Gestern Abend hat die US-Börsenaufsichtsbehörde SEC acht Spot-ETFs auf der Basis der hinter Bitcoin zweitgrößten Kryptowährung Ethereum die Zulassung erteilt. Dies hat weitreichende Implikationen für den gesamten Krypto-Markt und auch für Bitcoin, da es eine Kehrtwende in der Regulatorik signalisiert und die Debatte, welche digitalen Assets als Ware beziehungsweise Rohstoff und welche als Wertpapier zu klassifizieren sind, neu angeheizt hat.

Überraschende Zulassung

Noch vor einer Woche sah es danach aus, als würde die SEC den Ethereum-Spot-ETFs eine Absage erteilen. Am 18. Mai schrieb der Bloomberg-ETF-Experte James Seyffart nämlich noch zu der Thematik:

Es wird einfach nicht passieren Leute. Sorry.
James Seyffart

Doch das Blatt wendete sich, als zum Wochenstart plötzlich Gerüchte aufkamen, dass die SEC – mutmaßlich aufgrund politischen Drucks – im Hintergrund Hebel in Bewegung setzt, um die Ethereum-ETFs doch zuzulassen.

Update: @JSeyff und ich erhöhen unsere Wahrscheinlichkeit, dass die Ethereum-Spot-ETFs genehmigt werden auf 75 % (von 25 %). Wir haben heute Nachmittag gehört, dass die SEC in dieser Sache eine Kehrtwende machen könnte (ein zunehmend politisches Thema), so dass sich jetzt alle darum reißen (wie wir sind alle anderen davon ausgegangen, dass sie abgelehnt werden würden).
Eric Balchunas, Bloomberg-ETF-Experte

Der Ethereum-Kurs reagierte deutlich positiv auf diese Meldung und ETH beendete den Tag mit einem Kursplus von fast 20 Prozent. Aber auch Bitcoin stieg, wenn auch weniger stark, in Reaktion auf diese Meldung – vermutlich weil die höhere Wahrscheinlichkeit für die Zulassung der Ethereum-Spot-ETFs als eine 180-Grad-Wende in der generellen regulatorischen Landschaft bezüglich Kryptowährungen vom Markt aufgefasst wurde.

Dafür spricht derzeit auch der politische Zuspruch für eine Krypto-freundlichere Regulierung in den USA, welche die Biden-Administration unter Druck setzt. Das Repräsentantenhaus stimmte diese Woche für FIT21, einen Gesetzentwurf, mit dem die Regulierung von Kryptowährungen weniger streng werden soll – Blocktrainer.de berichtete.

Am Donnerstagabend, zur finalen Deadline der Anträge, gab es dann schließlich die Zulassung für die ETH-ETFs. Eine offizielle Stellungnahme der SEC blieb jedoch aus. Als die Aufsichtsbehörde am 10. Januar denselben Antrag für die Bitcoin-ETFs zugelassen hatte, folgte kurz darauf ein einordnendes Statement von SEC-Chef Gary Gensler.

Wann die Ethereum-Spot-ETFs ihren ersten Handelstag feiern dürfen, ist derweil noch unklar. Bei den Bitcoin-Spot-ETFs war es bereits der darauffolgende Tag – im Kontext der ETH-ETFs dürfte sich der Handelsstart jedoch noch verzögern. Die Prognosen der Experten reichen von wenigen Wochen bis zu fünf Monaten, bis die neuen ETFs an die Börse kommen.

Die Debatte um die Klassifizierung von Kryptowährungen

Die Zulassung von Ethereum-Spot-ETFs in den USA hat weitreichende Implikationen. Da in dem Dokument der SEC im Kontext der Ethereum-ETFs die Rede von einem “commodity-based trust”, als von einem auf einem Rohstoff-basierten Trust ist, sieht es danach aus, als wäre es nun besiegelte Sache, dass ETH in den Augen der Aufsichtsbehörde einen Rohstoff darstellt. Der Chief Legal Officer von Coinbase ist sich diesbezüglich jetzt ebenfalls sicher.

