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Am 7. September 2021 schrieb El Salvador Geschichte, indem es als erstes Land der Welt Bitcoin zum gesetzlichen Zahlungsmittel erklärte. Diese Entscheidung, die von Präsident Nayib Bukele auf der Bitcoin-Konferenz in Miami angekündigt wurde, markierte gewissermaßen einen Wendepunkt in der globalen Wahrnehmung des kleinen Landes. Aber auch für Bitcoin stellte dies einen wichtigen Meilenstein dar. BTC war plötzlich nicht mehr nur ein Spekulationsobjekt oder ein Mittel für dezentrale Transaktionen, sondern wurde auf einmal zu einer Währung, die neben dem US-Dollar in einem souveränen Staat als Zahlungsmittel anerkannt wird.

Die Entscheidung war allerdings sowohl mutig als auch kontrovers und löste eine Welle von Reaktionen aus, die von purer Euphorie in der Bitcoin-Community bis hin zu ernsthafter Skepsis und Besorgnis bei internationalen Wirtschaftsexperten und in Teilen der Bevölkerung El Salvadors reichte. Die Einführung von Bitcoin als gesetzliches Zahlungsmittel war nicht nur ein Experiment in der Finanzwelt, sondern auch ein soziales und politisches Wagnis, das die Welt beobachtete.

Zwei Jahre sind seit der Einführung nun vergangen, und dies bietet die Gelegenheit, Bilanz zu ziehen. Hat sich der mutige Schritt ausgezahlt? Wie hat sich die Einführung von Bitcoin auf die Wirtschaft, den Tourismus und das soziale Gefüge El Salvadors ausgewirkt? Und was sind die Lehren, die sich aus diesem Experiment ziehen lassen?

Ich würde nicht sagen, dass [die Einführung von Bitcoin aus wirtschaftspolitischer Sicht] funktioniert hat. Ich würde aber auch nicht sagen, dass es bereits gescheitert ist.

Carlos Acevedo, Ökonom und ehemaliger Präsident der salvadorianischen Zentralbank (BCR).

Euphorie und Aufklärungsmängel

Nach der Ankündigung folgte eine Phase der Euphorie, aber auch der Verwirrung. Die Regierung startete mit dem Mining von Bitcoin, wobei geothermische Energie aus den Vulkanen des Landes genutzt werden sollte. Dieses Projekt schien vielversprechend, wurde bisher jedoch noch nicht realisiert. Es wurde zwar in einem Kraftwerk in der Nähe der salvadorianischen Stadt Berlín ein entsprechender Mining-Container platziert, mehr passierte jedoch nicht. Die Pläne sind in der Versenkung verschwunden, und die Bevölkerung wurde in Bezug auf die Nutzung und den Nutzen von Bitcoin nicht ausreichend aufgeklärt. Dies sorgte dafür, dass die Skepsis unter den Salvadorianern weiter genährt wurde und selbst ein großer Teil der interessierten Bürgerinnen und Bürger schnell die Lust an der neuen Geld-Alternative verlor.

Der Mining-Container auf dem Gelände von "La Geo" bei Berlín.

Insbesondere weil die staatliche Chivo-Wallet auch eher schlecht als recht und nicht nach aktuellen modernen Standards umgesetzt wurde und sehr fehleranfällig war, verloren viele Salvadorianer schnell die Lust an Bitcoin.

Ein weiteres Versprechen war die Vereinfachung von Auslandsüberweisungen. El Salvador ist stark von Überweisungen von im Ausland (insbesondere den USA) lebenden Salvadorianern abhängig. Die Regierung versprach, dass Bitcoin-Transaktionen schneller und kostengünstiger sein würden. Obwohl dies technisch möglich ist, hat die Bevölkerung diese Möglichkeit nur zögerlich angenommen, hauptsächlich aufgrund mangelnder Aufklärung und Vertrauen in die neue Währung. Wie die Tageszeitung Prensa Latina zum Jahresbeginn meldete, kamen nur etwas weniger als 2% aller Auslandsüberweisungen über Bitcoin ins Land. Allerdings ist es wunderbar, dass diejenigen, die es nutzen, dies auch legal dürfen.

Versprechen und Realität

Neben der eigentlichen Einführung der digitalen Währung versprach Bukele die Umsetzung von Projekten, die das Potenzial hätten, die wirtschaftliche Landschaft El Salvadors grundlegend zu verändern. Zwei der meistdiskutierten Projekte waren die Emission von sogenannten "Volcano Bonds" und die Entwicklung einer "Bitcoin City".

