KPMG, eine der weltweit vier größten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, hat eine 12-seitige Broschüre veröffentlicht, in der das einflussreiche Beratungsunternehmen die Auswirkungen von Bitcoin auf die Umwelt und die Gesellschaft beschreibt. 

Die Rolle von Bitcoin im ESG-Imperativ

Mit dem Titel „Die Rolle von Bitcoin im ESG-Imperativ“ will der Bericht Möglichkeiten aufzeigen, wie Unternehmen (oder auch Regierungen) Bitcoin zur Verbesserung der Nachhaltigkeit und der ethischen Praxis einbeziehen könnten. Dabei werden bedeutende Anwendungsfälle von Bitcoin und deren ESG-Auswirkungen erläutert sowie häufige Missverständnisse beseitigt.

ESG steht für Environmental, Social und Governance (z. Dt.: Umwelt, Soziales und Verwaltung bzw. Unternehmens-/Regierungsführung) – Begriffe, die vor allem durch die Herausforderungen des Klimawandels immer mehr an Bedeutung gewannen, von einigen Menschen aber auch kritisch betrachtet werden, da sie oft nur zu Marketingzwecken oder für eine politische Agenda benutzt werden. Der Bericht wird durch diese ESG-Oberbegriffe gegliedert.

Umwelt

Der erste Abschnitt beschäftigt sich mit den Auswirkungen von Bitcoin, genauer gesagt des Bitcoin-Minings, auf die Umwelt und dessen Rolle bei der Reduzierung von Emissionen.

Nach einer kurzen Erläuterung des Bitcoin-Minings, wird in dem Bericht zunächst festgestellt, dass beim Bitcoin-Mining – ähnlich wie bei elektrischen Autos – bis auf einige Ausnahmen keine direkten Emissionen (Scope-1-Emissionen) ausgestoßen werden. Indirekte Emissionen (Scope-2-Emissionen) entstehen bei der Erzeugung der notwendigen Elektrizität. Im Vergleich mit anderen Industrien ist das Bitcoin-Mining mit einem jährlichen Stromverbrauch von 110 Terawattstunden für nur 0,55% des weltweiten Stromverbrauchs verantwortlich. 

Angesichts der jahrelangen Kritik, die Bitcoin wegen seines Energieverbrauchs erhalten hat, hätte man einen weitaus höheren Stromverbrauch erwartet.

Auszug aus dem Bericht, S.3

Reduzierung der Emissionen

Auch die sich daraus ergebenen (indirekten) Emissionen sind bedeutend weniger als bei anderen Industrien.

Das Ziel aller Interessengruppen sei jedoch, die Emissionen komplett zu beseitigen. Dafür werden vier Strategien beschrieben.

Emissionen im Vergleich, Quelle: KPMG-Bericht

1. Erneuerbare Energiequellen

Die erneuerbaren Energiequellen stellen für Bitcoin-Mining-Unternehmen vor allem einen wirtschaftlichen Aspekt dar, da ein großer Teil ihrer Kosten auf den Strom zurückzuführen ist. Der billigste Strom steht oft mit erneuerbaren Stromquellen in Verbindung, ist aber nicht rund um die Uhr verfügbar. Doch Bitcoin-Mining-Anlagen können überall errichtet werden und können sich als flexible Last demnach an (Über-)Angebot und Nachfrage dynamisch anpassen. Dadurch könnte der Ausbau weiterer Kapazitäten für erneuerbare Energiequellen gefördert werden.

Bitcoin ermöglicht es den erneuerbaren Energien, in diesen Zeiten Geld zu verdienen, anstatt ihren Strom abzuschalten oder sogar Kunden für die Nutzung ihres Stroms zu bezahlen. […] Bitcoin-Mining trägt dazu bei, diese Märkte für erneuerbare Energien zu stützen und mehr erneuerbare Energien zu fördern.

Zitat von Brad Jones, ehemaliger CEO von ERCOT, dem Energieversorger im US-Bundesstaat Texas, S.5 im Bericht

2. Nachfragereduktion

Neben dem Verbrauch des Überangebots funktioniert die dynamische Anpassung der flexiblen Last auch bei Stromknappheit. In Zeiten hoher Nachfrage kann der hohe Energieverbrauch der Bitcoin-Miner schnell gedrosselt werden. Dadurch können – wie auch Blocktrainer.de berichtete – Stromnetze (und Strompreise) stabilisiert werden.

3. Nutzung der heißen Abluft

Da bei den Bitcoin-Mining-Maschinen (ASICs) Strom in Elektrowärme umgewandelt wird und dabei eine bedeutende Temperatur entsteht, wurden verschiedene Konzepte geschaffen, um diese Abwärme zu nutzen. Zum Beispiel werden Bitcoin-Miner direkt benutzt oder bereits bestehende Rohrsysteme verwendet, in die die Abluft der Bitcoin-Miner hineingeleitet wird, um Wohnhäuser, Gewächshäuser oder andere kommerzielle Immobilien zu heizen. Unternehmen wie MintGreen betreiben im kanadischen Vancouver zusammen mit dem Energieversorger Lonsdale Energy Corp bereits jetzt schon „Digitale Boiler“, mit denen 100 Häuser bzw. Teile der Stadt geheizt werden.
Mit einem Wärmetauscher ist es sogar möglich, Wasser zu erhitzen, wodurch letztlich auch Schwimmbäder geheizt werden könnten.

