Die Bürger von Argentinien kämpfen mit der höchsten Inflation weltweit. Nach der Wahl des marktwirtschaftlichen Präsidenten Javier Milei im Dezember letzten Jahres fallen die Teuerungsraten zwar niedriger aus als erwartet, doch mit Preissteigerungen von 276,2 Prozent im Vorjahresvergleich sind die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen noch alles andere als rosig. Auch im Vormonatsvergleich stiegen die Konsumgüterpreise noch deutlich an – wenn auch derzeit wieder etwas weniger stark.

Gegen die Abwertung der Landeswährung schützen sich die Argentinier schon länger, in dem sie auf Alternativen ausweichen. Obwohl es ihnen verboten ist, Argentinische Peso in Höhe von mehr als 200 US-Dollar jährlich in die Weltreservewährung einzutauschen, hielten sie laut einer Schätzung der Zentralbank des Landes rund 10 Prozent der zirkulierenden US-Dollar-Geldmenge – nur US-Bürger und Russen halten mehr von den Greenbacks. In den vergangenen fünf Jahren hat die argentinische Landeswährung fast 95 Prozent an Wert gegenüber dem US-Dollar verloren.

Aber auch Bitcoin gewinnt für die Einwohner des südamerikanischen Landes zunehmend an Bedeutung – und das anscheinend auch auf Kosten des dort sonst so weitverbreiteten US-Dollars. Im Jahr 2023 war Argentinien bereits das Land mit der siebthöchsten Adoptionsrate von Bitcoin und Co. – mehr als jeder vierte Argentinier gab an, schon mal Kryptowährungen genutzt zu haben.

Argentinier mit rekordverdächtigen Bitcoin-Käufen

Daten der bei Kleinanlegern beliebtesten argentinischen Krypto-Börse Lemon zeigen, dass so viele Bürger des südamerikanischen Landes im März Bitcoin gekauft haben, wie seit 20 Monaten nicht mehr. In der Woche bis zum 10. März waren es fast 35.000 Argentinier, die in das erst 15 Jahre alte Asset investiert haben. Das ist in etwa das Doppelte des wöchentlichen Durchschnitts aus dem Jahr 2023 – Bloomberg berichtete.

Ein ähnlicher Trend ist auch bei anderen großen argentinischen Börsen wie Ripio und Belo erkennbar, berichtet das Nachrichtenunternehmen, das auch mit dem CEO von Belo über die Entwicklung sprach. Dieser teilte Bloomberg mit, dass sich das Transaktionsvolumen für Bitcoin auf seiner Handelsplattform im Vorjahresvergleich verzehnfacht hat, während aktuell das Interesse für die sonst beliebten, den US-Dollar abbildenden Stablecoins relativ gesehen zurückgeht.

Der Nutzer entscheidet sich für den Kauf von Bitcoin, wenn er die Nachricht sieht, dass die Währung steigt, während Stablecoins pragmatischer sind und oft für Transaktionszwecke verwendet werden, um Zahlungen ins Ausland zu tätigen.
Manuel Beaudroit, Gründer und CEO von Belo

Doch leider macht die monetäre Notsituation die Bürger auch noch anfällig für Betrügereien rund um Bitcoin und Co. Laut der NGO Bitcoin Argentina gab es kürzlich einen starken Zuwachs an berichteten Scams im Zusammenhang mit Kryptowährungen.

Die Verzweiflung der Argentinier, es bis zum Monatsende zu schaffen und ihre Ersparnisse nicht zu verlieren, verleitet sie dazu, übereilte Entscheidungen zu treffen, ohne die Risiken abzuwägen, was sie zu einer leichten Beute für Betrüger macht.
Gabriela Battiato, Leiterin der Rechtsabteilung von Bitcoin Argentina

Eine attraktive Alternative mit Zukunft?

Auch wenn die steigende Nachfrage nach Satoshi Nakamotos Kreation wohl primär auf Spekulation zurückzuführen ist, bringt es die Argentinier womöglich dazu, sich mehr mit dieser Geldalternative auseinanderzusetzen. Oft ist es so, dass Menschen von Bitcoin angezogen werden, weil sie denken, damit schnell reich werden zu können, sie dann aber zu von der (R)Evolution überzeugten Bitcoinern werden.

Zu beobachten ist jedoch, dass die Menschen in Schwellenländern mit stark abwertenden Währungen noch vermehrt auf Stablecoins setzen, weil sie die mitunter starken Schwankungen von Bitcoin nicht verkraften können. Dass in Argentinien derzeit das Interesse für US-Dollar-Stablecoins anteilig auf den Börsen zurückgeht, kann ein Zeichen dafür sein, dass sie verstehen, dass auch die Kaufkraft des US-Dollars langfristig nur einen Weg kennt – und zwar den nach unten. Eine andere Erklärung dafür wäre, dass die Argentinier dafür zunehmend auf Peer-to-Peer-Exchanges ausweichen, um die noch intakten Kapitalkontrollen zu umgehen – Cointelegraph berichtete darüber.

Diese Kapitalkontrollen sollen spätestens im Juni fallen. Javier Mileis Plan für Argentinien war, die Argentinische Zentralbank abzuschaffen und den US-Dollar als offizielles Zahlungsmittel einzuführen. Zu der Frage, ob in diesem Jahr schon die Wirtschaft dollarisiert wird, sagte Milei: „Die Zeit ist noch nicht reif“. Ein Schritt in Richtung eines freiheitlicheren Währungsmarktes war bereits die neue Verordnung, die Verträge rechtsgültig und vollstreckbar macht, wenn sie nicht in dem offiziellen Zahlungsmittel denominiert sind – also etwa in US-Dollar oder Bitcoin.

Ob die Argentinier in Zukunft vermehrt auf Bitcoin als Geld und Wertaufbewahrungsmittel setzen werden, wird die Zukunft zeigen. Die Rahmenbedingungen sollten es zulassen. Zum einen, weil Javier Milei Bitcoin-Sympathisant ist und zum anderen, weil die argentinische Bevölkerung so sensibilisiert für die Entwertung von staatlichen Währungen sein müsste, wie kaum ein anderes Volk. Zudem wäre Bitcoin in Retrospektive die weit bessere Möglichkeit gewesen, sich vor der Entwertung des Argentinischen Peso zu schützen als der US-Dollar.