Am 19. März 2024 haben die federführenden Ausschüsse des Europäischen Parlaments mit großer Mehrheit für ein neues Geldwäschegesetz gestimmt. 74 EU-Parlamentarier haben sich für das Gesetz entschieden, während es nur fünf Gegenstimmen und fünf Enthaltungen gab. Somit werden Barzahlungen im geschäftlichen Kontext künftig über 3.000 Euro in anonymer Form und über 10.000 Euro generell verboten sein. Zudem werden anonyme Transaktionen mit Kryptowährungen zu „hosted Wallets“ in jeglicher Höhe untersagt sein.

KYC-pflichtige Interaktion mit fremdverwalteten Wallets

Unter einer fremdverwalteten Wallet („hosted Wallet“) versteht man eine Wallet, die nicht durch den Nutzer, sondern durch eine Drittpartei verwaltet wird. Ein gutes Beispiel dafür sind die Nutzer-Wallets auf einer Kryptobörse, deren persönliche Schlüssel nicht im Besitz der Nutzer sind. Die meisten Kryptobörsen müssen umfangreiche KYC-Richtlinien („Know Your Customer“) einhalten, sodass eine anonyme Transaktion an derartige Wallets sehr unwahrscheinlich ist. Die Börsen wissen, wer ihnen Kryptowerte transferiert, sodass derartige Transaktionen nicht von dem neuen Gesetz betroffen sind.

In anderen Bereichen sieht das jedoch anders aus. Anbieter von fremdverwalteten Lightning-Wallets, wie beispielsweise Alby oder Wallet of Satoshi, führen bisher normalerweise kein KYC-Verfahren durch, wenn jemand ihr Produkt bzw. ihre Dienstleistungen in Anspruch nehmen will. Mit dem neuen Gesetz dürfen EU-Bürger also zu derartigen fremdverwalteten Wallets ohne KYC keine Bitcoin oder Kryptowährungen mehr schicken. Das gilt auch für Spenden, wenn der Empfänger eine „hosted Wallet“ benutzt. Fraglich ist jedoch, wie dieses Verbot kontrolliert werden kann, wenn die Wallet-Anbieter nicht in der EU registriert sind.

Digitale Assets dürfen jedoch weiterhin von Person zu Person übertragen werden, denn Transaktionen zwischen „self-hosted Wallets“, d. h. selbstverwaltete Wallets (wie z. B. Hardware-Wallets wie die BitBox02), sind von dieser EU-Regelung ausgenommen. Dies lässt vermuten, dass sich die EU-Gesetzgeber über die schwierige Regulierung derartiger Wallets bewusst sind und deshalb eher den Zugang zu On- und Off-Ramps und Zahlungsdienstleistern erschweren wollen, um die Nutzung von Kryptowährungen einzuschränken. Gerade im geschäftlichen Verkehr werden in der Regel fremdverwaltete Wallets genutzt. Ob sich dies ändern wird, um das Anonymitätsverbot der EU zu umgehen, wird die Zukunft zeigen.

Wann wird das neue Gesetz in Kraft treten?

Die Zeit, die zwischen der Zustimmung der Ausschüsse des Europäischen Parlaments und dem tatsächlichen Inkrafttreten eines Gesetzes vergeht, kann sehr unterschiedlich sein und hängt von mehreren Faktoren ab, wie dem legislativen Verfahren (Ordentliches Gesetzgebungsverfahren, Konsultationsverfahren usw.), der Komplexität des Gesetzes, den Meinungsverschiedenheiten zwischen den Mitgliedstaaten, dem Europäischen Parlament und dem Rat der Europäischen Union sowie der Notwendigkeit von Übersetzungen und juristisch-technischen Überprüfungen. Nach der Zustimmung durch die Ausschüsse erfolgt die Plenarabstimmung im Europäischen Parlament. In diesem Fall findet die Abstimmung im April statt und gilt als Formsache. Bei Änderungsvorschlägen oder signifikanten Meinungsverschiedenheiten folgt dann eine Verhandlung mit dem Rat. Nach der formalen Annahme durch das Parlament und den Rat erfolgt die Unterzeichnung und Veröffentlichung des Gesetzes im Amtsblatt der Europäischen Union. Das Gesetz tritt an dem im Text spezifizierten Datum in Kraft – meistens 20 Tage nach Veröffentlichung, falls im Gesetzestext nicht anders festgelegt.