Diese Woche, dieser Tag, war eine Achterbahnfahrt, wie ich sie noch nie erlebt habe. ETH wird effektiv als Rohstoff angesehen, wie wir es immer gewusst haben. 
Paul Grewal, CLO von Coinbase

Bezüglich der Einordnung der zweitgrößten Kryptowährungen herrschte in der Regulatorik lange Zeit Unklarheit. Mit dem Umstieg des Konsensmechanismus von Proof-of-Work auf Proof-of-Stake, wodurch Entitäten mit vielen ETH mehr Einfluss auf das Netzwerk nehmen können, ließ SEC-Chef Gary Gensler durchscheinen, dass er ETH jetzt als Wertpapier einordnet.

Generell betonte Gensler auch kurz vor der Zulassung der Ethereum-Spot-ETFs noch einmal, dass seiner Meinung nach der Großteil der Kryptowährungen Wertpapiere sind, weil dort in den meisten Fällen eine Gruppe von Unternehmern hinter steht, auf dessen Grundlage Anleger in die Coins investieren.

Es gibt 15.000 oder 20.000 Token in diesem Bereich. Sie funktionieren nicht als Währung. Ohne einen von ihnen vorverurteilen, gibt es im Allgemeinen eine Gruppe von Unternehmern und die Öffentlichkeit schaut sich Whitepaper an, schaut sich Websites an, schaut sich diese Gruppe von Unternehmern an und investiert auf der Grundlage dieser Gruppe von Unternehmern. Und so passt es irgendwie in den klassischen Supreme Court-Test, was ein Wertpapier ist.

Nicht jeder Krypto-Token ist ein Wertpapier ... aber ich glaube, erneut ohne eine Vorverurteilung zu treffen, dass die meisten es sind.
Gary Gensler, bei der Investment Company Institute Conference

Der SEC-Chef sprach sich auch gegen den Gesetzentwurf FIT21 aus, weil er die Einstufung von Krypto-Assets als Anlageverträge untergräbt und sie somit der Aufsicht der SEC entzieht. Die Klassifizierung in Rohstoff oder Wertpapier wäre mit FIT21 deutlich liberaler als der bisherige Ansatz der SEC. Und Bestandteil von FIT21 ist, dass die vermeintlich dezentralen Kryptowährungen dann von der Commodity Futures Trading Commission (CFTC) reguliert werden und nicht mehr von der SEC. 

Die CFTC klassifiziert die zweitgrößte Kryptowährung auch schon länger als Rohstoff. So hat sie auch den Handel mit Ethereum-Futures als Rohstoff-Futures vor geraumer Zeit an der CME zugelassen.

Das Problem mit der ETF-Zulassung

Dadurch, dass die SEC den Ethereum-Spot-ETFs grünes Licht erteilt hat, verleiht sie einem Asset Legitimität und suggeriert, es sei ein dezentraler Rohstoff wie Bitcoin, obwohl dies mehr als nur fragwürdig ist. Üblicherweise gibt es bei einem Rohstoff nämlich keinen “Premine”, bei dem sich eine bestimmte Gruppe mit einem Asset eindeckt, bevor es der Öffentlichkeit zugänglich ist. Bei Ethereum ist der Großteil der Coins unter Ausschluss der Allgemeinheit entstanden – Bitcoin hingegen war seit Tag eins für jedermann offen.

Auch hängt der Erfolg eines Rohstoffs im Normalfall nicht von den Entscheidungen einer kleinen Entwicklergruppe ab. Hinter Ethereum steht die Ethereum Foundation, welche die Entwicklung des Netzwerks finanziert und maßgeblich beeinflusst. So wie etwa bei dem Zurückrollen des Netzwerks, im Rahmen des "Dao Hacks" 2016 und bei weiteren Updates wie dem Umstieg von Proof-of-Work auf Proof-of-Stake.

