Nachdem Fidelity, mit rund 4,3 Billionen US-Dollar einer der weltweit größten Vermögensverwalter, sich in der Vergangenheit bereits öfter sehr positiv über Bitcoin geäußert hat (Blocktrainer.de berichtete: „Bitcoin ist exponentielles Gold“ und „Investitionsempfehlung von Fidelity“), wurde kürzlich ein weiterer, überarbeiteter Report veröffentlicht, der sich der gängigen Kritikpunkte an Bitcoin annimmt.

Kritikpunkt #1: Bitcoin ist als Wertspeicher zu volatil

Fidelity legt dar, dass es für eine neue Investitionsklasse völlig normal ist, anfangs eine größere Volatilität zu haben. Je größer die Akzeptanz wird, desto kleiner wird die Volatilität, weil sich die Schwankungen über mehr Marktteilnehmer mit unterschiedlichen Zielen ausgleichen. Gold hatte als Wertspeicher anfangs mit ähnlicher Volatilität zu kämpfen.

Eine weitere ungewöhnliche Eigenschaft von Bitcoin, die zur Preisvolatilität beiträgt, ist die unelastische Menge und Produktion von Bitcoin. Von den meisten Gütern kann bei sich änderndem Bedarf mehr oder weniger produziert werden. Bei Bitcoin ist allerdings beides konstant.

Fidelity hat dazu einen weiteren Bericht, der ausführlich auf den Aspekt "Bitcoin als Wertspeicher" eingeht.

Kritikpunkt #2: Bitcoin hat als Zahlungsmittel versagt

Fidelity sagt, es sei eine Fehleinschätzung, Bitcoin primär als Zahlungsmittel zu sehen. Es könne zwar nicht mit Zahlungsmitteln wie PayPal oder Kreditkarten bei der Anzahl der Transaktionen pro Sekunde mithalten, allerdings müsse man verstehen, dass es bis zu drei Monate dauern kann, bis eine Kreditkartentransaktion tatsächlich vollzogen wird. On-Chain-Transaktionen von Bitcoin sind dagegen final und innerhalb von durchschnittlich zehn Minuten abgeschlossen.

Bei internationalen Transaktionen ist Bitcoin in jedem Fall eine bessere Lösung, da es unabhängig vom Bankensystem und Politik erfolgen kann und ebenfalls innerhalb von rund zehn Minuten final abgeschlossen ist. Dagegen können selbst normale Auslandsüberweisungen Tage dauern. Zudem betragen die durchschnittliche Transaktionsgebühren, um Kapital ins Ausland zu schaffen, laut Weltbank sechs Prozent.

Abgesehen davon zeigen die Daten von CoinMetrics, dass Bitcoin im letzten Jahr Werte transferiert hat, die 40% der Summe der Transkationen von Mastercard entsprechen.

Die begrenzte Übertragungsrate von Bitcoin ist auch eine Notwendigkeit der Dezentralisierung und vergleichbaren Datenarmut von Bitcoin. Jeder kann problemlos seine eigene Node laufen lassen, weil die Größe des Bitcoin-Ledgers, also aller jemals erfolgten Transaktionen, immer noch unter 600 GB liegt, also bequem auf einem RaspberryPi und einer Terabyte-Festplatte unterkommt.

Fidelity erkennt, dass Layer-2-Lösungen wie Lightning für kleinere bis mittlere Transaktionen deutlich besser geeignet sind als auf Layer 1. Hier können Transaktionen auch mit Kosten von rund 1 Satoshi, also gegenwärtig 0,01 Dollar-Cent, durchgeführt werden, was bei größerer Adoption für eine Revolution am Finanzmarkt sorgen könnte. Kürzlich hat jemand über 40.000 Bitcoin für den Gegenwert von unter zehn US-Dollar verschoben – fast sofort, ohne eine Bank und ohne um Erlaubnis fragen zu müssen.

Kritikpunkt #3: Bitcoin ist verschwenderisch und schlecht für die Umwelt

Hier erkennt Fidelity sehr richtig, dass die Aussage "Bitcoin verbraucht zu viel Energie" ohne Kontext sinnlos ist. Die daran anschließende Gegenfrage, die beantwortet werden muss, ist "Ist es die Energie wert?" und "Im Vergleich zu was?".

Vielfach wird der Energieverbrauch auf die einzelne Transaktion herunter gerechnet. Dabei wird verkannt, dass die Blöcke hauptsächlich zur Sicherung des Netzwerks und damit aller Bitcoins dienen. Der Sinn des Netzwerks sind die Transaktionen, der Sinn des Energieverbrauchs ist die Absicherung. Den Energieverbrauch auf "pro Transaktion" herunter zurechnen ist deshalb nicht zielführend. Dass die Blöcke die Transaktionen enthalten, ist nur ein Nebeneffekt, aber nicht der eigentliche Kernsinn des Energieverbrauchs. Für Dezentralität und Sicherheit sowie für die Emission neuer Bitcoin muss der Aufwand groß sein (Proof of Work).

