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Nutzt El Salvador in Wahrheit Algorand statt Bitcoin?

Am von
Algorand El Salvador BTC

Bereits seit mehreren Wochen kursieren Schlagzeilen und Meldungen, welche behaupten, die Bitcoin-Adoption in El Salvador sei nur inszeniert, da das Land in Wirklichkeit die Blockchain von Algorand nutzen würde und nicht etwa das Bitcoin- oder Lightning Netzwerk.

Wir möchten in diesem Beitrag erörtern, ob an den Behauptungen etwas dran ist und ob derlei Aussagen eine Daseinsberechtigung haben.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Fragwürdige Quellen als Ursprung der Behauptungen.
  • Algorand ist an Entwicklungen in El Salvador (z. B. Chivo-App) beteiligt.
  • Es gibt (nicht belegte) Vermutungen, dass die Chivo-App für interne Transaktionen die Algorand Blockchain (anstelle einer Datenbank) nutzt.
  • Dies betrifft aber nur Chivo-zu-Chivo-Zahlungen und hat nichts mit Bitcoin zu tun.
  • Die Chivo-App hat sowohl eine Bitcoin- als auch Lightning- Integration.
  • In El Salvador werden auch andere Lösungen benutzt (z. B. McDonald’s nutzt OpenNode).
  • Aussagen wie „El Salvador benutzt Algorand statt Bitcoin“ sind faktisch falsch.

Fragwürdige Quellen

Sucht man nach dem Ursprung dieser zweifelhaften Behauptungen, stößt man nach kurzer Recherche relativ schnell auf einen Beitrag des News-Outlets „Coingeek“, welches wohl als Erstes diesbezüglich berichtete. Mit der Schlagzeile „Schock: Bitcoin in El Salvador ist nur ein Fake“ machte der Autor Kurt Wuckert Jr. auf sich und den Artikel aufmerksam. Um die Vertrauenswürdigkeit der Quelle „Coingeek“ einordnen zu können, sollte man sich bewusst machen, dass die Plattform von Calvin Ayre gegründet wurde und finanziert wird. Ayre wiederum ist ein kanadischer Milliardär und einer der besten Freunde und größter Unterstützer des verurteilten Verbrechers und als „Faketoshi“ bekannten Australiers Craig Wright, der von sich selbst behauptet, Satoshi Nakamoto, der Erfinder des Bitcoin-Netzwerks zu sein.

Da Ayre schon seit vielen Jahren Wright bei seinen offensichtlichen Lügen stützt und ebenfalls ein Anhänger des „Bitcoin Satoshi Vision“-Projekts (BSV) ist, ist Coingeeks einziger Zweck, Promo für eben jenes BSV zu machen und das „echte“ Bitcoin (BTC) und Contributer zum BTC-Netzwerk, wo es nur geht zu diskreditieren. Ebendarum ist die Schlagzeile des besagten Artikels mit Sicherheit auch bewusst sehr überspitzt gewählt.

Wir möchten jedoch in diesem Beitrag natürlich nicht nur die Schlagzeile, sondern auch den Inhalt des Coingeek-Artikels und die daraus resultierenden Gerüchte etwas genauer analysieren und in einen Kontext bringen.

Ayre (links) und Wright (rechts)
Quelle: The Cryptonomist

Damit kann sich dann jede Leserin und jeder Leser selbst ein Urteil darüber bilden, inwiefern die Behauptungen tatsächlich stimmen.

Die Chivo-App

Obwohl in vielen reißerischen Überschriften davon die Rede ist, dass „El Salvador nicht Bitcoin benutzt“, geht es im Wesentlichen nur um die staatseigene Wallet-App „Chivo“. Aus diesem Grund möchten wir zunächst ein paar aufklärende Fakten bezüglich dieser Anwendung nennen, denn Blocktrainer.de war selbst in El Salvador vor Ort und konnte somit Informationen und Erfahrungen mit der Chivo-App aus erster Hand sammeln.

Weit verbreitet

Dass Chivo die mit Abstand am weitesten verbreitete Bitcoin-Wallet im kleinen zentralamerikanischen Land ist, steht außer Frage. Die 30€ Willkommensbonus für den Download und die Verifikation in der App waren für viele Bürgerinnen und Bürger El Salvadors einfach zu verlockend. Überdies erhalten die Nutzer der Chivo-Wallet Subventionen auf Kraftstoffe an der Tankstelle. Das Tanken wird somit 10% günstiger, was ebenfalls einen großen Anreiz zur Nutzung der App bietet.

