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Die weltgrößte Kryptobörse Binance und ihr CEO Changpeng „CZ“ Zhao haben gemeinsam einen Antrag gestellt, dass die im Juni eingereichte Klage der US-Börsenaufsicht SEC abgewiesen wird.

Keine klaren Richtlinien

Die Angeklagten haben in einem Dokument verschiedene Argumente zusammengestellt, die zu einer Abweisung der SEC-Klage führen sollen. Eines davon bezieht sich auf die regulatorischen Unsicherheiten in den USA, da die verschiedenen Behörden CFTC und SEC unterschiedliche Ansichten über die Zuständigkeit für Krypto-Assets haben. Zudem habe die SEC es versäumt, der Krypto-Branche klare Richtlinien zu vermitteln. Bis Ende 2022 habe die SEC es erlaubt, offen zu agieren. Mit dem Zusammenbruch der Kryptobörse FTX habe die Behörde ihre Haltung geändert und behauptet, dass fast alle Krypto-Assets Wertpapiere seien und ihrer Aufsicht unterliegen. Dabei bemerkt Binance, dass die SEC keine klare Anleitung oder Warnung gegeben hat, dass die Aktivitäten als Verstoß gegen US-Wertpapiergesetze angesehen werden könnten. Trotzdem wurde Klage gegen Binance eingereicht, in der die SEC der Börse vorwirft, gegen Registrierungsanforderungen der Bundeswertpapiergesetze verstoßen zu haben. Dabei stützt sich die SEC auf die Annahme, dass die Produkte von Binance als „Investitionsverträge“ gelten.

Falsche Interpretation der Wertpapiergesetze

Diese Interpretation wird jedoch infrage gestellt, da für einen „Investitionsvertrag“ laut Definition sowohl ein Vertrag zwischen den Parteien als auch eine Investition erforderlich ist. Binance ist der Meinung, dass die SEC „Investitionsverträge“ sowie die Wertpapiergesetze und ihre Anwendung auf Krypto-Assets grundlegend missinterpretiert und nicht schlüssig dargelegt habe. Dies betrifft verschiedene Programme von Binance sowie die eigenen BNB- und BUSD-Token sowie Token bestimmter Dritt-Anbieter.

Eigene Token

Binance merkt an, dass die SEC den BNB-Token fälschlicherweise mit einem Investitionsvertrag gleichsetz beziehungsweise verwechselt. Sie betonen, dass der Verkauf von BNB-Token auf sekundären Markt-Plattformen keine Investitionsverträge darstellt. Käufer, die den Token auf der Plattform von Binance erworben haben, hätten nur einen Token ohne vertragliche Verpflichtungen nach dem Verkauf erworben. Außerdem sei – wie auch einige andere Vorwürfe der SEC – die Anfechtung des erstmaligen Angebots des BNB-Tokens auf Binance zeitlich verjährt.

Darüber hinaus wurden auch keine Gelder der Käufer gebündelt oder Gewinne durch die Bemühungen anderer erzielt oder erwartet. Der Preis von BNB wurde auch nicht durch nachträgliche Bemühungen des Promoters, sondern durch Marktkräfte bestimmt, heißt es. Laut den Angeklagten könnte der Preis eines Vermögenswerts zwar durch ein Unternehmen beeinflusst werden, dies mache aber aus diesem Asset noch kein „Wertpapier“. 

Der BUSD-Token ist ein Stablecoin, der – wie die SEC selbst bemerkt – im Verhältnis von 1:1 gegen US-Dollar eingelöst werden kann. Aufgrund dessen könne man ihn nicht als Wertpapier betrachten, so die Argumentation von Binance. Zudem könnten Käufer – so wie bei BNB – keine Profite von einem Unternehmen erwarten, wenn das Geld nicht von diesem Unternehmen genutzt wird.

Andere Token

Die SEC behauptet außerdem, dass zehn andere Token (SOL, ADA, MATIC, FIL, ATOM, SAND, MANA, ALGO, AXS und COTI) von Binance als „Investitionsverträge“ verkauft wurden. Mit der gleichen Argumentation wie beim BNB-Token bestreitet Binance diesen Vorwurf und bemerkt, dass die SEC ihn nicht ausreichend belegen kann. Für sieben der Token habe die SEC noch nicht einmal Belege für die vertraglichen Verpflichtungen angeführt. Für SOL und COTI beziehen sich die Vorwürfe nur auf die Erstverkäufe in einem bestimmten Zeitpunkt, die jedoch nicht auf Binance stattgefunden haben. Die Vorwürfe bei ADA beziehen sich auf die Sekundärmarkttransaktionen und sollen laut den Angeklagten demnach kein Investitionsvertrag, sondern der Kauf eines Basiswerts sein.

Programme

Die SEC behauptet, dass „BNB Vault“ und „Simple Earn“ (Programme von Binance) es den Kunden ermöglichen, ihre Krypto-Assets für feste oder flexible Zeiträume an Binance zu verleihen und entsprechende „Zinsen“ zu verdienen. Binance argumentiert, dass die SEC nicht ausreichend nachweisen kann, dass diese Programme in Bezug auf den Howey-Test Investitionsverträge oder „Geldanlagen“ darstellen, da keine Eigentumsübertragung oder ein finanzieller Verlust stattfand.

