Nach den Klagen der US-Börsenaufsichtsbehörde SEC gegen Binance und Coinbase reichen die US-Abgeordneten Tom Emmer und Warren Davidson ein Gesetz zur Umstrukturierung der SEC und Entlassung des Vorsitzenden der Behörde, Gary Gensler, ein.

Das SEC-Stabilisierungsgesetz

Nachdem der republikanische Abgeordnete für Ohio, Warren Davidson, im April das Gesetz zur Absetzung von Gary Gensler, initiiert hatte, wurde gestern Abend bekannt gegeben, dass er das „SEC-Stabilisierungsgesetz“ nun eingereicht hat. Damit soll die US-Börsenaufsicht neu strukturiert und Gary Gensler entlassen werden. 

Die US-Kapitalmärkte müssen vor tyrannischen Vorsitzenden geschützt werden, auch vor dem derzeitigen. […] Es ist Zeit für eine echte Reform und für die Entlassung von Gary Gensler als Vorsitzenden der SEC.

Zitat von Warren Davidson

Ähnlich äußerte sich der Abgeordnete für Minnesota, Tom Emmer, der Davidson bei dem Gesetz als Co-Autor unterstützt:

Amerikanische Investoren und die Industrie verdienen eine klare und konsequente Aufsicht, keine politischen Spielchen. Das SEC-Stabilisierungsgesetz wird vernünftige Änderungen vornehmen, um sicherzustellen, dass die Prioritäten der SEC bei den Investoren liegen, die sie schützen soll, und nicht bei den Launen ihres rücksichtslosen Vorsitzenden.

Zitat von Tom Emmer

Neben der Absetzung Genslers ist die Umstrukturierung der Hierarchie der Behörde geplant: Anstatt des Vorsitzenden an der Spitze, der einige Kommissare (en. commissioners) unter sich hat, sollen jetzt sechs Kommissare die Entscheidungsgewalt besitzen. Dabei sollen jeweils drei republikanische und drei demokratische Kommissare vertreten sein, sodass keine politische Partei die Behörde kontrollieren kann. Die Kommissare würden weiterhin Ermittlungen durchführen sowie Regeln erlassen und durchsetzen. Ihre Amtszeit wäre auf sechs Jahre ausgelegt. Zusätzlich soll die Rolle eines leitenden Geschäftsführers geschaffen werden, der das Tagesgeschäft überwacht und vermutlich als Sprecher der Behörde agiert.  

Das geplante Gesetz trifft bei den Anhängern der Kryptobranche auf große Zustimmung. Doch ist dieses Gesetz gerechtfertigt?

Rundumschlag gegen die Kryptobranche war vorhersehbar

Unter US-amerikanischem Recht war es absehbar, dass früher oder später ein Rundumschlag gegen die als Wertpapiere (en. securities) eingestuften Kryptowährungen durchgeführt wird. Dass sich Unternehmen wie Binance und Coinbase auf dünnes Eis begeben, wenn sie trotz fehlender Lizenzen den Handel solcher Wertpapiere ermöglichen, hätte den Verantwortlichen eigentlich ebenso bewusst sein sollen - völlig unabhängig davon, was man grundsätzlich von solchen Regulierungen halten kann. Im Zwiespalt zwischen "Vorsichtig walten lassen" und "massive Gewinne einfahren" haben sich die Unternehmen für letzteres entschieden und sehen sich nun eben mit den Vorwürfen konfrontiert. Gensler dafür allein die Schuld zu geben und seine Entlassung zu fordern kann man vor diesem Hintergrund auch für unbegründet erachten.

Gensler hat bereits vor einiger Zeit deutlich Stellung bezogen und erklärt, dass nach seiner Auffassung nur Bitcoin – unter anderem aufgrund des dezentralen Charakters – als Rohstoff (en. commodity) eingestuft werden könnte. Die Regulierung obliege dementsprechend einer anderen Behörde, der Commodity Futures Trading Commission (CFTC), sagte er. Ein Rohstoff kann nicht so reguliert werden wie Finanztechnologien bzw. Kryptowährungen, hinter denen ein gewinnorientiertes Unternehmen oder eine Stiftung stehen. Derartige Währungen wurden von Gensler hingegen als Wertpapiere definiert