Zudem widerstrebt das Konzept von Proof-of-Stake gänzlich der Idee eines Rohstoffs, da dadurch denjenigen Entitäten Macht über das Netzwerk eingeräumt wird, die viel davon halten – und da Entitäten, die ihre ETH staken, auch entsprechend durch neue Coins eine Belohnung erhalten, wächst die Ungleichheit und damit die Machtkonzentration im Netzwerk unweigerlich mit der Zeit. Bei Proof-of-Stake-Netzwerken kann Dezentralität nie garantiert werden, weil es immer eine kleine Gruppe sein kann, welche die Mehrheit der Coins hat und so das Netzwerk gestaltet – und das ohne, dass dies offen ersichtlich ist. Auch gibt es beim Staking Skaleneffekte, wodurch Anreize entstehen, die Coins über einen großen Dienstleister zu staken.

Bei Bitcoin hingegen müssen die Miner, welche die Blöcke erschaffen, immer aufs Neue in der Realwelt Arbeitsleistung in Form von Rechenleistung erbringen. Da Rechenleistung Energie benötigt und diese niemals zentralisiert ist, besteht hier ein gewaltiger Unterschied.

Einige aus der Bitcoin-Community äußerten sich entsprechend im Rahmen der ETF-Zulassung kritisch zu der SEC und der Kryptowährung Ethereum.

Die Zulassung des Ethereum-ETFs ändert nichts an der Tatsache, dass sie ihre Geldpolitik innerhalb von 7 Jahren 7 Mal geändert haben.

Ethereum ist digitales Fiat.

Es werden lediglich alle Probleme von Fiat nachgebildet und auf eine Blockchain übertragen.
Luke Mikic

Eine der Herausforderungen für Ether-ETFs bei der Durchdringung der 60/40-Boomer-Welt besteht darin, ihren Zweck/Wert in einen leicht verständlichen Tonfall à la "Bitcoin ist digitales Gold" zu verpacken. Gibt es einen solchen einfachen Einzeiler für Ether? Wenn ja, wie lautet er?
Eric Balchunas

Pre-mined Ponzi-System. Haltet euch davon fern. 
Adam Back

Sind jetzt alle Kryptowährungen Rohstoffe?

Die SEC hätte mit der Differenzierung von Kryptowährungen in Rohstoffe und Wertpapiere eine klare Grenze ziehen und dabei nur digitale Assets als Rohstoffe klassifizieren können, die wie Bitcoin nachweisbar dezentral sind. Mit der Einstufung von Ethereum als Rohstoff, stellt sich richtigerweise die Frage, was Kryptowährungen wie Solana, Cardano oder Polygon von Ethereum unterscheidet und warum die SEC diese in der Vergangenheit eindeutig als Wertpapiere eingestuft hat.

Hier dürfte die SEC in Erklärungsnot geraten und konsequenterweise müsste die Aufsichtsbehörde dann auch ETF-Anträge für viele weitere Kryptowährungen annehmen. Zwar würde bei anderen Kryptowährungen noch die Voraussetzung fehlen, dass es bereits einen regulierten und funktionierenden Futures-Markt gibt, doch von den Grundeigenschaften her dürfte es kaum eine nachvollziehbare Erklärung für eine unterschiedliche Klassifizierung geben.

Wie sich dieses Dilemma in der Zukunft entfalten wird und ob jetzt metaphorisch gesprochen die Büchse der Pandora offen ist, gilt es noch abzuwarten.

Staking und ETFs

Die SEC hat den Vermögensverwaltern nicht erlaubt, die Ether in den Produkten zu staken. Dadurch entgeht den Anlegern eine Rendite von derzeit um die 3 Prozent auf ihre ETH, die sie einfahren könnten, wenn die dafür den Service von Dienstleistern wie Coinbase nutzen.

Da die Emittenten zuvor ihre Anträge mit der Option auf Staking einreichten und potenzielle Investoren sich diese Möglichkeit wohl ungern durch die Hände gehen lassen wollen, wäre es vorstellbar, dass dies eines Tages doch noch möglich wird.