Die "Volcano Bonds" oder auch "Bitcoin Bonds" sollten eine Anlageoption bieten, die sowohl für lokale als auch für internationale Investoren attraktiv ist. Diese Anleihen sollten durch die Einnahmen aus dem Bitcoin-Mining finanziert werden, das mit geothermischer Energie aus den Vulkanen des Landes betrieben wird. Die Idee war, eine nachhaltige Einkommensquelle zu schaffen, die die wirtschaftliche Entwicklung fördert und gleichzeitig die Abhängigkeit von traditionellen Finanzsystemen verringert. Leider wurden die Pläne für die Emission dieser Anleihen mehrmals verschoben, und bis heute gibt es keine konkreten Informationen darüber, wann oder ob sie überhaupt auf den Markt kommen werden.

Die "Bitcoin City" ist ein weiteres (über)ambitioniertes Projekt, das als futuristisches Zentrum für Technologie und Innovation dienen sollte. Geplant ist (oder war?) eine steuerfreie Zone mit moderner Infrastruktur, in der Unternehmen aus der ganzen Welt willkommen sind, sofern sie in Bitcoin handeln und investieren. Die Stadt sollte durch die Einnahmen aus den "Volcano Bonds" und den Bitcoin-Mining-Aktivitäten finanziert werden. Doch wie die Anleihen bleibt auch die Bitcoin City ein Konzept auf dem Papier. Es gibt keine Anzeichen für einen Baubeginn, und die anfängliche Begeisterung in der Community hat sich mittlerweile in breite Skepsis verwandelt.

Diese nicht eingelösten Versprechen haben das Vertrauen in die Regierung und in Bitcoin als tragfähige Option für wirtschaftliche Entwicklung zwar nicht gänzlich erschüttert, kratzen aber dennoch am Image des Präsidenten. Die Bevölkerung, die bereits mit einer steilen Lernkurve konfrontiert war, um die neue digitale Währung zu verstehen, fühlt sich zunehmend im Stich gelassen. Die großen Pläne und Versprechen haben bisher wenig greifbare Ergebnisse geliefert, und die Kluft zwischen dem, was versprochen wurde, und dem, was tatsächlich erreicht wurde, hat sich vergrößert.

Die Frage, die sich nun stellt, ist, ob diese Projekte lediglich ambitionierte Visionen waren, die an der Realität gescheitert sind, oder ob sie Teil einer langfristigen Strategie sind, die einfach mehr Zeit zur Umsetzung benötigt. In beiden Fällen bleibt die Tatsache bestehen, dass die hohen Erwartungen, die mit der Einführung von Bitcoin in El Salvador verbunden waren, bisher nicht erfüllt wurden. Aber wie heißt es so schön? "Was nicht ist, kann ja noch werden".

Neue Entwicklungen

Kommt das Vulcano-Mining doch?

Mittlerweile gibt es nämlich auch Anzeichen für einen positiven Wandel. Kürzlich wurde die Errichtung einer Bitcoin-Mining-Farm mit einer Investitionssumme von einer Milliarde US-Dollar angekündigt. Interessanterweise kommt diese massive Investition nicht (nur) von der Regierung El Salvadors, sondern von privaten Unternehmen, insbesondere dem Stablecoin-Emittenten Tether.

Das salvadorianische Unternehmen Volcano Energy hat finanzielle Zusagen für den Bau einer Bitcoin-Mining-Farm mit einer Leistung von insgesamt 241 Megawatt erhalten. Die Anlage soll im Nordwesten El Salvadors in der Region El Shiste nahe der Stadt Metapán entstehen. Tether, einer der Hauptinvestoren, hat bereits Erfahrung im Bereich Bitcoin-Mining und möchte mit dieser Investition sein "strategisches Ökosystem" weiter diversifizieren und El Salvador zu einer "globalen Kraft in der erneuerbaren Energieerzeugung" machen.

Ursprünglich wurde aufgrund des Firmennamens erwartet, dass die Anlage durch geothermische Energie aus den Vulkanen des Landes betrieben wird. Die geplante Mining-Farm wird jedoch mit Solarenergie und Windenergie betrieben. Das Unternehmen hat jedoch in einer Pressemitteilung darauf hingewiesen, dass der Mining-Standort als "Weg zur geothermischen Zukunft" gedacht ist. Es scheint, dass ein Teil der Einnahmen aus dem Projekt auch dazu verwendet werden soll, weiter am "Vulkan-Mining" zu forschen.

Die Regierung von El Salvador wird trotz der privaten Finanzierung eine entscheidende Rolle bei der Planung und Ausführung des Projekts spielen. Sie hat sich eine bevorzugte Beteiligung in Höhe von 23% der Einnahmen gesichert, während 27% des Unternehmens im Besitz von externen Investoren wie Tether sind. Die verbleibenden 50% der Einnahmen sollen reinvestiert werden, um die Energieproduktion und die Mining-Kapazitäten zu erweitern.

