Bitcoin handelt bei um die 70.000 US-Dollar und somit über dem Allzeithoch aus dem Jahr 2021. Damit gelang es dem Asset das erste Mal, vor dem kommenden Halving den US-Dollar-Höchststand aus dem vergangenen Zyklus zu durchbrechen. Auch konnte Bitcoin mit einem positiven April sieben Monate in Folge steigen, was seit der ernstzunehmenden Kursaufzeichnung nur einmal gelang – und zwar im Jahr 2012.

Inflationsbereinigt ist das US-Dollar-Allzeithoch jedoch erst in etwa bei 76.500 US-Dollar erreicht, da die US-Konsumgüterpreise seit November 2021 laut den offiziellen Daten um rund 11 Prozent zugelegt haben. Um die Geldmenge bereinigt, ist das neue Allzeithoch aber schon erreicht. Die US-Dollar-Geldmenge M2 liegt aufgrund der restriktiven Geldpolitik der letzten Monate nämlich heute rund 2,5 Prozent unter dem Niveau von Ende 2021.

Angefacht ist der Kursaufschwung durch die starke Nachfrage nach den im Januar in den USA zugelassenen Bitcoin-Spot-ETFs, die Bitcoin endgültig in die Mainstream-Finanzwelt gebracht haben. Mit dem Bitcoin-Halving, voraussichtlichen Zinssenkungen der US-Notenbank und der US-Präsidentschaftswahl stehen weitere womöglich kurstreibende Katalysatoren in diesem Jahr unmittelbar bevor. Gleichzeitig ist jedoch die anscheinend wieder an Fahrt aufnehmende Inflation ein Risikofaktor, der einer Bitcoin-Rally einen Strich durch die Rechnung machen könnte. Wie könnte es mit Bitcoin von hier aus weitergehen?

Wieder starke Zuflüsse in die ETFs

Nachdem es in der vergangenen Woche einen kleinen Durchhänger bei den Bitcoin-Spot-ETFs gab, wendete sich in dieser Woche wieder das Blatt. In der verkürzten Osterwoche verzeichneten die Anlagevehikel zusammengenommen an jedem Handelstag wieder Nettozuflüsse – auch dadurch begünstigt, dass die Abflüsse aus dem ETF von Grayscale ($GBTC) wie erwartet zurückgingen.

In 2,5 Monaten verzeichneten die Fonds zusammengenommen rund 12 Milliarden US-Dollar an Nettozuflüssen. Derweil stehen auch mit Bitcoin besicherte Anlageprodukte an der Londoner und Hongkonger Börse in den Startlöchern, die weitere große Kapitalströme in das erst 15 Jahre alte Asset ermöglichen würden.

ETF-Erfolg stimmt bullisch

Generell sind die neuen börsengehandelten Bitcoin-Fonds aus den USA ein riesiger Erfolg. $IBIT von BlackRock und $FBTC von Fidelity sind die ETFs mit den mit Abstand meisten Gegenwert an Assets in den 50 Handelstagen nach der Auflage. Selbst der von Bitwise ($BITB) schlägt in dieser Hinsicht sogar den im Jahr 2004 zugelassenen Gold-ETF ($GLD).

Hier ist ein Blick auf die Top 30 nach Assets in den ersten 50 Tagen auf dem Markt. Die Liste ist global und umfasst 11.338 Fonds. Vier BTC-ETFs haben es auf die Liste geschafft. $IBIT und $FBTC spielen in einer eigenen Liga. $BITB > $GLD!
Eric Balchunas, ETF-Experte von Bloomberg

BlackRocks $IBIT allein saugte mehr als 250.000 Bitcoin vom Markt und verwaltet damit nur 11 Wochen nach der Auflage fast 18 Milliarden US-Dollar. Das zaubert sogar BlackRock-CEO Larry Fink ein Lächeln ins Gesicht.

Ich bin sehr optimistisch, was die langfristige Lebensfähigkeit von Bitcoin angeht. 
$IBIT ist der am schnellsten wachsende ETF in der Geschichte von ETFs.
Larry Fink bei Fox Business

Der Milliardär und wohl einflussreichste Mensch der Finanzwelt war jedoch nicht immer schon ein Bitcoin-Befürworter. 2017 bezeichnete er Satoshi Nakamotos Kreation noch als einen „Index für Geldwäsche“. Der Sinneswandel ist anscheinend auch gar nicht allzu lange her. Anthony Scaramucci, ein bekannter Hedgefondsmanager und ehemaliger Kommunikationsdirektor des Weißen Hauses unter Präsident Trump, erzählte auf dem Digital Asset Summit 2024, dass Fink ihm gegenüber noch Ende 2022 Abneigungen gegenüber Bitcoin verkündete.

