Der Vermögensverwalter Fidelity Investments hatte mit einigen Berichten bereits Investitionsempfehlungen für Bitcoin getätigt. So wurden beispielsweise Altcoins und Bitcoin gegenübergestellt oder gängige Kritikpunkte entkräftet – Blocktrainer.de berichtete. In dem neusten Bericht „Understanding Proof-of-Work“ von den Autoren Chris Kuiper und Matt Hogan wird der Konsensmechanismus von Bitcoin genauer unter die Lupe genommen und mit Proof of Stake (von Ethereum) verglichen.

Proof of Work

Die technischen Grundlagen des Proof of Work (PoW) bzw. des Bitcoin-Minings sollen hier nicht ausführlich behandelt werden. Wie Bitcoin-Mining funktioniert, kann in unserem Beitrag nachgelesen werden. Man kann jedoch kurz zusammenfassen, dass Proof of Work die Funktion eines dezentralen und sicheren Netzwerks ermöglicht, das nicht von einer zentralen Instanz abhängig ist und an dem jeder teilnehmen kann. Durch das erfolgreiche Erraten einer Zahl wird ein Teilnehmer ausgewählt, der der Blockchain neue Transaktionen hinzufügen darf und dafür eine Belohnung erhält. Dieser Arbeitsnachweis kann von den anderen Beteiligten überprüft werden. Somit sorgt die Anreiz- und Kontrollstruktur dafür, dass die Miner ehrlich agieren und sich bösartiges Verhalten nicht lohnt. Mit diesem fairen und transparenten Konsensmechanismus ist Bitcoin zum sichersten und solidesten dezentralen Vermögenswert geworden, den es gibt.

Der Arbeitsnachweis ist jedoch mit hohen Kosten (Ausrüstung, Energie) verbunden, wodurch nicht nur das Netzwerk dezentral und unabhängig von einer zentralen Instanz wird, sondern auch ein Anker in der physischen Welt geschaffen wurde.

Bitcoin hat etwas in der realen Welt (Stromverbrauch) genommen und es nachweislich in die digitale Welt transportiert und dauerhaft verknüpft. 

Auszug aus dem Bericht

Das virtuelle Bitcoin-Netzwerk muss sich also auf externe Faktoren, wie Kapitalausgaben, Energiequellen und Stromnetze, verlassen und somit auch deren Grenzen einhalten. Diese Verbindung zur realen Welt und die Nutzung echter Ressourcen ist eines seiner Hauptmerkmale und Wettbewerbsvorteile, die dem Bitcoin-Netzwerk einen Wert verleihen. Zudem verstärkt es den Status von Bitcoin als digitaler Rohstoff und das zentrale Wertversprechen als monetäres Gut.

Der Unterschied zu Proof of Stake

Auch bei Proof of Stake (PoS) müssen reale Kapitalkosten aufgebracht werden. Doch weil es keine Miner gibt, müssen keine Maschinen und Strom bezahlt, sondern ein Anteil der Token erworben und als Sicherheit hinterlegt werden, um für den Validierungsprozess (das Hinzufügen von Transaktionen) ausgewählt werden zu können. Die Anreizstruktur beinhaltet zum einen (wie bei Bitcoin) eine Belohnung in Form von neuen Token und Transaktionsgebühren, zum anderen jedoch auch ein Bestrafungssystem mit dem Risiko des Totalverlustes. Dadurch könnten es auch zu Szenarien kommen, bei denen sich die Validatoren auf die Seite der Mehrheit stellen, nur weil sie befürchten, ihren Anteil zu verlieren.

Jeder kann beim Staking teilnehmen, doch da dies ein viel komplexeres Verfahren ist als beim PoW, beanspruchen viele dafür die Dienstleistungen von Drittanbietern, was laut Fidelity die Zentralisierung fördern könnte. Dies könnte letztlich auch zu einem erhöhten Risiko durch Fehler oder bösartige Angriffe führen, wobei mindestens 33% der hinterlegten ETH kontrolliert werden müssen. 

Zudem sind die Teilnehmer, die große Anteile hinterlegt haben, gegenüber anderen mit kleineren oder keinen hinterlegten Anteilen im Vorteil, da sie kontinuierlich die Belohnung erhalten und ihr Status dadurch praktisch nicht angetastet werden kann. Beim PoW müssen die Miner aktiv daran arbeiten, den prozentualen Anteil an der Hashrate zu behalten. Ohne Investitionen in neues Equipment und neue Energiequellen sowie die Instandhaltung der Technik sind der Status und das Geschäftsmodell gefährdet.

Vergleich PoW vs. PoS, Quelle: Fidelity

Das in sich geschlossene PoS-Netzwerk besitzt keinen Anker in der physischen Welt, sondern ist rein virtuell, sodass keine Beschränkungen bestehen und Parameter leichter verändert werden können. Vitalik Buterin, der Mitbegründer von Ethereum, fasst dies passend zusammen:

Proof-of-Work basiert auf den Gesetzen der Physik, und so muss man mit der Welt arbeiten, wie sie ist... man muss mit der Elektrizität arbeiten, so wie sie ist, mit der Hardware, so wie sie ist, mit den Computern, so wie sie sind. Durch die Virtualisierung von Proof-of-Stake hingegen können wir im Grunde ein simuliertes Universum mit eigenen physikalischen Gesetzen schaffen, und das gibt uns als Protokollentwickler viel mehr Freiheit, das System so zu optimieren, dass es alle gewünschten Sicherheitseigenschaften aufweist... Wenn wir wollen, dass das System eine bestimmte Sicherheitsgarantie hat, dann gibt es oft eine Möglichkeit, das System so zu modifizieren, dass es diese auch erreicht...

Vitalik Buterin, Ethereum Mainnet Merge Viewing Party, 14. September 2021, (2:31:20) 

Fidelity will mit diesem Bericht keinem der beiden Konsensmechanismen eine grundsätzliche Überlegenheit zuschreiben. Der Vermögensverwalter kommt jedoch zum Schluss, dass für Vermögenswerte, die sich ständig verändern müssen und wollen, der PoS-Konsensmechanismus geeigneter erscheint. Dieser geht im Vergleich zu PoW jedoch verschiedene technische Kompromisse ein (Komplexität, stärkere Abhängigkeit von der Community, potenzielle Zentralisierung). Die physischen Anforderungen und Grenzen des PoW eignen sich hingegen für Vermögenswerte wie Bitcoin, bei denen man sich darauf verlassen kann, dass sie „in Jahren, Jahrzehnten oder vielleicht sogar Jahrhunderten“ noch dieselben sind.