Entwicklung energieeffizienterer Alt-Coins, besserer Mining-Hardware und effizientere Blockchain-Validierungsprotokolle (z.B. Proof of Stake) vorangetrieben werden. Diese Maßnahmen seien für die Reduzierung des Energiebedarfs für Kryptowährungen und somit der Umweltauswirkungen derartiger Netzwerke unerlässlich.

Zudem sollten zukünftige Studien nicht nur die CO₂-Emissionen und Bitcoin behandeln, sondern auch andere Kryptowährungen und die damit verbundene Nutzung von Wasser und Landfläche.

Fazit

Die Studie der American Geophysical Union versucht mit neuen Ansätzen bereits veraltete Narrative zu untermauern. Das Einbeziehen von Wasser- und Flächennutzung ist zwar eine innovative Herangehensweise, scheint aber angesichts der viel zu negativen Auslegung für ein realistisches Bild wenig geeignet.

Zusätzlich weist die Studie einige Fehler auf und bezieht sich dabei auf veraltete und nachweislich falsche Quellen. Auch einige Vergleiche mit stark zentralisierten Alternativen sind nicht zielführend, da es sich dabei um komplett unterschiedliche Konzepte handelt. Es wird ein altes Narrativ bedient und alle Studien, die Gegenargumente liefern, werden komplett ignoriert. Die Entwicklung von effizienterer Mining-Hardware (S21, M60S), die Fähigkeit der Mining-Branche, Stromnetze zu stabilisieren oder nachhaltige Energiequellen sowie den Zugang zu Elektrizität zu fördern und zu subventionieren, bleiben komplett unerwähnt. Es ist schon komisch, dass eine „unabhängige Non-Profit-Organisation“ der Welt vorwirft, die umweltschädlichen Auswirkungen der gesamten Krypto-Branche „zu übersehen“, während sie gleichzeitig zahlreiche Studien ignoriert, die sich genau damit beschäftigen. Stattdessen werden strengere Regulierungen, Verbote und der Umstieg auf Blockchain-Validierungsprozesse gefordert, die weniger Sicherheit, Gerechtigkeit und Nutzen bieten als Bitcoins Proof of Work, der auf Energie und Zeit beruht und somit in der realen Welt verankert ist.

Dies ist für eine renommierte Organisation, die sich als unabhängig anpreist und den Austausch von Forschungsergebnissen und Ideen fördern will, definitiv zu unprofessionell.