Ob das Attribut „meistgenutzt“ in diesem Fall aber auch ein Gütesiegel ist, darauf gehen wir etwas weiter unten in diesem Beitrag ein. Leider gab es auch zahlreiche Fälle von Identitätsdiebstählen, aufgrund welcher einige Einwohnerinnen und Einwohner um ihre 30 US-Dollar gebracht wurden. Hier hätte der Staat definitiv besser sicherstellen sollen, dass derartige Dinge nicht passieren.

Funktionen in der App

Dass es grundsätzlich eine Anwendung wie das Chivo-Wallet in El Salvador benötigt, ist relativ unstrittig. Die Hauptfunktion von der Chivo-Wallet ist es nämlich, den Währungstausch zwischen den beiden gesetzlichen Zahlungsmitteln US-Dollar und Bitcoin mithilfe eines eigenes dafür eingerichteten Fonds schnell und unkompliziert zu gewährleisten.

Über die Chivo-App können also sowohl Zahlungen in Bitcoin, aber auch in US-Dollar denominiert getätigt werden. Dies funktioniert über eigens kreierte „Chivo Invoices“, die allerdings nur für Zahlungen von Chivo zu Chivo verwendet werden können (dies ist für die spätere Aufarbeitung der Algorand-Behauptung noch wichtig!).

Ferner bietet die Chivo-Wallet natürlich auch die Möglichkeit, eine Transaktion über das Bitcoin- und sogar über das Lightning-Netzwerk zu versenden oder zu erhalten. Dies konnten wir von Blocktrainer.de und viele tausende andere Bitcoiner vor Ort mehrfach und ausgiebig testen.

In diesem Zusammenhang erwähnenswert ist noch, dass zwar immer die Rede von „der Chivo-App“ ist, es im Grunde aber sogar drei Versionen der Staatswallet gibt, die sich alle leicht voneinander unterscheiden. Es gibt eine Version für Privatpersonen, eine für Händler und eine Art professionelles Point-of-Sale-Device.

Fehlerbehaftet – viel Kritik

Kaum eine Angelegenheit wurde im Zuge und Nachgang der sogenannten „Bitcoin-Week“ Ende November 2021 so häufig diskutiert wie die Chivo-Wallet und ihre Makel. Fast jeder Bitcoin-Enthusiast, der mit BTC eine Rechnung begleichen wollte, kam früher oder später in den Kontakt mit einer der drei Chivo-Applikationen.

Die Erfahrungen, vorrangig mit der Händler-Wallet, waren jedoch alles andere als positiv, weswegen Chivo (sowohl die App als auch das Team) quasi durchgehend in der Kritik stand – und noch immer steht.

Es würde im Zuge dieses Beitrags zu weit führen, auf jedes Detail einzugehen, das an der App verbessert werden könnte. Das wahrscheinlich größte Problem war jedoch die fehlende Implementation einer Benachrichtigung, sobald eine Lightning-Zahlung eingetroffen ist. Während es bei der Privat-Version der App relativ gut funktionierte, kamen Lightning-Zahlungen bei Händlern zwar grundsätzlich an, da diese jedoch keine Benachrichtigung über den Erhalt der Bitcoin angezeigt bekamen, gab es oftmals Diskussionen diesbezüglich zwischen Händler und Kunden.

Die Händler, die sich natürlich ohnehin weder mit der Funktionsweise von Bitcoin, noch mit der Funktionsweise von Lightning auskannten, bestanden meist auf eine weitere Zahlung in US-Dollar. Aus deren Standpunkt ist dies auch durchaus nachvollziehbar. Die zahlreiche Kritik an der Chivo-Wallet ist also überaus berechtigt.

Zugutehalten muss man Chivo, dass die App natürlich in einem unfassbaren Tempo programmiert werden sollte, da zwischen der Bekanntgabe des Präsidenten Bukeles und der Einführung nur wenige Wochen lagen.

Wer hat Chivo entwickelt?

Nun fragt man sich natürlich, wer für eine derart stümperhafte Umsetzung der App verantwortlich ist. Während anfangs oft vermutet wurde, dass das US-Unternehmen Strike hinter der Entwicklung steckt, wurden mittlerweile mehr Details dazu bekannt.

Tatsächlich ist es wohl so, dass Strike zu viel Geld für die Programmierung und Wartung der Staats-Wallet verlangte, weswegen der Auftrag dann schlussendlich an eine Koalition aus mehreren anderen, teils bekannten, Unternehmen vergeben wurde.

Hinter der Entwicklung der Chivo-App stecken unter anderem die Firmen Athena, Koibanx, Bitso und eben auch ein Team vom Altcoin-Projekt Algorand. Dies wurde Mitgliedern der deutschen „Bitcoin-Delegation“ auf der „La Bitconf“-Konferenz so von Athena-Mitarbeitern bestätigt.

