Die Einführung eines US-amerikanischen Bitcoin ETFs bleibt ein Dauerthema. Die Aussagen von Gary Gensler, dem Vorsitzenden der SEC, in den letzten Wochen und Monaten lassen vermuten, dass die US-Behörden kurz vor der Zulassung eines Bitcoin ETFs stehen. Mehrere Unternehmen haben bereits ihre Anträge eingereicht und die SEC gerät immer mehr unter Zugzwang. Die Frage wie dieser ETF dann genau gestaltet sein wird, ist noch nicht geklärt. Gensler tätigte die Aussage, dass er sich einen synthetischen ETF basierend auf den Bitcoin Futures vorstellen könne. Das hätte einige spannende Konsequenzen für den Bitcoin Markt.

Physischer vs. synthetischer ETF

Bisher gingen die meisten Beobachter davon aus, dass es sich bei dem Bitcoin ETF um einen sogenannten "physischen ETF" handeln wird. Dabei investiert der Fonds direkt in die Vermögenswerte, die in dem ETF auch enthalten sind. Der kanadische Purpose ETF funktioniert beispielsweise nach diesem Prinzip.

In Europa sind die ersten "Bitcoin ETFs" bereits auf dem Markt, wobei man hier eher von sogenannten ETCs (Exchange Traded Commodities) spricht. Der Grund dafür ist, dass europäische Regularien keinen ETF zulassen, der nur einen einzigen Vermögenswert enthält. Der größte dieser Art ist der Coinshares Physical Bitcoin ETC. Coinshares hält knapp 70.000 Bitcoin und verpflichtet sich dazu, Bitcoin nachzukaufen, wenn neue Anteile zum Verkauf emittiert werden. So wird eine garantierte Deckung der Bitcoin Bestände gewährleistet.

Synthetische ETFs funktionieren anders. Der Emittent muss nicht direkt die Vermögenswerte kaufen, die sein ETF enthält. Ein synthetischer Bitcoin ETF würde bedeuten, dass Fonds keine Bitcoin besitzen müssten. Die Fonds sollen nach Gensler Futures kaufen, die an der CME gehandelt werden. Das kann jedoch zu einigen Problemen führen, die Gold Anhängern bekannt vorkommen dürften.

Die Bitcoin Bestände des physischen kanadischen Bitcoin ETF Purpose

Gefahren eines ungedeckten ETFs

Ein Bitcoin ETF basierend auf Future Verträgen würde den Handel auf Derivatemärkten verstärken. Gold Anhänger kritisieren oft, dass das hohe Volumen des Gold-Derivatemarktes den Spot-Preis ("aktueller Marktpreis für den eigentlichen Vermögenswert") manipuliert.

Spekulanten können auf dem Derivatemarkt das Gold leerverkaufen. Dies bedeutet sie leihen sich Gold, das sie verkaufen und dann später hoffentlich zu einem niedrigeren Kurs zurückkaufen können, um damit einen Gewinn erzielen. Eine Steigerung davon sind sogenannte "nackte Shorts". Dabei verkauft der Leerverkäufer Vermögenswerte, die er sich noch nicht einmal geliehen hat.

Gold Anhänger glauben, dass die amerikanische Zentralbank absichtlich immense nackte Shorts auf den Goldpreis tätigt, um den Goldpreis absichtlich niedrig zu halten und so den Dollar zu stabilisieren.

Kritiker behaupten, dass Bitcoin dasselbe Schicksal erleiden könnte. Die Erstellung von Bitcoin Derivaten in Form von Future Verträgen könnte bei einer hohen Nachfrage schnell aus dem Ruder geraten. Der Derivatemarkt könnte so groß werden, dass er im schlimmsten Fall die absolute Knappheit von Bitcoin durch die unbegrenzte Erstellung von Derivaten außer Kraft setzt, so die Kritiker.

Folgen für Bitcoin

Manipulationen im Bitcoin Derivatemarkt fliegen allerdings viel schneller auf als im Goldmarkt. Bitcoin wird 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche und 365 Tage im Jahr gehandelt. Der Handel kann nicht ausgesetzt werden. Nackte Leerverkäufe würden bei Bitcoin sehr schnell zu einem sogenannten Short Squeeze führen. Die Short Seite muss zu jedem Zeitpunkt in der Lage sein ihre Position zu bedienen oder sie wird liquidiert. Bei Gold kann der Handel ausgesetzt werden, bei Bitcoin nicht.

