Der amerikanische Nachrichtenkanal CNBC berichtete am vergangenen Wochenende darüber, dass es in der Volksrepublik China, dem Verbot zum Trotz, noch immer Mining-Farmen für Bitcoins gibt. Die Betreiber nehmen dabei viele Mühen auf sich, um nicht von den Behörden entdeckt zu werden. Bis zu 20% der globalen Bitcoin-Rechenleistung könnte sich Schätzungen zufolge noch in China befinden. Die Gründe für den Verbleib der Miner sind dabei relativ vielschichtig. Sowohl der Mangel an Kontakten in das Ausland, die derzeitigen Probleme mit Lieferketten als auch Reisebeschränkungen aufgrund der Pandemie spielten hierbei eine große Rolle.

Bitcoin-Mining im Untergrund

Nachdem die chinesische Regierung im Juni 2021 ein Verbot für das Mining von Bitcoin und anderen Kryptowährungen durchgesetzt hatte, verloren einige Mining-Unternehmen quasi über Nacht ihre komplette Geschäftsgrundlage.

Weil viele der großen Akteuere der Branche bereits über Verbindungen nach Übersee und zu Energieversorgern in benachbarten Ländern (z.B. Kasachstan) verfügten und/oder eine Menge Geld auf der hohen Kante hatten, brachten diese ihre Mining-Ausrüstung relativ schnell an neue Standorte auf der ganzen Welt (allen voran jedoch in die USA).

Einige dieser großen Mining-Unternehmen ließen aber teilweise auch einfach die alten Geräte in China zurück oder verkauften diese, da es lohnenswerter war, direkt die neueste ASIC-Generation an einen neuen Standort liefern zu lassen, als die alten und weniger effizienten Geräte über den halben Erdball zu verschiffen.

Dies hatte jedoch zur Folge, dass die mittelgroßen Mining-Firmen komplett aufgeschmissen waren, da sie einerseits zu klein waren, um die Ressourcen für einen schnellen Standortwechsel aufzubringen und andererseits zu groß, um unter dem Radar weiter zu minen, da die Behörden deren "elektrischen Fußabdruck" relativ schnell entdeckt hätten. Durch den Verkauf von Hardware durch die großen Mitbewerber wurde darüber hinaus der Preis auf dem ASIC-Markt stark gedrückt.

Kleine Miner, hingegen, konnten unter erschwerten Bedingungen und unter Einhaltung einiger Grundsätze, trotzdem mit dem Mining fortfahren. Und anscheinend gab beziehungsweise gibt es viele davon. Aus Daten der chinesischen Cyberscurity-Firma Qihoo 360 geht hervor, dass es noch im Durchschnitt täglich noch über 100.000 aktive chinesische IP-Adressen gibt, welche dem Mining zuzuordnen sind. Wie gelingt es also den Betreibern dieser Mining-Geräte weiterhin unter dem Radar zu Mining zu betreiben?

Wie betreibt man "Schatten-Mining"?

Verteilung auf mehrere Standorte

Ein wichtiger Faktor, um auch weiterhin unentdeckt zu bleiben, ist die Verteilung der ASIC-Miner auf mehrere Standorte, berichtet einer der übrig gebliebenen Miner dem CNBC. "Ben", wie er genannt wird, erklärt, dass die Dezentralisierung seiner nur wenigen hundert Geräte auf mehrere Standorte dafür sorgt, dass der Betrieb im Stromnetz des Landes nicht wirklich auffällt. Einen einzigen geografischen Ort, an dem eine riesige Menge Energie verbraucht wird, würden die Behörden wahrscheinlich relativ schnell entdecken. Dies bedeutet jedoch auch, dass die Geräte teilweise an Netzstrom angeschlossen werden müssen, der nicht unbedingt der günstigste ist. Die Gewinnmarge sinkt durch dieses Vorgehen enorm.

Unabhängigkeit vom Stromnetz

Die Unabhängigkeit beziehungsweise Abgrenzung vom lokalen Stromnetz ist eine Option, auf die anscheinend viele der Schatten-Miner nun setzen. Wenn der Strom für die Mining-Operationen direkt an kleinen und unabhängigen Stromquellen, die nicht an das große Stromnetz angeschlossen sind, abgezapft wird, können diese relativ einfach unentdeckt bleiben. Darüber hinaus, ist dieser Strom meistens auch günstiger, als der normale Netzstrom, was eine höhere Gewinnmarge verspricht.