Hier haben wir also nun den ersten Hinweis auf einen Zusammenhang zwischen Chivo und Algorand, auch wenn eine Grafik, welche die grundlegende Architektur der Chivo-App darstellt und die bereits im Vorfeld des Inkrafttretens des Gesetzes veröffentlicht wurde, Algorand nicht erwähnt. Dies könnte daran liegen, dass das Algorand-Team erst später dazu gestoßen ist und nicht von Beginn an beteiligt war. Genauere Informationen dazu liegen allerdings nicht vor. Allgemein, halten sich alle Chivo-Beteiligten relativ bedeckt.

Quelle: Twitter

Schade. Hätte Strike die Entwicklung übernommen, hätte es vermutlich besser funktioniert. Die Strike-App wird nämlich zum Beispiel im kleinen Örtchen „El Zonte“ vorwiegend verwendet und dort gab es mit den Zahlungen keinerlei Probleme.

„El Salvador nutzt Algorand statt BTC“

Dass Algorand in irgendeiner Weise an der Chivo-Entwicklung beteiligt ist, ist relativ unstrittig. Wie gesagt, gibt es bis dato leider keine detaillierteren Informationen dazu. Wir haben allerdings Kenntnis darüber, dass Mitglieder der deutschen „Bitcoin-Delegation“ noch diese Woche einen Call mit der Firma Chivo vereinbart haben und hoffen im Nachgang auf Aufklärung.

Algorand & Chivo

Gleichwohl sind Aussagen wie „Bitcoin in El Salvador ist Fake“ und „El Salvador nutzt Algorand statt Bitcoin“ faktisch falsch. Erstens geht es überhaupt nicht um El Salvador insgesamt, sondern lediglich um die Chivo App. In der Chivo-App wiederum betrifft es auch nur die Transaktionen innerhalb des Chivo-Systems, die über die „Chivo-Invoices“ laufen.

An dieser Stelle fragt man sich jedoch, warum die Entwickler (falls sie tatsächlich hierfür die Algorand Blockchain benutzen, was nicht bewiesen ist) nicht einfach eine Datenbank verwenden, sondern auf eine Blockchain setzen. Die Chivo App ist ohnehin von zentraler Instanz herausgegeben und Transaktionen innerhalb eines zentralen Systems über eine Blockchain abzuwickeln ergibt nur wenig oder keinen Sinn. Der zweite Grund dafür, warum die Behauptungen zu El Salvador und Algorand falsch sind, liegt in der vorhandenen Bitcoin- und Lightning Integration. Wie weiter oben in diesem Beitrag erläutert, sind durchaus Integrationen für das Bitcoin- und Lightning-Netzwerk in der Chivo-Wallet vorhanden – wenn auch im Falle von der Händler-App und dem Lightning Netzwerk stümperhaft umgesetzt. Dass für die interne Abwicklung von Transaktionen innerhalb des Chivo-Systems zum Beispiel das Lightning-Netzwerk verwendet wird, damit hat wohl kaum jemand gerechnet. Umso erstaunlicher ist es, dass angeblich sogar eine Blockchain dafür benutzt wird.

Man könnte vermuten, dass die Algorand-Entwickler ihrer bisher wenig genutzten Blockchain einen echten Anwendungsfall geben wollten. Aber auch hierfür gibt es natürlich keinerlei Beweise und diese wird es wahrscheinlich auch niemals geben. Seltsam ist das Ganze trotzdem.

Bitcoin- & Lightning- Integration

Der zweite Grund dafür, warum die Behauptungen zu El Salvador und Algorand falsch sind, liegt in der vorhandenen Bitcoin- und Lightning Integration. Wie weiter oben in diesem Beitrag erläutert, sind durchaus Integrationen für das Bitcoin- und Lightning-Netzwerk in der Chivo-Wallet vorhanden – wenn auch im Falle von der Händler-App und dem Lightning Netzwerk stümperhaft umgesetzt. Chivo-Nutzern ist es durchaus möglich Transaktionen über die Bitcoin-Mainchain oder das Lightning Netzwerk zu senden oder zu erhalten. Wir selbst haben dies mehrfach täglich benutzt und können es somit aus erster Hand bestätigen.

Von Aussagen wie „Algorand STATT Bitcoin“ kann also in keinem Fall die Rede sein. Die Behauptungen sind schlichtweg irreführend und falsch.

Falls die Algorand Blockchain überhaupt verwendet wird, dann, wie erwähnt, nur für interne Chivo Transaktionen.

Freie Wallet-Wahl

Das wichtigste Argument dafür, dass Bitcoin in El Salvador nicht (wie behauptet) inszeniert ist und El Salvador NICHT Algorand benutzt, ist die Tatsache, dass es den Bürgerinnen und Bürgern des Landes frei steht, auch andere Wallets und Point-of-Sale-Devices zu benutzen.