Es wurden Regeln vorgegeben, die die Behörde als notwendig betrachtet. Dies trifft auch für die Kryptobörsen zu. Sie müssen sich genauso an die Vorschriften halten und die notwendige Registrierung der Wertpapiere sowie dessen Handel vornehmen. Dies würden die Börsen wie Binance und Coinbase jedoch bewusst nicht tun, was Genslers in einem Interview mit CNBC zum Ausdruck brachte. Die Börsen-Verantwortlichen hielten entgegen, dass es keine klaren Regeln und kein definiertes Prozedere gebe, wie man eine entsprechende Lizenz erhalten könne. Selbst wenn sie damit recht haben oder hätten, ist dies trotzdem kein Grund, möglicherweise gegen das Wertpapiergesetz zu verstoßen und anschließend anderen die Schuld zu geben. Nur weil einem nicht genau klar ist, wie man sich bei einer Fahrschule anmeldet, darf man schließlich auch nicht ohne Führerschein mit einem Auto durch die Straßen jagen.

Roman Reher, der Gründer von Blocktrainer.de, hatte schon vor über einem Jahr auf die bevorstehende Regulierung in den USA hingewiesen und stellte seitdem immer wieder fest, dass nur Bitcoin ein Rohstoff respektive eine Ware und alles andere ein Wertpapier sei. Selbst Coinbase-CEO Brian Armstrong macht in einem Interview mit Wall Street Journal deutlich, dass ihm diese Sichtweise der SEC seit über einem Jahr bewusst war. Trotzdem hat Armstrong nicht entsprechend gehandelt. Er setzte sich über die Gesetze hinweg und erzielte mit den Handelsgebühren enorme Gewinne auf Kosten der Kleinanleger. Ohne die Vorwürfe der SEC gutheißen zu wollen, sind diese dennoch in gewisser Weise nachvollziehbar.

Angriff der Krypto-Lobby

Die Stimmungsmache gegen Gensler durch das SEC-Stabilisierungsgesetz der beiden republikanischen Abgeordneten ist nicht nur bloßer Wahlkampf, sondern auch im Interesse der Krypto-Industrie. Das Interesse ist sogar so groß, dass man es auch als Angriff der Krypto-Lobby auf Gensler bezeichnen könnte. 

Die Kryptowährungsbranche wird von zentralisierten Unternehmen und fragwürdigen Akteuren dominiert. Sie macht enorme Gewinne und hat den Verlust des Vermögens von einer großen Anzahl von Menschen zu verantworten. Dies wirft letztlich auch einen unbegründeten Schatten auf Bitcoin.

Viele Behauptungen und Versprechungen der Kryptounternehmen sind irreführend und viele Menschen wurden dadurch zu hochriskanten Investments animiert. Behauptungen wie die, dass Kryptowährungen dezentralisiert seien oder Bitcoin keine Vorteile hätte und man besser auf das neue Projekt XY setzen solle, tauchen auch immer wieder auf. Dass einige Leute aus der Bitcoin-Community dem Vorgehen der SEC gegen Binance und Co. deshalb sogar positive Dinge abgewinnen können, ist ebenfalls nachvollziehbar.

Die Kryptobranche sieht in der Arbeit von Gensler bzw. der SEC eine Gefährdung ihres fragwürdigen Geschäftsmodells. Das unethische Verhalten und die teilweise betrügerischen Praktiken der Unternehmen könnten nun deutlich erschwert werden. Eine Fortsetzung derartiger Aktivitäten und die resultierende Profitsteigerung der Unternehmen wäre durch die Absetzung Genslers und der Abschaffung seiner Sichtweise innerhalb der SEC vorstellbar. Dadurch würden schließlich auch unlautere Unternehmen geschützt werden.

Unterstützenswert ist die Idee eines freien Marktes, der von Ethik, freier Meinungsäußerung und der Ablehnung betrügerischer Akteure geprägt ist. Eine völlig unregulierte Umgebung ist jedoch auch keine gute Lösung. Die als Wertpapiere eingestuften Kryptowährungen bzw. Finanztechnologien sollten auch dementsprechend reguliert werden, um die betrügerischen Aktivitäten einzudämmen und die Anleger zu schützen. Dennoch sollte man die Rolle der Regulierungsbehörden nicht überbewerten, sondern sich vielmehr auf die Entlarvung und die Kritik an den unethischen Akteuren konzentrieren. Doch ohne Genslers Regulierung könnte jedes zukünftige Unternehmen zum Zweck der Kapitalgewinnung oder -erhöhung letztlich einen eigenen Token herausbringen und sich mit falschen Versprechen für die Anleger daran bereichern. 


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