Ich bin Larry Fink im Four Seasons Hotel Al Maryah Island in Abu Dhabi über den Weg gelaufen. Es war die Abu Dhabi Finance Week im November 2022. Ich war mit ihm in der Lobby und er sagte: „Hey, du magst Bitcoin?“ Ich sagte: „Tue ich“. Er sagte: „Ich denke, Bitcoin ist Mist.“ Larry Fink [sagte das]. „Ich habe dieses große Investment in Circle getätigt - ich liebe Stablecoins.“ Ich sagte: „Okay, du musst dich mehr damit beschäftigen.“ Denn für jeden, der sich fundamental damit auseinandersetzt, ist es ein One-Way-Ticket in Richtung des Assets. Du machst nicht deine Hausaufgaben und sagst dann „ich kaufe das Asset nicht“. Larry hat seine Hausaufgaben gemacht, was ihm hoch anzurechnen ist, und er wies Robert Mitchnick [Leiter der Abteilung für digitale Assets bei BlackRock] an, mich zu treffen.
Anthony Scaramucci auf dem Digital Asset Summit 2024

Die vergangenen Jahre zeigen immer wieder, dass quasi jeder, der sich tiefergehend mit Satoshi Nakamotos Kreation auseinandergesetzt hat, früher oder später Bitcoin für sich nutzen wird. Deshalb ist es von großer Relevanz für die weitere Adoption, dass die Medien aufgrund des ETF-Erfolgs nun hochfrequent über das erst 15 Jahre alte Asset berichten.

Angebot wird immer knapper

In rund drei Wochen steht das Bitcoin-Halving an. Danach dürfen sich die Bitoin-Miner nur noch 3,125 anstelle der derzeitigen 6,25 BTC je Block ausschütten. Dieses Ereignis war in der Vergangenheit immer ein Katalysator für weiter steigende Notierungen. Die Erklärung dafür ist, dass weniger neue Bitcoin je Block in Umlauf kommen, mit denen das organische Kaufinteresse befriedigt werden kann.

Währenddessen liegen immer weniger Bitcoin zum schnellen Verkauf auf den Börsen. Meist deutet ein abfallender Trend bei dieser Metrik auf weiter steigende Kurse, da sich anscheinend mehr BTC in den Händen von Hodlern befinden. Zudem ist diese Entwicklung fundamental positiv zu werten, da es ein Indiz dafür ist, dass immer mehr Menschen ihre Bitcoin selbst verwahren.

Zinssenkungen in Sicht

Als wäre die Ausgangslage für einen Bitcoin-Bullenmarkt nicht schon gut genug, kommt noch hinzu, dass die US-Zentralbank drei Zinssenkungen in diesem Jahr in Aussicht stellt. Bei niedrigeren Zinsen ist eine allgemein höhere Investitionsbereitschaft zu erkennen, da dann einerseits festverzinsliche Wertpapiere weniger attraktiv sind und andererseits das Geld generell lockerer sitzt. Zudem führen niedrigere Zinsen in aller Regel zu einer höheren Nachfrage nach Krediten, die in einem Fiatgeldsystem die umlaufende Geldmenge erhöhen und so das Papiergeld, in dem wir Bitcoin noch messen, entwerten.

Die Schweizerische Nationalbank ist der US-Notenbank bereits zuvor gekommen und hat schon die erste Zinssenkung vorgenommen – von 1,75 auf 1,5 Prozent. Sollte die Federal Reserve bald auch die Geldpolitik lockern, ist zu erwarten, dass weitere große Notenbanken wie der Europäische Zentralbank nachziehen werden.

Da Bitcoin am sensibelsten auf Änderungen in der globalen Liquidität reagiert, für die die Geldpolitik der US-Notenbank am relevantesten ist, könnte dies ein starker Kurstreiber werden. Im Jahr 2020 hat die lockere Geldpolitik in Reaktion auf die Corona-Lockdowns Bitcoin von unter 4.000 auf über 60.000 US-Dollar binnen weniger Monate katapultiert.