Wenn mehr Derivate gehandelt werden, als Bitcoin im Umlauf sind, wird die absolute Knappheit von Bitcoin nicht außer Kraft gesetzt. Jeder Netzwerkteilnehmer hat zu jedem Zeitpunkt die Möglichkeit selbst das Netzwerk zu verifizieren. Bitcoin ist der erste digitale Wertgegenstand, der die Energie der aufgewendeten Lebenszeit zu jedem Zeitpunkt verifizieren kann.

Gold fehlt diese Eigenschaft als monetäres Netzwerk. Wir wissen nicht wie viel Gold sich genau im Umlauf befindet und wie viel in der Zukunft noch gefunden wird. Diese fehlende Verifizierbarkeit schafft bei Gold eine Abhängigkeit zum Derivatemarkt. Gold kann als Netzwerk nur funktionieren, wenn auf Erweiterungen wie Papiergold zurückgegriffen wird. Dadurch ist die international gehandelte Goldmenge nie gewiss. Ein echter internationaler Angebots- und Nachfragemarkt existiert damit bei Gold nicht.
Mit Bitcoin hat Satoshi eine Möglichkeit gefunden diese Abhängigkeit zu umgehen.

Auch wird der Bedarf zum Besitz physischer Bitcoins nicht weniger wichtig. Wenn die Nachfrage nach Futures Verträgen durch den ETF stark steigt, kann es zu einer kurzfristigen Entkoppelung des Future Preises vom Spot Preis kommen. Der steigende Future Preis wird es für Investoren wieder attraktiver machen auf dem Spot Markt Bitcoin zu kaufen. Die absolute Seltenheit von Bitcoin begünstigt das. Das Angebot von Derivaten kann ausgeweitet werden, von Bitcoin nicht.

Das Netzwerk sorgt dafür, dass der Bedarf nach realen bzw. physischen Bitcoins bestehen bleibt. Gewisse Applikationen wie das Lightning Netzwerk erfordern im Besitz von realen Bitcoin zu sein. Es gibt bereits Derivateanwendungen wie LN Markets, die auf dem Lightning Netzwerk basieren. Ein Derivatemarkt, der direkt auf Bitcoin basiert, schränkt die Möglichkeit für Manipulationen stark ein.

Bitcoin Future ETF sogar bullisch?

Der Future Markt von Bitcoin hat besondere Eigenschaften. Eine davon ist das sogenannte Contango. Davon wird gesprochen, wenn der Future Preis höher ist als der Spot Preis. Der Investor kann auf dem Spot Markt long und auf dem Future Markt short gehen und damit eine risikofreie Rendite erzielen. Anfang dieses Jahres erreichte der Contango Wert auf das Jahr hochgerechnet etwa 40%. Zurzeit liegt dieser Wert bei ca. 11%.

Bitcoins Contango. Quelle: The Block Crypto

Wenn durch den Bitcoin ETF mehr Geld in den Future Markt fließt, wird dies zu einem Anstieg des Contangos führen. Der Future Preis und der Spot Preis werden sich entkoppeln. In den traditionellen Finanzmärkten ist es üblich, dass der Spot Preis den Future Preis bestimmt. Bei Bitcoin könnte dies anders sein. Das Contango wird so lange steigen bis es für Investoren attraktiver wird, vermehrt auf dem Spot Markt zu kaufen. Dann zieht der Spot Preis dem Future Preis nach.

Fazit

Auf den ersten Blick ist die Sorge berechtigt. Der Derivatemarkt kann zu einem Spekulationsparadies werden. Die Eigenschaften des Bitcoin-Netzwerkes werden aber nicht ausgehebelt. Kurzfristig kann und wird durch die Futures Spekulationen der Preis der realen bzw. physischen Bitcoin vermutlich sinken, aber langfristig bleibt Bitcoin ein begrenzter nachprüfbarer "Rohstoff".
Gerade wenn viele Bitcoins in Netzwerken wie dem Lightning Network gelockt sind, wird der reale Bestand stark verknappt. Das Contango von Bitcoin könnte durch einen Future ETF verstärkt werden. Die Zukunft wird es zeigen. Bitcoin hat aber viel bessere Chancen als Gold die Gefahren eines manipulierenden Derivatemarktes dauerhaft abzuwenden.