Hinsichtlich "Im Vergleich zu was?" zieht Fidelity den Vergleich mit dem bestehenden Finanzsystem mit Banken, Papiergeld, Kreditkartenabrechnungen, Plastik-Kreditkarten, dem Erzschürfen für Münzgeld und Gold, plus der Energie, um das bestehende System am Laufen zu halten.

Fidelity hält außerdem fest, dass gegenwärtig zwischen 39% und 58% an erneuerbaren Energiequellen für das Bitcoin-Mining verwendet wird und dieses oft in Gegenden erfolgt, in denen die Energie andernfalls verschwendet und ungenutzt wäre (da überschüssige Energie von beispielsweise Wasser-, Wind- oder Thermalkraftwerken nicht gespeichert werden kann).

Statt nochmal genauer darauf einzugehen, dass Bitcoin dadurch alternative Energieformen unterstützen kann, weil es die ungenutzte Energie monetarisieren kann, verweist Fidelity auf die Nutzung von sogenanntem "stranded gas" für Bitcoin-Mining, welches bei der Ölförderung anfällt und sonst abgefackelt werden müsste, weil es nicht wirtschaftlich genutzt werden kann.

Kritikpunkt #4: Bitcoin wird irgendwann von einer neueren Technologie abgelöst

Bitcoins Kerntechnologie ist über ein Jahrzehnt alt und zusätzlich Open Source, könnte also sehr einfach kopiert werden. Was Bitcoin einzigartig und unersetzlich macht, ist die Sicherheit, die durch den Netzwerkeffekt in den Jahren seit Gründung entstand.

Es kamen schon sehr viele Krypto-Projekte auf den Markt, bei denen versucht wurde, Einzelaspekte von Bitcoin zu verbessern. Doch sie haben dabei verkannt, dass Bitcoin aus Sicherheitsgründen absichtlich gewisse Kompromisse eingeht. Wie sich gezeigt hat, schätzt der Markt offenbar genau diese Eigenschaften von Bitcoin gegenüber den Konkurrenzprodukten (die allesamt von Firmen und Personen getragen werden und damit nochmals angreifbarer sind), sodass Bitcoin auch nach all den Jahren immer noch mit 50% des Krypto-Marktanteils Marktführer ist. Dies grenzt in Zeiten derartiger Innovation und technologischen Fortschritts an ein Wunder.

Kritikpunkt #5: Bitcoin ist durch nichts gedeckt

Fidelity definiert hier zunächst verschiedene Klassen von Vermögenswerten.

In der Publikation "What is an asset class, anyway?" (Journal of Portfolio Management, 1997, Rober Greer) definiert Greer drei "Vermögenswertklassen": Kapitalvermögenswerte, Verbrauchs- und Verarbeitungsvermögenswerte und Wertspeicher-Vermögenswerte.

Nach Greer fällt Gold in die Klasse der Wertspeicher, welche Güter enthält, die nicht verbraucht werden können und auch von sich aus kein Einkommen erzeugen. Durch die Verwendung in der Industrie und als Schmuck hat Gold auch Eigenschaften der Verbrauchs- und Verarbeitungsvermögenswerte, was zu der Auffassung beitragen könnte, dass sich der Wert von Gold nach seinem Nutzen richtet. Allerdings beträgt der Industrie-Sektor nur 7% der Nachfrage und der Nutzen als Schmuck ist in Teilen nur deswegen gegeben, weil Gold als Wertspeicher betrachtet wird.

Fiat-Währungen werden als Wertspeicher klassifiziert, aber Fiat existiert nur, wie der Name schon sagt, per Bestimmung von Regierungen. Ihr Wert liegt also im Vertrauen in besagte Regierungen und daran, dass alle anderen Marktteilnehmer auch daran glauben. Regierungen haben allerdings weltweit das in sie gesetzte Vertrauen durch die Erweiterung der Geldmenge missbraucht, was zur Entwertung der Geldwerte und damit des Wertspeichers und Vertrauens geführt hat.

Aufgrund dieser Definitionen ordnet Fidelity Bitcoin in die Klasse der Wertspeicher ein. Bitcoin basiert auf seinem Code, dem implizitem Sozialvertrag und dem Vertrauen, das die Nutzer in Bitcoin setzen.

Die Teilnehmer dieses Sozialvertrags sind die Nutzer mit ihren Transaktionen, die Miner, die bereit sind, Kosten und Aufwand zu betreiben, um Bitcoin zu minen. Ebenso sind es die Node-Betreiber, die den Bitcoin-Code laufen lassen und Transaktionen und Blöcke validieren, Entwickler, die sich mit Bitcoin beschäftigen und sich an der Weiterentwicklung beteiligen und die "Hodler", die sich dafür entscheiden, einen Teil ihres Vermögens in Bitcoin zu halten.

