Den einen oder anderen dürfte es in den letzten Tagen bereits aufgefallen sein. Der Bitcoin-Dollarkurs unterschied sich nur noch marginal vom Eurokurs. Der Grund für die Entwicklung ist der starke Wertverlust des Euros gegenüber dem US-Dollar. Seit Jahresbeginn verlor der Euro 11,5% gegenüber dem US-Dollar und wird derzeit zu einem Kurs von etwa 1:1 gehandelt.

Die Gründe

Der Hauptgrund für den abwertenden Euro sind die Rezessionsängste in Europa. Aufgrund des Ukraine-Krieges droht sich, die seit letztem Jahr bereits anhaltende Energiekrise deutlich zu verschärfen.

In Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheiten fliehen Investoren in Anlageklassen mit dem geringsten Risiko. Fiatgeld ist zwar langfristig ein miserabler Wertespeicher, in kurzfristigen Ausnahmefällen verhält sich dies jedoch anders. Fiatgeld bietet kurzzeitig den höchsten Schutz, da hinter jeder Währung eine Regierung steht, die mithilfe der Zentralbank die Geldmenge erweitern und damit ihren Zahlungsverpflichtungen theoretisch jederzeit nachkommen kann.

Doch auch bei den Fiatwährungen gibt es verschiedene Abstufungen bei der Nachfrage. Die attraktivste Fiatwährung für Investoren ist der US-Dollar. Die USA stellen seit dem Ende des Bretton-Woods-Systems die Weltreservewährung. Dies ermöglicht den USA geopolitische als auch finanzielle Privilegien im internationalen Handel. Der Dollar ist global die angesehenste Währung mit der höchsten Liquidität.

Das hohe Ansehen des Dollars führt dazu, dass Investoren in Krisenzeiten den US-Dollar für andere Fiatwährungen kaufen. Dies hat unmittelbare Folgen auf die Wechselkurse der Währungen, denn der US-Dollar wertet immer weiter auf, während andere Fiatwährungen wie der Euro abwerten.

Die Geldpolitik entscheidet

Während die aufkommende Rezession in Europa einen wichtigen Faktor für die Abwertung des Euros gegenüber dem US-Dollar darstellt, ist die Geldpolitik in den jeweiligen Ländern ein weiterer wichtiger Grund. Dies kann anhand der Entwicklung des Euros, dem Schweizer Franken und dem Japanischen Yen festgestellt werden.

Der Euro ist besonders von dem Abverkauf betroffen. Die amerikanische Zentralbank (FED) geht zur Bekämpfung der Inflation entschlossener vor als die Europäische Zentralbank (EZB). Während die FED auf ihrem letzten FOMC-Meeting den Leitzins um 75 Basispunkte auf 1,5% anhob, verzagt die EZB weiter und stellte für den Juli erste Zinserhöhungen in Aussicht. Höhere Zinsen führen zu einer zusätzlichen Aufwertung des US-Dollars gegenüber dem Euro.

Der Schweizer Franken dagegen wertete gegenüber dem US-Dollar nur um 6% seit Jahresbeginn ab. Dies kann auf den hohen Grad der monetären Selbstbestimmung der Schweiz zurückgeführt werden. Schon seit Jahrzehnten zählt der Schweizer Franken zu einer der angesehensten Währungen neben dem US-Dollar. Auch die aktuelle Inflation der Schweiz liegt deutlich niedriger als in den meisten westlichen Staaten und beträgt derzeit 3,4%.

Das Gegenbeispiel zu dem Schweizer Franken ist der Japanische Yen. Ökonomen der Modern Monetary Theory (MMT) sehen Japan als eine Bestätigung für ihre Theorien. Die MMT glaubt an keine Korrelation zwischen der Geldmengenerweiterung einer Zentralbank und der Inflation einer Volkswirtschaft. Auch die Staatsverschuldung ist laut der MMT für einen Staat nicht relevant, solange sich dieser in der Eigenwährung verschuldet. Die Regierung kann sich über die Zentralbank dauerhaft neue Liquidität beschaffen und damit ihre Schuldenlast bedienen.

Eine hohe Schuldenlast führt unweigerlich zu niedrigen Zinsen, denn nur auf diese Weise kann die Zinslast langfristig bedient werden. Der Leitzins steht in Japan seit dem Jahr 1999 bei 0%. Im letzten Jahr betrug die Staatsverschuldung Japans 263% zum Bruttoinlandsprodukt. Damit die Zinsen der Staatsschulden bei 0% bleiben, hat sich die Bank of Japan (BoJ) bereit erklärt, eine unbegrenzte Anzahl japanischer 10-Jahres-Staatsanleihen zu kaufen, wenn die Rendite dieser über 0,25% steigen. Dies wird auch als Kontrolle der Zinskurve bezeichnet (engl. Yield Curve Control).

Die ultralockere Geldpolitik der Bank of Japan führt dazu, dass Investoren derzeit den Yen für Währungen mit einer restriktiveren Währungspolitik wie den US-Dollar verkaufen. Der Yen wertete in diesem Jahr um 16% ab und befindet sich auf einem 25-Jahres Tief. Die Geldpolitik der jeweiligen Länder entscheidet, wie stark die Inlandswährungen aktuell gegenüber dem US-Dollar abwerten.

