In einer Mitte Oktober 2022 veröffentlichten Forschungsstudie mit dem Titel "The Rising Dollar and Bitcoin" beschreibt ein Team des Investment-Giganten Fidelity Investments, wie sich der steigende Dollar auf die globalen Devisenmärkte auswirken wird und wieso Bitcoin als Portfolio-Versicherung betrachtet werden könnte. Die Forscher legen dar, dass Bitcoin demnach aufgrund seiner dezentralen und deflationären Eigenschaften in krassem Gegensatz zu den restlichen Vermögenswerten auf dieser Welt stehen könnte, da diese durch den US-Dollar stark beeinflusst werden. Im Vergleich dazu bleibt Bitcoin eines der wenigen Assets, das nicht den Schulden einer anderen Person entspricht, kein Gegenparteirisiko hat und einem Ausschüttungsplan folgt, der fest definiert ist und nicht geändert werden kann.

Struktur & Einfluss der Geldpolitik

Das Fidelity-Team gibt in ihrer Veröffentlichung zunächst einen Überblick über die Struktur des bestehenden globalen Währungssystems und einen Ausblick darauf, wie uns die letzten Wochen möglicherweise einer Ära näher gebracht haben, in der mehr Menschen beginnen, Bitcoin als Versicherung gegen einen Kollaps dessen zu betrachten.

Siehe auch: "Die Funktionsweise und Probleme der Geldpolitik".

Der globale Shutdown im Zuge der Covid-Krise und die durch die Erschaffung neuen Geldes (neuer Schulden) finanzierten politischen Maßnahmen zur Unterstützung der Industrie und Bevölkerung, trugen laut Fidelity einen großen Teil zu den derzeitigen Rekord-Inflationszahlen in nahezu allen großen Volkswirtschaften bei. Einige Ökonomen sehen die aktuelle Situation bereits als nahezu aussichtslos. So zum Beispiel Lord Mervyn King, der ehemalige Gouverneur der britischen Zentralbank. Dieser erklärte erst heute Morgen bei einem Interview bei BBC, dass die aktuelle Situation den Zentralbanken und Regierungen längst entglitten sei.

"Nicht die Märkte, sondern die Regierungen und Zentralbanken haben das Sagen. Märkte reagieren nur auf die Entscheidungen, die von Regierungen und Zentralbanken getroffen werden. Und Zentralbanken haben die Kontrolle über die Inflation verloren. Regierungen haben die Kontrolle über die öffentlichen Finanzen verloren. Es ist nicht überraschend, dass die Märkte darauf reagieren."

Lord Mervyn King

Die derzeit hohen Inflationszahlen führten dazu, dass die Zentralbanken von ihrer langjährigen Zinssenkungs- und Bilanzausweitungsstrategie abkehren mussten. Durch Leitzinserhöhungen und Bilanzreduktion sollen einer drohenden Rezession entgegenwirken. Dieser Wechsel in der Geldpolitik hat in den vergangenen Wochen auch zu einer massiven Stärkung des US-Dollars im Vergleich zu anderen wichtigen Währungen, wie dem Euro, Pfund oder Yen geführt. Der Dollar-Index befindet sich derzeit auf dem höchsten Stand seit dem Jahr 2002 - Tendenz weiter steigend.

Quelle. Fidelity; basierend auf Daten von Bloomberg (9/22)

In Bezugnahme auf einen Bericht der New Yorker Federal Reserve und die bekannte "Dollar Milkshake Theory", die besagt, dass der US-Dollar in Krisenzeiten Liquidität aus anderen Währungen aufsaugt, zeigen die Fidelity-Forscher, dass erste Anzeichen dafür bereits zu erkennen sind. Die global in US-Dollar denominierten Schulden sind nämlich schon überproportional hoch!

"Obwohl die Vereinigten Staaten bei privaten Transaktionen nur ein Viertel des globalen BIP und etwas mehr als 16 Prozent der weltweiten Exporte und Importe ausmachen, ist der US-Dollar bei Finanztransaktionen weiterhin mit einem unverhältnismäßig höheren Anteil vertreten. Ungefähr die Hälfte aller grenzüberschreitenden Kredite, internationalen Schuldtitel und Handelsrechnungen sind in US-Dollar denominiert. […] Die auf US-Dollar lautenden Verbindlichkeiten globaler Banken sind seit der globalen Finanzkrise von 2008 stetig gestiegen und sind die höchsten unter den großen internationalen Währungen, mit einem Saldo von über 15 Billionen US-Dollar im Jahr 2021." 

Auszug aus dem Bericht der NY Fed

Neue Rekorde beim Dollar Index?