Während die neuen Regeln für Krypto-Assets (MiCA-Verordnung) bereits Anfang 2025 und das Gesetz zur Überwachung von Krypto-Transaktionen innerhalb der EU (DAC8) Anfang 2026 in Kraft treten sollen, steht das Datum für die Anti-Geldwäscheregulierungen (AMLR) noch nicht fest. Es wird geschätzt, dass diese Regulierung zwischen 2026 und 2027 rechtsverbindlich wird – zusammen mit der Schaffung einer speziellen EU-Behörde zur Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung (AMLA).

Kritik an der zunehmenden Übergriffigkeit

Das Gesetz stößt auf große Kritik – nicht nur aufgrund der übergriffigen Überwachungsphantasien, sondern auch aufgrund mangelnder positiver Wirkung. Dr. Patrick Beyer, Mitglied des Europäischen Parlaments und der Piratenpartei, ist einer der großen Kritiker, der in dem neuen Gesetz eine Gefahr für die Privatsphäre und die finanzielle Selbstbestimmung sieht.

Ein generelles Verbot anonymer Zahlungen hätte bestenfalls minimale Auswirkungen auf die Kriminalität, würde aber unschuldige Bürger ihrer finanziellen Freiheit berauben. Welche Medikamente oder Sexspielzeuge ich kaufe, geht niemanden etwas an. Um Spenden zu sammeln, sind Dissidenten wie der verstorbene Alexej Nawalny und seine Frau zunehmend auf anonyme Spenden in virtuellen Währungen weltweit angewiesen. Auch Wikileaks wurde von den Kreditkartenunternehmen bereits von Spenden abgeschnitten. Wo jede finanzielle Transaktion erfasst und für immer gespeichert wird, entsteht ein „Honey Pot“ für böswillige Hacker und Strafverfolgungsbehörden sowie ein abschreckender staatlicher Schatten über jedem Kauf oder jede Spende.
Dr. Patrick Beyer in einem Beitrag auf seiner Website

Seine Parteikollegin und EU-Spitzenkandidatin für die Piratenpartei, Anja Hirschel, schließt sich der Kritik an:

Bargeldzahlungen werden immer weiter eingeschränkt und gleichzeitig anonymes Bezahlen im Netz verboten. Dies führt zu einer immer detaillierteren Nachverfolgbarkeit unseres Konsums und Privatlebens. Wie viel ich wofür, wann und wo ausgebe, lässt immer genauere Rückschlüsse auf mich als Person zu. In Zusammenhang mit den nationalen Diskussionen um Bezahlkarten für verschiedene Menschengruppen kann dies ein Baustein hin zu einer gesetzlichen Grundlage zur späteren Profilbildung und Kontrolle selbst von legalen Ausgaben darstellen.
Zitat von Anja Hirschel

Zudem würde die Abhängigkeit von Banken enorm ansteigen und zu einer „schleichenden finanziellen Entmündigung“ führen, fügte Breyer hinzu. Negativzinsen und die Sperrung von Konten sind konkrete Gefahren für die Bürgerinnen und Bürger, wenn der Kampf gegen das Bargeld weiter fortgeführt wird. Das Verbot, die extreme Einschränkung oder die Überwachung von Bargeld-Alternativen, wie zum Beispiel Bitcoin, seien zum einen technisch kaum realisierbar, zum anderen würde man mit dem Vorwand der Kriminalitätsbekämpfung auch alle Nutzer unter Generalverdacht stellen, obwohl nur ein Bruchteil der Kryptotransaktionen mit kriminellen Aktivitäten in Verbindung gebracht werden kann. Wie Blocktrainer.de berichtete, kann man tatsächlich nur 0,34 Prozent der Kryptotransaktionen auf illegale Aktivitäten zurückführen – speziell die Geldwäscheaktivitäten mit Kryptowährungen sind im Jahr 2023 gesunken. Dass Kryptowährungen nachweislich die Geldwäsche fördern, ist letztlich nicht belegbar. Die Verfolgung Krimineller ist bei Kryptowährungen sogar leichter zurückverfolgbar als beim Bargeld.