Dann bestünde jedoch das Risiko, dass große Vermögensverwalter auf einen Schlag Kontrolle über das vermeintlich dezentrale Netzwerk hätten. Auch könnten aufgrund der Mindestbindungsfrist die Emittenten unter Umständen nicht direkt ihre ETH abstoßen, wenn die Kunden Geld abziehen, was Turbulenzen oder gar einen Bankrun und einen sich von dem Wert des zugrundeliegenden Assets abkoppelnden Kurs mit sich ziehen könnte.

ETH-ETF eine Gefahr für Bitcoin?

Da der Bitcoin-Kurs ebenfalls positiv reagierte, als am Montag die Ethereum-Spot-ETFs wahrscheinlich wurden, sieht der Markt derzeit kein Risiko für Bitcoin dadurch. Möglich wäre es jedoch, dass institutionelle Investoren zu einem kleinen Teil aus Bitcoin in Ethereum umschichten, wenn das Anlageprodukt zum Handel zugelassen ist. 

In Hongkong gibt es bereits Bitcoin- und Ethereum-Spot-ETFs und die Daten zu den initialen Zuflüssen zeigen, dass die Nachfrage nach Bitcoin rund 5,5 Mal so hoch war, wie die nach Ethereum. Die Bloomberg-ETF-Experten Seyffart und Balchunas rechnen entsprechend damit, dass die Zuflüsse in die US-amerikanischen Ethereum-Spot-ETFs nur etwa 10 bis 20 Prozent der Zuflüsse in die Bitcoin-Spot-ETFs ausmachen werden. Entsprechend dürfte sich auch das potenzielle Umschichten in Richtung Ethereum in Grenzen halten.

Michael Saylor, der Gründer des auf Bitcoin setzenden Unternehmens MicroStrategy, wiederholte im Rahmen der ETF-Zulassung seinen bekannten auf den Krypto-Markt bezogenen Leitsatz, “there is no second best”, also sinngemäß, dass es keine ernstzunehmende Nummer zwei hinter Bitcoin gibt. In einem Podcast meldete sich Saylor zu der Causa auch ausführlicher zu Wort. Laut ihm ist die Ethereum-ETF-Zulassung generell auch eher positiv zu werten, da sie die gesamte Krypto-Industrie stärkt, die in den USA wohl auch Lobbyarbeit für Bitcoin macht.

Ist das gut für Bitcoin oder nicht? Ja, ich denke, es ist gut für Bitcoin, tatsächlich denke ich, es könnte besser für Bitcoin sein, weil ich denke, dass wir politisch viel mächtiger sind, unterstützt von der gesamten Krypto-Industrie.
Michael Saylor

Doch einige in der Bitcoin-Community sehen das Problem, dass aufgrund der Einordnung von Ethereum als Rohstoff, die Differenzierung zwischen einer wirklich dezentralen Kryptowährung und einer, die es augenscheinlich nicht ist, für die Allgemeinheit schwerer wird. Hätte die SEC in dieser Hinsicht die Grenze bei Bitcoin gezogen, was nachvollziehbar gewesen wäre, dann hätten die meisten Anleger wohl schneller erkannt, was der fundamentale Unterschied zwischen Bitcoin und der Nummer zwei Ethereum ist, so der Tenor.

Auch wenn die kommenden Ethereum-Spot-ETFs sich vermutlich nicht unmittelbar negativ auf den Bitcoin-Kurs auswirken werden, behindern sie womöglich langfristig die Adoption von Satoshi Nakamotos Kreation. Mit der Zulassung suggeriert die Aufsichtsbehörde nämlich der Allgemeinheit, dass Proof-of-Stake-Netzwerke hinsichtlich der Dezentralität und der Eignung als digitaler Rohstoff mit Bitcoin mithalten können – und das als eine Behörde, die sich dem Anlegerschutz verschrieben hat.

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