4. Methanreduzierung

Eine der größten Verursacher des Klimawandels ist das Treibhausgas Methan (CH4), das zum Beispiel bei der Öl- und Gasförderung oder auf Mülldeponien ausgestoßen wird. Dabei wird es oft in einem Prozess namens „Flaring“ (Abfackeln) verbrannt, um die klimaschädlichen Auswirkungen zu verringern. Laut einer Studie könnte die Energie aus dem abgefackelten Gas in den USA und Kanada das gesamte Bitcoin-Netzwerk mit Strom versorgen. Unternehmen wie Crusoe Energy haben sich genau darauf spezialisiert und schließen sich mit großen Unternehmen wie Exxon zusammen, um Methangas für das Bitcoin-Mining zu verwenden und dadurch das Abfallprodukt zu monetarisieren sowie Emissionen zu reduzieren. Andere Unternehmen wie Vespene Energy oder Nodal Power wandeln das auf Mülldeponien durch Zersetzung entstandene Methan direkt in Strom für Bitcoin-Mining um, ohne es abzufackeln.

Der Nutzen von den mobilen und modularen Rechenzentren, die für das Bitcoin-Mining (oder anderen temporären Berechnungen, wie z.B. bei der künstlichen Intelligenz) benutzt werden, wurde in dem KPMG-Bericht gut erkannt und zusammengefasst. 

Aufgrund der flexiblen Nachfragelast von Bitcoin, der Möglichkeit, sich in der Nähe von erneuerbaren Energiequellen anzusiedeln, der Nutzung nicht ausreichend genutzter Energiequellen und der Fähigkeit, zur Verringerung von Emissionen beizutragen, können Bitcoin-Miner trotz ihres erheblichen Energieverbrauchs ein nützlicher Verbündeter beim Übergang zu mehr erneuerbaren Energiequellen und bei der Verringerung von Emissionen sein.

Auszug aus dem Bericht, S.7


 

Soziales

Im nächsten Abschnitt widmet sich der Bericht den sozialen Aspekten von Bitcoin. Dabei wird zunächst das Vorurteil beseitigt, dass Bitcoin aufgrund seines pseudonymen Charakters hauptsächlich für kriminelle Aktivitäten benutzt wird. Laut eines Berichts von Chainalysis sind nur 0,24% der Transaktionen von Kryptowährungen mit illegalen Aktivitäten verbunden, wobei der Anteil von Bitcoin deutlich unter anderen Krypto-Assets liegt.

Illegale Aktivitäten der Kryptowährungen im Vergleich,
Quelle: KPMG-Bericht

Die Tatsache, dass alle Transaktionen für immer und für jeden einsehbar auf der Blockchain festgehalten werden, würde illegale Aktivitäten mit Bitcoin erschweren. Zusätzlich gibt es Analyse-Unternehmen, die durch ihre Arbeit derartigen Aktivitäten entgegenwirken könnten. Die Umwandlung von Bitcoin in Fiat-Währung sei zudem oft mit umfangreichen KYC- (Know Your Customer) und Anti-Geldwäsche-Maßnahmen verbunden.

Darüber hinaus gibt es jedoch auch weitere Aspekte, die Bitcoin für die Allgemeinheit bieten könne, wie einfache Geldüberweisungen und Projektfinanzierungen, Zugang zu Elektrizität und finanzielle Inklusion.

Unkomplizierte Geldüberweisungen und Projektfinanzierungen

Bitcoin bietet Geldüberweisungen, die kostengünstiger, schneller und einfacher sind als in anderen Zahlungsnetzwerken. Vor allem in Entwicklungsländern haben die Menschen nicht die finanzielle Infrastruktur und die finanziellen Privilegien wie in den Industrienationen. Sie sind mit hohen Gebühren, langen Wartezeiten, weiten Wegen und gefährlichen Risiken wie Raubüberfällen konfrontiert. Mit Bitcoin kann man schnell und unkompliziert Geld überweisen und benötigt nur ein mobiles Telefon mit Internetzugang. 

Ein weiterer Aspekt ist die Möglichkeit, unkompliziert und schnell Projekte zu finanzieren oder Spendengelder zu sammeln. In dem Russland-Ukraine-Krieg konnten mit Hilfe von Kryptowährungsspenden innerhalb von zwei Tagen 70 Millionen US-Dollar übermittelt werden.

Wir waren in der Lage, in kürzester Zeit mittels Krypto lebenswichtige Güter zu kaufen, und das Erstaunliche ist, dass etwa 60% der Lieferanten Krypto akzeptieren konnten, das hatte ich nicht erwartet. […] [Die Mittelbeschaffung] war ein absoluter Erfolg, nicht nur in Bezug auf die Höhe des gesammelten Geldes, sondern auch in Bezug auf das Verfahren, die Effizienz und die Geschwindigkeit des Zugangs zu den Mitteln durch Krypto.