EU macht Gesetze gegen den Willen der Bevölkerung

Die schärferen Gesetze sind nicht nur kaum hilfreich bei der Bekämpfung von Kriminalität, sie sind auch entgegen dem Willen der Bevölkerung. Im Jahr 2017 befragte die EU-Kommission diesbezüglich die Öffentlichkeit. Das Ergebnis: Rund 95 Prozent der Umfrageteilnehmer positionierten sich eindeutig gegen eine Einführung von Bargeldzahlungsbeschränkungen auf EU-Ebene. Gründe dafür waren, dass die Menschen es als eine essenzielle persönliche Freiheit ansehen und die Einschränkung nicht effektiv Terrorfinanzierung und Steuerhinterziehung bekämpfen würde.

In Deutschland ist man sich eigentlich einig, dass das Bargeld und die Privatsphäre bei digitalen Bargeld-Alternativen (wie z. B. beim geplanten digitalen Euro) erhalten bleiben soll – zumindest wenn man den Ausführungen des Finanzausschusses glauben kann. Tatsächlich wird die Obergrenze von anonymen Bargeldzahlungen jedoch kontinuierlich verringert – 2017 lag diese noch bei 15.000 Euro bevor sie auf 10.000 herabgesetzt wurde. Es scheint nur eine Frage der Zeit zu sein, wann die Grenze im Namen der Kriminalitätsbekämpfung erneut herabgesetzt wird. In Frankreich liegt die Obergrenze schon länger bei nur 1.000 Euro.

Angesichts der immer weiter voranschreitenden Entwertung des offiziellen Zahlungsmittels des Euro-Raumes ist der Trend in Deutschland sogar noch schärfer als es auf den ersten Blick aussieht. Seit Einführung des Euro hat dieser rund 40 Prozent an Wert verloren und alleine seit 2017 sind die Konsumgüterpreise in Deutschland über 20 Prozent gestiegen – und das alles laut den offiziellen Zahlen. Entsprechend wäre es nachvollziehbarer, die deutsche Grenze von vor 2017 von 15.000 Euro auf 18.750 Euro anzuheben, als sie auf 3.000 zu senken. Gehen die Trends so weiter, könnte selbst der anonyme Kauf eines Fahrrads mit Bargeld bald nicht mehr erlaubt sein.

Zudem scheint auch der Umgang mit Kryptotransaktionen im Deutschen Bundestag noch nicht wirklich vollumfänglich erfasst worden zu sein. Es existiert zwar schon ein Gesetzentwurf für die Digitalisierung des Finanzmarktes (FinmaDiG), der ein Verbot von anonymen Kryptotransaktionen beinhaltet, doch die Zurückhaltung der deutschen Gesetzgeber bei der Debatte um die neuen Regelungen deutet darauf hin, dass die Auswirkungen des Gesetzes, insbesondere in Bezug auf Anonymität und Transparenzpflichten und deren Bedeutung für Dienstleister und Nutzer, noch nicht wirklich verstanden wurden.

Die vorschnelle Einschränkung von bürgerlichen Freiheiten darf nicht auf Vorurteilen und einer fehlenden Auseinandersetzung mit solch wichtigen Themen wie der Digitalisierung des Finanzmarktes und den Umgang mit neuen Finanztechnologien beruhen. Es bleibt zu hoffen, dass die Abgeordneten aller EU-Mitgliedsstaaten sich den vielschichtigen und komplexen Herausforderungen bewusst werden und Gesetze dieser Art hinterfragen.