Obwohl sich der Dollar Index noch relativ weit von den Rekorden aus den 80er-Jahren entfernt befindet, bergen die weltweiten Abhängigkeiten vom US-Dollar das Potenzial "ein ähnliches oder noch extremeres Ereignis zu schaffen, das eine globale Koordination erfordern könnte, um die Stärke der bekanntesten Fiatwährung zu reduzieren." Der rasante Anstieg des US-Dollars Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre führte zum sogenannten "Plaza-Abkommen" bei dem sich Vertreter der G5-Staaten (Deutschland, Frankreich, Japan, USA, GB) darauf einigten, durch kontrollierte Einflussnahme auf die internationalen Währungsmärkte eine Abwertung des US-Dollars gegenüber dem Yen und der Deutschen Mark zu erreichen. Während die Federal Reserve die Zinsen weiter strafft, waren erste Zentralbanken wie die Bank of England bereits gezwungen, die eigene Geldpolitik zu lockern. Andere Zentralbanken könnten bald folgen, was den US-Dollar gegenüber anderen Währungen noch weiter nach oben treiben würde.

Dies würde wiederum Druck auf die Fed ausüben, die restriktiven Maßnahmen zurückzuschrauben, um in den restlichen Ländern der Welt kein allzu großes Chaos zu stiften. Gleichwohl sehen die Autoren des Fidelity-Berichts das US-Finanzsystem trotz des vermeintlich starken Dollars in einer ähnlichen Position wie beispielsweise Großbritannien.

"Obwohl der US-Dollar im Vergleich zu anderen Fiat-Währungen nach wie vor sehr stark ist, befindet sich das US-Finanzsystem auf lange Sicht in einer ähnlichen Lage wie das Vereinigte Königreich. Wie bereits erwähnt, ist das Land aufgrund der hohen Schuldenquote kaum in der Lage, höhere Realzinsen über einen längeren Zeitraum zu verkraften, wenn es seinen derzeitigen Schuldenverpflichtungen nachkommen will. […] Die jährlichen Zinsausgaben […] könnten bald die aktuellen Kosten von Medicare (689 Mrd. $ im Jahr 2021; staatliche Krankenversicherung, Anm. d. Red.) oder sogar den gesamten US-Verteidigungshaushalt (742 Mrd. $ im Jahr 2021) übersteigen, da die Zinssätze zusammen mit dem Gesamtschuldenstand weiter steigen."

Fidelity

Bitcoin als Versicherung

Das Vereinigte Königreich ist das jüngste Beispiel für die derzeitige Zwickmühle, in der sich die Regierungen und Zentralbanken der Welt befinden. Sie wollen strauchelnde Volkswirtschaften und ein schwaches Wirtschaftswachstum mit fiskalischen Instrumenten wiederbeleben, während Zentralbanken die Geldpolitik straffen, um die Inflation zu bekämpfen. Dadurch werden diese jedoch mit Marktstress konfrontiert, der mehr Liquidität erfordert, um die finanzielle Volatilität einzudämmen und ihre Ausbreitung zu verhindern. Eine weitere starke Geldentwertung halten die Forscher für denkbar.

"Darüber hinaus könnte eine weitere Geldentwertung erforderlich sein, um die hohe Verschuldung der Industrieländer zu verringern, während die jüngsten Ereignisse im Vereinigten Königreich gezeigt haben, dass es Gegenpartei- und Haftungsrisiken im System gibt, so dass geldpolitische Interventionen und Liquiditätszuführungen in absehbarer Zeit nicht verschwinden werden."

Fidelity

Während nahezu alle anderen Vermögenswerte der Politik von Angebotserhöhungen, der zusätzlichen Schaffung von Währungen und der Ausweitung von Zentralbankbilanzen ausgeliefert sein werden, geht Bitcoin weiter seinen Weg. Der Code bestimmt die Regeln und definiert sowohl das fixe Angebot und die bis zur vollständigen Ausschüttung vorherrschende Inflationsrate. Makroökonomische Faktoren spielen zwar kurzfristig für den Preis des BTC eine Rolle, nicht aber für seine langfristigen monetären Eigenschaften. Aus diesem Grund glauben die Verantwortlichen bei Fidelity auch daran, dass künftig mehr Menschen den Bitcoin als eine Versicherung für das eigene Portfolio und gegen den Kollaps des Finanzsystems anerkennen könnten.

"Im Vergleich dazu ist der Bitcoin nach wie vor einer der wenigen Vermögenswerte, der nicht der Haftung einer anderen Person entspricht, kein Gegenparteirisiko aufweist und einem Ausschüttungsplan folgt, der nicht geändert werden kann. Ob diese Eigenschaften an Attraktivität gewinnen, müssen letztlich die Anleger und der Markt entscheiden."

Fidelity