Tatsächlich funktionierten Zahlungen bei Händlern, welche nicht auf die Lösungen von Chivo setzten, um ein Vielfaches besser und eigentlich immer reibungslos. Gerade die großen Kaufhäuser oder Konzerne wie McDonald’s und Starbucks arbeiteten nicht mit Chivo, sondern mit OpenNode oder IBEX Mercado.

Die Bezahlung, egal ob On-Chain oder via Lightning, klappte jedes Mal ohne Probleme und binnen Sekunden.

Hier nebenstehend (bzw. mobil: unten stehend) sieht man ein Video von uns, welches zeigt, wie einfach die Bitcoin-Zahlung über das Lightning Netzwerk bei McDonald’s funktioniert hat.

DAS IST BITCOIN! Nicht die schlecht funktionierende Staats-Wallet, die weder Open Source noch Zugangs-frei ist und möglicherweise für interne Transaktionen aus unerfindlichen Gründen eine Blockchain anstatt einer Datenbank benutzt.

„Bitcoin in El Salvador ist Fake?“ …Ganz im Gegenteil!

Empfohlen für Bitcoin

BitBox02

  • Sehr einfache Handhabung
  • USB „Typ C“ Unterstützung
  • Zusätzliche Sicherheit durch „Bitcoin only“ Version
  • Kann mit eigener Fullnode betrieben werden
  • Komplett Open Source
  • Bietet die Option die Mnemonic Phrase selbst zu erstellen (würfeln)
  • Aufgrund der Richtlinien von Apple leider nicht mit iPhones kompatibel (mit MacOS aber schon)
  • Unterstützt (bewusst) nur wenige verschiedene Kryptowährungen
  • Die Mnemonic Phrase (24 Wörter) kann optional und sicher auf einer SD Karte gespeichert werden

Fehlende Aufklärung

Der Hauptgrund (neben den Subventionen), warum die Chivo-Wallet derzeit noch so häufig genutzt wird, liegt in der fehlenden Aufklärung der Bevölkerung. Zahlreiche Bürgerinnen und Bürger wissen noch gar nicht, dass es auch andere Wallets gibt und Bitcoin frei nutzbar ist. Viele Salvadorianer assoziieren Bitcoin leider noch mit der Chivo-App und der Regierung.

Hier wird die Zeit helfen können, denn Wissen benötigt stets etwas Zeit, um sich zu verbreiten. Je mehr Erfahrungen die Einwohner El Salvadors mit Bitcoin machen, desto mehr werden sie sich vermutlich auch anderen Wallets und Lösungen widmen.

Salvadorianische Regierungsvertreter versicherten uns bei unserem Besuch im Außenministerium jedoch, dass im Hinblick auf „Education“ einiges in Planung ist und auch der freie und offene Charakter (z. B. andere Wallets) promoted werden sollen. Inwiefern man diesen Worten Glauben schenken darf, können wir natürlich nicht final beurteilen, hier wird die Zeit zeigen müssen, wie es sich entwickelt.

Fazit

Schlussendlich bleibt festzuhalten, dass die Behauptungen, „Bitcoin in El Salvador ist Fake“ und „El Salvador nutzt Algorand statt Bitcoin“ faktisch falsch sind. Wenn überhaupt, könnte es sein, dass die Algorand Blockchain für die interne Abwicklung von Chivo-Transaktionen benutzt wird, was aber bisher nirgends offiziell bestätigt ist. Warum für ohnehin zentral verarbeitete Transaktionen außerdem keine Datenbank, sondern angeblich eine Blockchain verwendet wird, erschließt sich uns auch nicht wirklich.

Die Realität ist, dass Bitcoin- und Lightning- Zahlungen sowohl über die Chivo-App, aber viel wichtiger, auch über fast alle anderen Apps und Zahlungs-Lösungen abgewickelt werden können. Sicherlich gibt es noch immer viel, was an der Bitcoin-Adoption in El Salvador kritisiert und verbessert werden kann. Die Nutzung von „Algorand statt Bitcoin“ gehört aber sicherlich nicht dazu.

Update 12.1.21

Wir wurden im Nachgang zu diesem Artikel auf einen Blogpost von Ende August hingewiesen, der seitens Algorand bestätigt, dass diese an der Entwicklung der Blockchain-Infrastruktur in El Salvador beteiligt sind. Dies ändert jedoch nichts an den grundsätzlichen Aussagen in diesem Beitrag. Die viel zitierte Ursprungsquelle für FUD-Aussagen wie „Algorand STATT Bitcoin“ und „Bitcoin ist fake“ bleibt dennoch Coingeek und es ist noch immer falsch. Fraglich ist auch weiterhin, ob bereits und wofür genau die Algorand Blockchain eigentlich verwendet wird.