Am 19. November 2023 wurde Javier Milei zum neuen Präsidenten von Argentinien gewählt. Er konnte den Großteil der argentinischen Bevölkerung von seinen Plänen, die individuelle Freiheit zu stärken, die Wirtschaft zu liberalisieren und die staatliche Regulierung zu reduzieren, überzeugen. Angesichts der wachsenden Armut, der politischen Unzufriedenheit, des wirtschaftlichen Rückgangs und der Inflation von mehr als 160% schienen die radikalen Änderungsvorschläge von Milei für viele Argentinierinnen und Argentinier der einzige Ausweg zu sein.

Am 20. Dezember hat die neue Staatsregierung nun eine 83 Seiten lange Verordnung mit dem Titel „Decreto de Necesidad y Urgencia – Bases para la Reconstrucción de la Economía Argentina“ (z. Dt. „Dekret der Notwendigkeit und Dringlichkeit – Grundlagen für den Wiederaufbau der argentinischen Wirtschaft“) eingereicht. 

Was wird sich mit dem Dekret der neuen argentinischen Regierung unter Javier Milei verändern?

Vertragsfreiheit

Bislang war es laut argentinischem Recht nicht zugesichert, dass andere Leistungen als Geldleistung erzwungen werden konnten, auch wenn dies vertraglich vereinbart wurde. Das heißt Schuldner konnten ihre Schulden immer mit dem argentinischen Peso (ARS) begleichen, auch wenn eine andere Zahlungsmethode abgemacht war. Mit der neuen Verordnung wurden nun Bestimmungen geschaffen, die sich auf die Verwendung von Währungen beziehen, die keine gesetzlichen Zahlungsmittel sind. Dadurch könnten die Zahlungsmittel in Verträgen frei vereinbart und dann auch durchgesetzt werden. Dabei sind letztlich alle Dinge verwendbar, von Naturalien und Edelmetallen über ausländische Währungen wie den US-Dollar bis hin zu Kryptowährungen wie Bitcoin. Zwar kann man in dem Dekret die Wörter „Kryptowährung“ oder „Bitcoin“ nicht finden, die neue argentinische Außenministerin Diana Mondino betonte dies jedoch auf der Plattform 𝕏 ausdrücklich, wodurch sie die Aufmerksamkeit der Bitcoin-Community erlangte.

Wir ratifizieren und bestätigen, dass argentinische Verträge in Bitcoin abgeschlossen werden können.

Diana Mondino auf 𝕏

Durch die freie Gestaltungsmöglichkeit von Verträgen könnten Verträge jedoch auch komplizierter und undurchsichtiger, der Verbraucherschutz geringer und die bisherige Rechtsprechung in Bezug auf Vertragsrecht eingeschränkter werden, befürchten Kritiker. Dies gilt auch für zahlreiche andere Bestimmungen und Regulierungen.

Gesetzesänderungen und Deregulierungen

Durch die volle Vertragsfreiheit und weiteren wirtschafts- und währungspolitischen Reformen soll die freie Marktwirtschaft gefördert und die staatliche Einmischung radikal verringert werden. So soll zum Beispiel der Wettbewerb angeheizt werden, indem zahlreiche Bestimmungen und Regulierungen verändert oder beseitigt werden:

Wettbewerbsbeschränkungen im Tourismussektor, Preisregulierungen, das Mietrecht sowie bestimmte Branchengesetze sollen gänzlich abgeschafft werden. Das Gleiche gilt für die bisherigen Einschränkungen für argentinische Großgrundbesitzer sowie für ausländische Immobilienkäufer. Erleichterungen für kleine Unternehmen soll es in Zukunft auch nicht mehr geben. Die staatlichen Unternehmen sollen alle in Aktiengesellschaften umgewandelt und privatisiert werden, und ausländische Unternehmen sollen für mehr Wettbewerb in Argentinien sorgen.

Zudem sieht das Dekret vor, dass Banken Zinsen beliebig vereinbaren können und die Grenzen der Gebühren bei Kartenzahlungen (1,5 - 3%) abgeschafft werden. Weitere Veränderungen betreffen Bereiche wie Ein- und Ausfuhrbestimmungen, die Digitalisierung von Arzneimittelrezepten, Führerscheinen, Zulassungs- und Versicherungsnachweisen oder auch die Reduzierung von Feuerschutzbestimmungen, Verbraucherschutz und Arbeitnehmerrechten. Der Mindestlohn wird erheblich gesenkt – für Betriebe mit weniger als fünf Angestellten gelten zukünftig sogar keine Bestimmungen für Mindestlohn oder Arbeitnehmerschutz mehr. Durch das neue Dekret werden schließlich auch das Streikrecht und die Finanzierung von Gewerkschaften extrem eingeschränkt.

Widerstand und Kritik

Dadurch stoßen die Vorhaben der neuen Regierung natürlich auch auf Widerstand und Kritik, vor allem von den traditionellen linken Parteien im argentinischen Parlament sowie den Gewerkschaften, die die Verordnung als verfassungswidrig bezeichnen, ihre Rücknahme fordern und sogar mit Generalstreik drohen. Man befürchtet eine Verschlimmerung der bisherigen Situation durch höhere Preise für Lebensmittel und fürs Wohnen, niedrigere Einkommen für die Bevölkerung und eine weitere Befeuerung der Inflation. 

Auch ausländischen Medien kritisieren die radikalen Änderungsvorschläge der neuen argentinischen Regierung. Dabei wird jedoch ignoriert, dass Milei im Wahlkampf genau diese Schritte angekündigt hatte und schließlich auch vom Großteil der Bevölkerung dafür gewählt wurde. Letztlich führt die argentinische, aber auch die globale Finanzsituation zu derartigen radikalen und extremen Plänen, für die sich die argentinische Bevölkerung auf demokratischem Wege entschieden hat.

Es bleibt abzuwarten, ob diese Vorhaben Argentinien in ein weiteres Chaos stürzen, zu einem Generalstreik führen oder sogar zu einer verbesserten Lebensgrundlage für die Einwohner Argentiniens beitragen. Damit die Verordnung in Kraft treten kann, müssen die beiden Kammern des argentinischen Parlaments dem Dekret innerhalb von zehn Tagen mit einer einfachen Mehrheit zustimmen.