In Argentinien fanden gestern die Vorwahlen zur Präsidentschaftswahl statt, bei der sich letztlich drei potenzielle Kandidaten für die Stichwahl am 22. Oktober herauskristallisierten – darunter ein Bitcoin-Befürworter. 

Ergebnis der Vorwahlen

Wie die argentinische Zeitung „Clarín“ berichtete, verlor die aktuelle, linke peronistische Regierung („Unión por la Patria“, z. Dt. Union für das Vaterland) stark an Zustimmung und belegte mit insgesamt 27,27% nur den dritten Platz. Für die Präsidentschaftswahl tritt aus diesem Lager der jetzige Wirtschaftsminister Sergio Massa an.

Die konservative Opposition „Juntos por el Cambio“ (z. Dt. Gemeinsam für den Wandel) konnte insgesamt 28,27% der Stimmen erreichen, wobei sich die ehemalige Innenministerin Patricia Bullrich gegen ihren parteiinternen Mitstreiter durchsetzen konnte.

Vorwahlergebnisse, Quelle: Clarín

Die Parteienkoalition „La Libertad Avanza“ (z. Dt. Die Freiheit schreitet voran) stellte nur einen Kandidaten auf, der sich überraschenderweise gegen das traditionelle Parteienspektrum durchsetzte und mit 30,04% die meisten Stimmen sowie die Mehrheit in 16 von 24 Provinzen für sich verzeichnen konnte. Dieser Kandidat ist Javier Milei.

Javier Milei

Javier Gerardo Milei ist ein 52-jähriger marktliberaler Ökonom und Politiker, der seit 2021 Mitglied des argentinischen Parlaments ist. Er ist Anhänger der österreichischen Schule der Nationalökonomie und bezeichnet sich selbst als Anarchokapitalisten. Außerdem streitet er eine ideologische Nähe zum früheren brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro und Ex-US-Präsident Donald Trump nicht ab. Somit gilt Milei gesellschaftspolitisch und wirtschaftlich als radikal und wird – wie ebenso die von ihm gegründete libertäre Parteienkoalition „La Libertad Avanza“ – auch mit dem rechten Spektrum in Verbindung gebracht. Dies spiegelt sich teilweise in dem Wahlprogramm wider. Demnach will Milei beispielsweise Abtreibungen verbieten und Waffenrechte lockern.

Obwohl er in vielen Punkten als umstritten gilt, findet er vor allem bei der argentinischen Jugend Anklang. Diese leidet – wie das ganze Land – unter Armut, wachsender Verschuldung, Wirtschaftskrisen und einer Hyperinflation von mehr als 114%, die wirtschaftliche Perspektiven zunichtemachen. Die jetzige sozialistische Regierung setzte diesen zerstörerischen Weg fort, sodass die jungen Argentinier nun andere Lösungen außerhalb des traditionellen argentinischen Parteienspektrums aus Peronisten und Konservativen wahrnehmen, die ihnen Milei bietet.

Libertäre Lösungsansätze für die argentinische Wirtschaft

Die ständigen Wirtschafts- und Finanzkrisen sowie das argentinische System, das die Gesellschaft in Gruppen aufteilt, aus denen es laut Javier Milei kein Entkommen gebe, will Milei mit Hilfe des freien Marktes überwinden.

Für einen Wirtschaftswissenschaftler, der an das Individuum und die Marktwirtschaft glaubt, also einen Prozess der sozialen Zusammenarbeit, bei dem Eigentumsrechte freiwillig ausgetauscht werden, wird dieser Konflikt durch das Preissystem gelöst.

Javier Milei im Interview

Für diese radikale Marktliberalisierung will Milei den Staat entbürokratisieren und viele Ministerien abschaffen. Außerdem will er Steuern senken, mehr Freihandelsabkommen schließen und Handelszölle für Exporte beseitigen. Er setzt sich zudem für eine Arbeitsrechtsreform ein, die Arbeitnehmerrechte einschränkt bzw. flexibler macht. Eine Vielzahl von Regulierungen will er abschaffen, Subventionen und öffentliche Ausgaben kürzen und die Privatisierung des Bildungs- und Gesundheitssystems vorantreiben. 

Schließlich will er auch die Zentralbank beseitigen. Seine ablehnende Haltung gegenüber der Zentralbank hatte Milei schon oft öffentlich geäußert und die Defizite dieses „betrügerischen Systems“ und der staatlichen Fiatwährungen aufgezeigt. Dabei lobte er auch Bitcoin und seine monetären Eigenschaften und befürwortete privates Geld: Bitcoin stehe für die Rückkehr des Geldes in den privaten Sektor, in dem Geld erfunden wurde. Außerdem eigne sich Bitcoin für sichere Transaktionen besser als Silber und Gold und sein Algorithmus begrenze das Angebot und verhindere Inflation

Trotz der positiven Äußerungen zu Bitcoin hat Javier Milei nicht vor, Bitcoin als offizielles Zahlungsmittel einzuführen. Stattdessen will er nach der Abschaffung der Zentralbank, die in Argentinien trotz fehlender Regulierung für Kryptowährungen stark gegen Bitcoin und Co. agiert, den US-Dollar als Währung einführen.

Aufgrund der Verwicklungen in einen potenziellen Krypto-Scam, sehen ihn außerdem auch zahlreiche Bitcoiner relativ skeptisch. Im Jahr 2021 hat er in den sozialen Medien viel Werbung für das Projekt "CoinX" gemacht, bei dem es Anzeichen gibt, dass es sich dabei um Betrug handelt.

Monetäre Bildung von unten

Angesichts der Vorwahlergebnisse sind seine radikalen Lösungsansätze für die Mehrzahl der Argentinier nun aber tatsächlich eine Option. Javier Milei scheint durch seine Kommunikation in den sozialen Medien, durch die kontinuierliche Aufklärung über Wirtschaftsthemen und die Defizite des Finanzsystems sowie durch seine Ideen zum Liberalismus einen Einfluss auf die Bevölkerung zu haben. Viele Argentinier interessieren sich auf einmal für die Wirtschaftstheorien von Friedrich August von Hayek und anderen Autoren der österreichischen Nationalökonomie. Dies deutet darauf hin, dass die Vorwahlen nicht nur eine Protestwahl waren, sondern dass tatsächlich mehr dahinter steckt.

Es bleibt abzuwarten, ob sich Milei tatsächlich gegen die Konkurrenten aus den etablierten Parteien, Patricia Bullrich und Sergio Massa, durchsetzen wird. Doch ganz egal, ob Milei die Wahl zum nächsten argentinischen Präsidenten für sich entscheiden kann oder ob er seine Versprechen halten wird, die vermittelte Bildung wird bleiben. Und solange die Defizite des Finanzsystems nicht beseitigt werden und immer wieder zum Vorschein kommen, werden die Menschen nach Alternativen suchen und sie schlussendlich in Bitcoin finden.