Bei „BNB Vault“ handelt es sich im Wesentlichen um ein Staking-Programm, bei dem die Nutzer ihre Token nicht dauerhaft an die Börse abgeben und Binance die Token lediglich zur Validierung von Blockchain-Transaktionen verwendet, das heißt „eine dienstliche und keine unternehmerische Aufgabe“, ohne Eigentumsübertragung oder ein Verlustrisiko.

Für „Simple Earn“, bei dem Token vorübergehend an Binance verliehen werden, gilt dieselbe Argumentation. Die Auslegung der SEC, die derartige Programme mit einem „Anlagevertrag“ vergleicht, „der Vereinbarungen umfasst, bei denen eine Person einen nützlichen Vermögenswert gegen eine Zinszahlung vorübergehend an eine andere Person ausleiht“, wäre nicht zutreffend und wurde bereits von einigen Gerichten abgelehnt.

Sollten sich die Theorien der SEC in Bezug auf diese Programme durchsetzen, würde dies eine radikale und unzulässige Ausweitung ihrer regulatorischen Zuständigkeit bedeuten. Die SEC räumt implizit ein, dass diese Programme keine „Investition von Geld“ – keinen Verzicht auf das Eigentum an Vermögenswerten – beinhalten, da sie einräumt, dass diese Produkte lediglich „Darlehen“ sind, die den Nutzern das Recht geben, ihr gesamtes Kapital nach einer vorübergehenden Leihfrist zurückzuerhalten.

Auszug aus der Anklageschrift

Fehlende Befugnisse

Die eigene Interpretation der Wertpapiergesetze soll die SEC nun zu ihrem Plan veranlasst haben, rückwirkend ihre Regulierungsbefugnisse über die Kryptowährungsbranche durchzusetzen. Binance ist jedoch der Meinung, dass zum Beispiel der Punkt des „Investitionsvertrages“ unter die sogenannte „major questions doctrine“ fällt. Demnach sollten derartige Interpretationen bzw. Entscheidungen nicht von der Behörde, sondern vom Kongress entschieden werden. 

Aus diesem Grund wirft Binance der SEC vor, ihre Befugnisse zu erweitern, was sowohl wirtschaftliche als auch politische Fragen aufwirft. Zum einen seien Krypto-Assets im Wert von Milliarden US-Dollar betroffen und die Regulierung von „Investitionsverträgen“ durch die SEC könne weitreichende Auswirkungen auf den Markt und die US-Wirtschaft haben. Zum anderen gibt es derzeit über 20 Gesetzesvorschläge zur Regulierung von Krypto-Assets. Dies zeigt, dass die Debatte noch nicht abgeschlossen ist und die regulatorischen Unsicherheiten in den USA weiterhin bestehen, argumentiert Binance.

Zeitliche und extraterritoriale Bedenken

Neben einigen Vorwürfen der SEC, die zeitlichen beschränkt sind, gibt es auch zahlreiche Anklagepunkte, die laut Meinung der Angeklagten scheitern müssten, weil sie „extraterritoriales Verhalten betreffen, das über den Geltungsbereich der [US-amerikanischen] Bundeswertpapiergesetze hinausgeht“. Dies betrifft beispielsweise Transaktionen auf Binance, einschließlich der Programme „BNB Vault“ und „Simple Earn“, oder das BNB-Angebot, das laut SEC „inländisch“ gewesen sein soll. Handlungen, die außerhalb der USA stattfanden, würden nicht in den Zuständigkeitsbereich der SEC fallen. So dürften die US-Wertpapiergesetze nicht auf internationale Krypto-Transaktionen und -Plattformen angewandt werden. Außerdem könne die SEC nicht ausreichend Beweise für eine inländische Anwendung vorlegen.

Schließlich wird diese Argumentation auch auf den CEO persönlich übertragen. Die SEC könne die persönliche Zuständigkeit des CEOs nicht nachweisen. Changpeng Zhao lebt oder arbeitet nicht in den USA und es gäbe keine ausreichenden Beweise dafür, dass er persönlich in Aktivitäten in den USA verwickelt war, die mit den SEC-Vorwürfen in Zusammenhang stehen.

Aufgrund der oben genannten Argumente fordern Binance und Changpeng Zhao, dass die Klage der SEC gegen sie abgewiesen wird. Dies soll auch für die Klage gegen die US-Niederlassung von Binance, Binance.US, gelten. Der entsprechende separate Antrag wurde am selben Tag eingereicht.

Fazit

Die Debatte zwischen der SEC und Binance setzt sich fort und zeigt die wachsenden Spannungen zwischen Regulierungsbehörden und der Krypto-Industrie. Dabei weist Binance die Vorwürfe der SEC in Bezug auf verschiedene Krypto-Token und -Programme zurück und hebt die Unterschiede zwischen traditionellen Investitionsverträgen und Krypto-Transaktionen hervor. Anhand der FTX-Pleite und dem darauf folgenden Contagion-Effekt mit diversen anderen Pleiten und Vermögensverlusten könnte man jedoch auch aufzeigen, dass einige Risiken (z.B. beim Lending), die Binance in dem Antrag kleingeredet hat, durchaus vorhanden sein können. Doch anhand der Argumente kommt Binance zum Schluss, dass die meisten Vorwürfe gegen die Börse und ihren CEO Changpeng Zhao abgewiesen werden sollten.

Insgesamt steht die SEC vor komplexen, rechtlichen Herausforderungen in ihrem Versuch, Krypto-Transaktionen und -Angebote zu regulieren. Es bleibt abzuwarten, wie sich diese Debatte in den kommenden Monaten entwickelt und wie das Gericht entscheiden wird.