Der Japanische Yen (braun), Euro (blau) und der Schweizer Franken (lila) seit Mai letzten Jahres. Quelle: Tradingview

Ist Bitcoin eine Währung?

Der eine oder andere möchte sich nun wundern, weshalb der Bitcoin als "Währung" in den letzten Wochen so schwach performt hat. Seit Jahresbeginn fiel der Bitcoin um 58% gegenüber dem US-Dollar und damit natürlich deutlich stärker als der Euro oder der Yen.

Ein Großteil der Investoren sieht in Bitcoin allerdings noch keine Währung, sondern eine risikoreiche Anlage. Bitcoin wies in den letzten Monaten eine hohe Korrelation mit den Technologieunternehmen auf. Solange diese Investoren den Bitcoin nicht als das digitale Gold mit einer harten Limitierung von 21 Millionen Bitcoins sehen, wird es noch dauern, bis Bitcoin einen Teil des Währungsmarktes für sich beanspruchen kann.

Bitcoin ist nach der Marktkapitalisierung auf Platz 27 der größten Währungen. Für ein Produkt des freien Marktes ohne zentrale Instanz ist dies eine erstaunliche Leistung. Das tägliche Handelsvolumen von 27 Milliarden US-Dollar von Bitcoin ist dennoch im Vergleich zum Volumen des Devisenmarktes mit 6,6 Billionen US-Dollar verschwindend gering. Der US-Dollar, der Euro und der Japanische Yen sind hinter dem chinesischen Yuan die weltweit größten Währungen mit der höchsten Liquidität und damit die beliebtesten Währungen für den internationalen Handel.

Bitcoin als Teil des Währungsmarktes

Bitcoin kann aber ein Teil des globalen Währungsmarktes werden. Wenn mehr Investoren das Potenzial von Bitcoin als globalen Wertespeicher erkennen, werden immer mehr Investoren von weichen Währungen wie dem Yuan oder Euro in eine Hartgeldwährung flüchten. Bitcoin wird dann in Krisenzeiten als sicherer Hafen fungieren, wie es bei Gold beobachtet werden kann.

Sobald Bitcoin ein Teil des Währungsmarktes ist, gibt es für Zentralbanken einen großen Anreiz Bitcoin selbst zu kaufen, ähnlich wie Zentralbanken große Mengen an Fremdwährungsreserven halten. Denn wenn mehr Investoren das Potenzial von Bitcoin erkennen, steigt die Gefahr einer spekulativen Attacke, bei der Investoren sich die schwache Währung leihen, um sich Bitcoin zu kaufen. Um so eine Gefahr abwenden zu können, müssen die Zentralbanken über Bitcoin-Reserven verfügen.

Ein weiterer Faktor ist die Trennung von Politik und Geld. Die freien Wechselkurse des aktuellen Währungssystems werden wirtschaftspolitisch ausgenutzt. Für ein Land mit einer schwachen Währung steigen die Kosten für den Import, allerdings sinken die Kosten für den Export. Regierungen sind unter einem Fiat-Standard deshalb immer bemüht, ihre Währung nicht zu stark aufwerten zu lassen. Die einzige Möglichkeit für den langfristigen funktionierenden Handel der Länder ist eine Abwertung der Fiatwährungen im Gleichschritt.

Ein Hartgeld wie Bitcoin trennt die Politik von der Wirtschaft. Eine Welt auf einem globalen Bitcoin-Standard kennt kein System der flexiblen Wechselkurse, ähnlich wie unter dem Goldstandard. Importe und Exporte eines Landes müssen sich wieder auf die Bedürfnisse der Bevölkerung ausrichten. Das Erreichen von wirtschafts-statistischen Zielen wie dem Bruttoinlandsprodukt rückt vermehrt in den Hintergrund.

Das Ende des Devisenmarktes

Jedes international agierende amerikanische Unternehmen musste in den letzten Monaten die Konsequenzen der freien Wechselkurse erfahren. Ein US-Unternehmen mit einer Niederlassung in Europa verlor 11,5% seiner Gewinnmarge nur aufgrund seines Standorts. Jedes internationale Unternehmen ist diesem Risiko ausgesetzt, wenn es in ein Land mit einer instabilen Währung expandieren möchte.

Die Globalisierung der Welt führte zu einem Aufblähen des Devisenmarktes. Die Verwendung von unterschiedlichen Fiatwährungen zwingt die Handelspartner zusätzlich zu ihrem Produkt noch die Währungen zu tauschen. Das Handelsvolumen des internationalen Devisenmarktes stieg von 1,1 Billionen US-Dollar im Jahr 2001 auf nun 6,6 Billionen US-Dollar.

Bitcoin kennt keine Grenzen. Dem Protokoll von Bitcoin ist es egal, welche Güter Handelspartner austauschen. Ein Währungssystem unter einem Bitcoin Standard würde den Devisenmarkt überflüssig machen. Die derzeitige Situation, wie auf den internationalen Währungsmärkten beobachtet werden kann, ist unter einem Bitcoin Standard ausgeschlossen.