Die strategische Lage der Mining-Farm in der Region El Shiste bietet optimale Bedingungen für die Erzeugung von Wind- und Solarenergie. Darüber hinaus eröffnet die Nähe zu Guatemala und die gleichmäßige Entfernung zu zwei großen Städten (San Salvador und Guatemala-Stadt) zusätzliche Möglichkeiten, überschüssige Energie an benachbarte Regionen zu verkaufen. Dieses Projekt ist nicht nur ein wichtiger Schritt für die Bitcoin-Infrastruktur in El Salvador, sondern könnte auch als Modell für andere Länder dienen, die den Einsatz von Bitcoin in Erwägung ziehen.

Bildung als Schlüssel

Schüler im "Bitcoin-Unterricht". Foto: Mi Primer Bitcoin

Diese Woche wurde außerdem eine Bildungsinitiative angekündigt, die Bitcoin und Finanzbildung in alle staatlichen Schulen bringen soll. Dies ist ein wichtiger Schritt, da die mangelnde Bildung einer der Hauptgründe für die bestehende Skepsis der salvadorianischen Bevölkerung gegenüber Bitcoin ist. Das Projekt sieht die Kooperation mit der NGO "Mi Primer Bitcoin" und die Ausbildung von etwa 150 Lehrkräften vor, die speziell für die Vermittlung von Wissen über Bitcoin und digitale Finanzen geschult werden.

Es wird zwar einige Zeit dauern, bis die Auswirkungen dieser Bildungsinitiative sichtbar werden, aber die Ausbildung der Lehrkräfte und die Integration von Finanz- und Bitcoin-spezifischen Inhalten in den Lehrplan sind entscheidende erste Schritte. Es ist jedenfalls schön zu sehen, dass sich an dieser Front endlich etwas tut.

Positive Nebeneffekte

Trotz aller oben geschilderten Herausforderungen hat die Bitcoin-Adoption einige positive Nebeneffekte mit sich gebracht. So gab diese zum Beispiel dem Tourismus in El Salvador einen ordentlichen Schub. Während in der Vergangenheit kaum Touristen ihren Weg in das paradiesische kleine Land an der Pazifikküste fanden, kann man mittlerweile von einem regelrechten Touri-Boom sprechen. Der Ort El Zonte, besser bekannt als "Bitcoin Beach", soll deswegen auch ein Investitionsprogramm von rund 200 Millionen US-Dollar erhalten, um die Infrastruktur und das gesamte Areal zu verbessern.

Durch den gesteigerten Tourismus konnte auch das Wirtschaftswachstum angekurbelt werden und sogar der Internationale Währungsfonds hatte diesbezüglich einige lobende Worte verlauten lassen.

Es wird geschätzt, dass die Wirtschaft [in El Salvador] im Jahr 2022 um 2,8 Prozent gewachsen ist […] seit März 2022 haben der beispiellose Rückgang der Kriminalität sowie die starken Überweisungen und Einnahmen aus dem Tourismus zu der robusten Wirtschafts- und Investitionsdynamik beigetragen.

IWF, Auszug aus einem Bericht im Februar 2023

Fazit

Die anfängliche Begeisterung, die die Einführung begleitete, hat sich weitgehend gelegt. Versprochene Projekte wie die "Volcano Bonds" und die "Bitcoin City" sind bisher nicht in die Tat umgesetzt worden.

Aber es gibt auch positive Signale. Die kürzlich angekündigte Milliardeninvestition in eine Bitcoin-Mining-Farm durch private Akteure wie Tether deutet darauf hin, dass El Salvador für Investoren im Bereich der digitalen Währungen nach wie vor interessant ist. Zudem hat die Regierung die Bedeutung der Bildung im Kontext von Bitcoin wohl endlich erkannt und plant, entsprechende Inhalte in den Lehrplan der öffentlichen Schulen aufzunehmen.

Die Frage ist nun jedoch, ob diesmal in Anbetracht dieser neuen Entwicklungen die Erwartungen erfüllt werden können, oder wir in einem Jahr erneut resümieren müssen, dass sich bis dato noch immer nichts getan hat.

El Salvador steht an einem entscheidenden Punkt. Die kommenden Entwicklungen könnten das Land entweder als Vorreiter in der Adoption von Bitcoin bestätigen oder als Mahnbeispiel für die Risiken und Herausforderungen solcher Experimente dienen. In jedem Fall bleibt El Salvador ein interessantes Beobachtungsobjekt für alle, die sich für die Rolle von Bitcoin in der modernen Wirtschaft interessieren.

Die nächsten Monate werden hoffentlich zeigen, ob die bisherigen Anstrengungen Früchte tragen und ob die Integration von Bitcoin in das wirtschaftliche und soziale Gefüge des Landes nachhaltig gelingen kann.