Bitcoins perfekte Knappheit, die praktische Finalität von Transaktionen und die Resistenz gegen politische Einflussnahme und Beschlagnahmung sind Werte und Eigenschaften, die immer mehr Menschen schätzen, was das Netzwerk durch neue Teilnehmer immer mehr stärkt.

Interessanterweise geht Fidelity hier nicht tiefer auf den Zusammenhang von Bitcoin und Energie und Zeit ein, der ein Grundfundament der Deckung von Bitcoin ist, es wird nur kurz im Zusammenhang mit der Bereitschaft der Miner erwähnt, Aufwand und Kapital ins Mining zu stecken.

Kritikpunkt #6: Ein Bug im Code könnte Bitcoin wertlos machen

Bitcoin hatte in seiner frühen Geschichte (als das Netzwerk noch sehr klein war) zwei Bugs.

Einer war in 2010 zur Blockzeit 74638, als jemand in der Lage war, durch einen Overflow-Bug 184 Millionen Bitcoin zu erzeugen. Das war kurz nachdem jemand zwei Pizzas für 10.000 Bitcoin gekauft hat. Bitcoin war nicht gegen Transaktionen abgesichert, deren Outputs groß genug waren, um einen Overflow zu erzeugen. Der pseudonyme Schöpfer von Bitcoin, Satoshi Nakamoto, der damals noch Teil des Bitcoin-Projekts war, konnte den Fehler innerhalb von fünf Stunden beheben und das Netzwerk erfolgreich forken.

Der zweite Bug war in 2013, als durch ein Update-Bug das Netzwerk für sechs Stunden offline war. Hier waren zwar keine Bitcoins von Hodlern gefährdet, allerdings konnten keine Transaktionen vorgenommen werden. Das Vertrauen war kurzfristig beeinträchtigt, was zu einem kurzfristigem Kursabfall von über 20% geführt hat.

Seitdem läuft das Bitcoin Netzwerk ununterbrochen mit keinerlei Fehlern, es hat also eine Uptime von 99,99%. Die Wahrscheinlichkeit eines neuen Bugs ist aufgrund der Größe des Netzwerks, der Bekanntheit von Bitcoin und dem riesigen Anreiz, einen Bug auszunutzen oder zu finden, bei nahezu Null. Gänzlich ausschließen kann man dies jedoch nicht.

Kritikpunkt #7: Regulatorik wird die Adoption von Bitcoin verlangsamen

Nach Fidelity's Einschätzung würde (gute) Regulatorik eher für eine schnellere Adoption sorgen, da mehr Marktteilnehmer Vertrauen darin finden könnten. Die Regulatorik in letzter Zeit sorgte eher dafür, dass Finanzdienstleister einfacher mit Bitcoin interagieren können. Der restriktive Teil der neueren Regulatorik sorgte vor allem für eine Beschränkung und Gefährdung von Altcoins und anderen Krypto-Assets.

Nachdem die Bitcoin-Technologie weder eine Firma noch einen einflussreichen Gründer hat, ist sie prinzipiell nicht mehr aufzuhalten. Schlechte Regulatorik kann immer hinderlich sein, greift aber den Kern von Bitcoin nicht an.

Kritikpunkt #8: Menschen könnten das Interesse an Bitcoin verlieren

Fidelity sieht die Werteinschätzung von Bitcoin auch langfristig als individuell an, weil jeder Marktteilnehmer und Investor andere Ziele hat. Einige schätzen möglicherweise die "Stabilität" von digitalen Zentralbankwährungen und deren einfache Verbreitung als wertvoll ein, für andere zählt möglicherweise die technologische Verwendbarkeit von Kryptowerten wie Ethereum oder NFTs.

Viele werden aber weiterhin die einzigartigen Eigenschaften von Bitcoin, wie begrenzte Menge, Unveränderlichkeit, Dezentralität und Resistenz gegen staatliche Intervention, wertschätzen. Das belegen auch die Adoptionsdaten seit 2011. Die Anzahl der Wallets, die eine relevante Menge von Bitcoin halten, ist stetig gestiegen:

Kritikpunkt #9: Es gibt noch unbekannte Faktoren

Fidelity stellt richtigerweise fest, dass das für so ziemlich alle Wertklassen gilt, insbesondere auch für Währungen, Aktien und Marktteilnehmer (siehe WeWork, FTX, Theranos, Madoff und Wirecard).

Der Einwand ist daher irrelevant und muss als Risikofaktor von jedem selbst bewertet werden.

Zusammenfassung

Bitcoin ist eine einzigartige Asset-Klasse und muss von jedem Einzelnen beurteilt werden. Man muss sich Zeit nehmen, um sich mit Bitcoin zu beschäftigen und die Vor- und Nachteile abzuwägen, sodass jeder in der Lage ist, seine eigene Investmententscheidung zu treffen.