Zitat von Alex Bornyakov, stellvertretender ukrainischer Minister für Digitales, S.9 im Bericht

Zugang zur Elektrizität

In dem Bericht wird verdeutlicht, dass mehr als 770 Millionen Menschen aufgrund fehlender Infrastruktur keinen Zugang zu Strom besitzen. Durch Bitcoin-Miner können mehrere kleine Kraftwerke, die mit erneuerbaren Energiequellen Strom für abgelegene ländliche Regionen produzieren, finanziert und dadurch auch die Strompreise auf einem günstigen Niveau gehalten werden. Derartige Mining-Anlagen werden zum Beispiel durch das Unternehmen Gridless in ländlichen Gebieten von Kenia und Malawi errichtet.

Finanzielle Inklusion

Mehr als 1,4 Milliarden Menschen haben keinen Zugang zu Finanzdienstleistungen. In Afghanistan wird es Frauen oft verboten, ein Bankkonto zu eröffnen, sodass andere Wege erschlossen werden müssen. Die Frauenrechtsaktivistin und Unternehmerin Roya Mahboob setzte dabei auf Bitcoin und bezahlte ihre Mitarbeiterinnen von ihrer Firma Citadel Software damit. Einige mussten vor den Taliban fliehen und konnten ihr Vermögen mittels der Seedphrase aus dem Land bringen.
Ebenso verhält es sich bei dem Zusammenbruch der lokalen Währungen. Bitcoin ist ein Mittel, den Wertverlust des Vermögens und der Kaufkraft durch Hyperinflation zu entkommen, wie es zum Beispiel Anfang 2021 in der Türkei der Fall war. Laut Chainalysis war das Transaktionsvolumen in Kryptowährungen zu dieser Zeit in der Türkei das weltweit viertgrößte.

Verwaltung

Im letzten Abschnitt des KPMG-Berichts geht es um die Dezentralität des Bitcoin-Netzwerks und die in den Code festgeschriebenen Regeln, wie die maximale Anzahl von Bitcoin, die Schwierigkeitsanpassung oder die Blockgröße. Diese Regeln können nur im Konsens aller Teilnehmer geändert werden.

Infolgedessen ist die robuste und hoch redundante Verwaltung von Bitcoin ein inhärentes Merkmal seines Designs. Keine Einzelperson oder sogar Gruppe von Einzelpersonen kann Änderungen an den Regeln des Protokolls vornehmen, ohne sich vom Hauptnetzwerk abzuspalten oder zu „forken“.

Auszug aus dem Bericht, S.11

Eine derartige Abspaltung kündigte sich 2015 bei den sogenannten „Block Size Wars“ an und wurde 2017 endgültig durchgeführt. Dabei haben sich zahlreiche Entitäten für eine Vergrößerung der Blockgröße eingesetzt, um mehr Transaktionen pro Sekunde zu ermöglichen. Das Bitcoin-Regelwerk wurde dabei nicht modifiziert, jedoch entstand ein neues Protokoll mit größerer Blockgröße namens Bitcoin Cash (BCH). Dieses Protokoll konnte sich jedoch nicht gegen das ursprüngliche Bitcoin-Protokoll durchsetzen.

Zudem können auch keine Änderungen an den in der Blockchain gespeicherten Daten vorgenommen werden. Die Blockchain wird dezentral gespeichert, d.h. jeder Teilnehmer (Node) besitzt eine eigene Kopie der Blockchain, die ständig überprüft und aktualisiert wird. Eine Manipulation der Daten ist nahezu unmöglich.

Die Verwaltung des Bitcoin-Netzwerks ist in das System integriert und kann deshalb nicht missbraucht werden.

Fazit

Der KPMG-Bericht ist eine gute Zusammenfassung des positiven Einflusses von Bitcoin auf die Umwelt und die Gesellschaft. Er verdeutlicht die Auswirkungen von wirtschaftlichen Aktivitäten auf das Leben aller Menschen und zeigt, dass Bitcoin helfen kann, die Ziele der Menschheit bezogen auf das Klima, der Energiegewinnung und der finanziellen Inklusion zu verwirklichen. Der Umweltaktivist Daniel Batten sowie der Menschenrechtsaktivist Alex Gladstein loben die Ausführungen von KPMG.

Außerdem zeigt dieser Bericht, dass eine der weltweit renommiertesten Firmen Bitcoin nicht mehr nur als Teil ihrer Finanzreserven betrachtet, sondern als einen positiven Faktor für eine bessere Zukunft. Nach BlackRock, dem IWF und Co. schreitet die institutionelle Akzeptanz nun auch durch KPMG weiter voran. Die Meinung über Bitcoin wird nicht nur durch diesen Bericht weiter vermittelt, sondern auch durch die Beraterfunktion von KPMG für zahlreiche große Unternehmen und Konzerne. Wir können gespannt abwarten, welches Unternehmen (oder sogar welcher Staat) als nächstes auf Bitcoin setzen wird.