Obwohl die US-Inflation mit 3,2 Prozent im Vorjahresvergleich deutlich über dem 2-%-Ziel liegt, zeigt sich die Federal Reserve (Fed) optimistisch, bald wie geplant die Geldpolitik wieder zu lockern. Zudem stellte Fed-Chef Jerome Powell bei der Notenbanktagung vergangene Woche in Aussicht, dass die noch stattfindende Reduktion der Bilanz, mit der die Fed dem Markt seit September 2022 Liquidität entzieht, zeitnah gedrosselt wird.

Das alles hat nicht zuletzt mit der US-Präsidentschaftswahl in diesem Jahr zu tun. In einem Wahljahr würgt die vermeintlich unabhängige Zentralbank nur ungern die Wirtschaft durch eine restriktivere Geldpolitik ab. Außerdem steigen die Staatsschulden der USA auf immer neue Höchststände und erst vor einer Woche unterzeichnete US-Präsident Joe Biden noch ein Haushaltspaket von 1,2 Billionen US-Dollar – das ist in etwa die derzeitige Marktkapitalisierung von Bitcoin. Und selbst Larry Fink warnte kürzlich noch vor dem „Schuldenschneeball“.

Ein hoch verschuldetes Amerika wäre auch ein Land, in dem es viel schwieriger wäre, die Inflation zu bekämpfen, da die geldpolitischen Entscheidungsträger die Zinsen nicht anheben könnten, ohne den ohnehin schon untragbaren Schuldenberg dramatisch zu vergrößern.
Larry Fink im jährlichen Schreiben an Investoren

Niedrigere Zinsen sind entsprechend im Interesse der USA, da sie die hohen Schulden, für welche die jährlichen Zinszahlungen derzeit schon bei knapp einer Billion US-Dollar liegen, ein wenig langsamer ausufern lassen.

Die Gefahr einer zweiten Inflationswelle

Sollten die Konsumgüterpreise jedoch wieder deutlich an Fahrt aufnehmen, könnte dies der Federal Reserve einen Strich durch die Rechnung machen und die Märkte, die die Zinssenkungen bereits antizipieren, auf dem falschen Fuß erwischen. Üblich ist es, dass auf eine Inflationswelle meist die zweite folgt. Da war in den USA in den 1940er- als auch in den 1970er-Jahren der Fall, als es ebenfalls wie in den 2020er-Jahren Inflationsraten von um die 10 Prozent gab. Viele Marktbeobachter erwarten entsprechend, dass jetzt in den kommenden Monaten die Preise wieder deutlich anziehen könnten.

Lawrence G. McDonald, New York Times-Bestseller-Autor und Gründer des makroökonomischen Newsletters The Bear Traps Report rechnet damit, dass die USA in ein „nachhaltig inflationäres Regime“ hineinlaufen. Als Gründe dafür führt er unter anderem die expansive Geld- und Haushaltspolitik der USA und den Trend hin zu einer multipolaren Welt mit vielen Konflikten an.

Dass die Fed sich derzeit keine Sorgen um höhere Inflationsraten macht, sollte einen nicht unbedingt beruhigen. Während der vergangenen Inflationswelle sprach Jerome Powell selbst bei Teuerungsraten von über 5 Prozent noch davon, dass die Inflation nur temporär sei und schwinden werde. Entsprechend wurden damals die Märkte weiter stimuliert bei einem Leitzins nahe null.

Ein Indikator, der gegen die Gelassenheit der Fed spricht, sind die wieder an Fahrt aufnehmenden Preise von Agrarrohstoffen. In aller Regel folgen die Konsumgüterpreise diesen Preisen, da Endprodukte teurer verkauft werden müssen, wenn Händler mehr für die Vorprodukte auf den Tisch legen müssen.

Ob die Inflationsraten wieder steigen, bleibt abzuwarten. Falls ja, wird es interessant zu beobachten sein, ob sich die Geldhüter in diesem Dilemma für „Preisstabilität“ oder die Freunde aus der Politik entscheiden. Fallen dadurch die Zinssenkungen in diesem Jahr aus oder hebt die Fed gar die Zinsen weiter an, dann könnte das die Märkte inklusive Bitcoin erheblich unter Druck setzen.

Doch noch zeigen sich die Geldhüter gelassen und treiben somit neben Bitcoin auch die Aktienmärkte auf neue Höchststände. Zudem zeigt jeder Kontrollverlust und Interessenkonflikt der Zentralbanken auf, wie nötig ein freies Geld ohne die Steuerung zentraler Akteure ist.