"Es gibt definitiv eine Menge Miner, die an Hunderten und Tausenden von Staudämmen in Sichuan hängen"

Kevin Zhang, VP Business Development bei Foundry

Schon vor dem Verbot war es zunehmend gängige Praxis, dass betuchte Miner ihre eigenen Transformatoren und Umspannwerke mieteten (oder bauten), um die Mining-Standorte direkt von Kraftwerken mit Strom zu versorgen. Diese Vorgehensweise wird auch jetzt noch praktiziert. Teilweise sind die Miner jedoch auf die Mithilfe und Deckung der Kraftwerksbesitzer angewiesen. Auch Ben berichtete im Interview mit dem CNBC, dass die Regierung einen Kraftwerksinhaber, bei dem einige seiner Mining-Geräte stehen, wegen verdächtiger Aktivitäten kontaktierte. Glücklicherweise deckte dieser Ben, denn andernfalls wären die ASICS wohl beschlagnahmt worden.

Nicht jedes Kraftwerk ist so groß, wie das an der Wudongde Talsperre. An vielen kleinen Wasserkraftwerken werden noch immer BTC gemined.
Quelle: Wikipedia

Kooperation mit Miningpools

Um die eigenen Standorte und schlimmstenfalls die eigene Identität nicht preiszugeben, ist es auch enorm wichtig, die eigenen Netzwerkaktivitäten zu verschleiern. Die Schatten-Miner benutzen hierfür in der Regel sogenannte VPNs (Virtuelle private Netzwerke), die ihnen bei dieser Sache helfen. Außerdem schließen sie sich inzwischen auch vermehrt an ausländische Mining-Pools an, in denen Rechenleistung von vielen Minern weltweit kombiniert wird. Obwohl diese Pools offiziell angekündigt hatten, keine Dienste an Personen beziehungsweise Unternehmen innerhalb Chinas mehr anzubieten, berichtet CNBC über mehrere Quellen, die gegenteiliges behaupten.

Viele große Pools stellen den kleinen und hilfsbedürftigen Minern sogar Softwarelösungen zur Verfügung, die ihnen helfen, die eigenen Aktivitäten zu verschleiern. Die Datenpakete, die das Rechenzentrum verlassen, werden so verschlüsselt, dass sie wie normale Netzwerkaktivitäten aussehen.

Warum liegt der Cambridge-Index falsch?

Die Weltkarte des CBECI, Quelle: University of Cambridge

Die interaktive Weltkarte des Cambridge Bitcoin Electricity Consumption Index zeigt, dass in China angeblich überhaupt keine Rechenleistung des Bitcoin-Netzwerks mehr angesiedelt ist. Da die Volksrepublik ausgegraut ist, bedeutet dies, dass die Forscher der Universität davon ausgehen, dass die Hashrate dort mittlerweile bei 0% liegt.

Der Index basiert größtenteils auf Daten, die von Mining-Pools freiwillig preisgegeben werden. Da sich die Mining-Pools jedoch bezüglich der Zusammenarbeit mit den chinesischen Schatten-Minern bedeckt halten, ist davon auszugehen, dass an dieser Stelle falsche Angaben gemacht wurden.

Wie lange geht das noch so weiter?

Da die Regenzeit nun vorbei ist, könnten die Miner bald vor großen Problemen stehen. Denn ohne den Regen, fehlt das Wasser, um daraus Energie zu gewinnen. Früher konnten die Miner in der Trockenzeit einfach den Strom aus Kohlekraft nutzen. Dies ist indessen nicht mehr möglich.

Kevin Zhang vom Unternehmen Foundry, das dabei half, Mining-Ausrüstung im Wert von über 400 Millionen Dollar aus China nach Nordamerika zu bringen, ist der Meinung, dass Chinas Anteil von den geschätzten 20% auf weniger als 5% sinken dürfte.

"Viele Miner werden kapitulieren und ihre Ausrüstung doch ins Ausland schicken müssen."

Kevin Zhang, VP Business Development bei Foundry