Das FTX-Drama geht in die nächste Runde. Das Unternehmen Binance gab gestern auf Twitter bekannt, von dem geplanten Kauf der Handelsplattform FTX zurückzutreten. Gleichzeitig veröffentlichte das Wall Street Journal einen Bericht und erklärte, dass FTX ein Liquiditätsloch in Höhe von 8 Milliarden US-Dollar besäße. Damit verdichten sich die Anzeichen, dass die Handelsplattform vor dem Aus steht.
Binance tritt vom Kauf zurück
Blocktrainer.de berichtete bereits gestern über die mögliche Übernahme von FTX durch Binance. Die weltweit größte Handelsplattform behielt sich jedoch das Recht offen, zu jedem Zeitpunkt von der Vereinbarung wieder zurückzutreten. Genau das tat das Unternehmen dann gestern auch und nannte als primären Grund für die Entscheidung „Berichte über missbräuchliche verwendete Kundengelder und mutmaßliche Ermittlungen der US-Behörden.“
„Als Ergebnis unserer Due-Diligence-Prüfung sowie den neuesten Nachrichten über missbräuchlich verwendete Kundengelder und mutmaßliche Ermittlungen der US-Behörden haben wir uns dazu entschieden, dass wir die potenzielle Übernahme von FTX nicht weiterverfolgen werden.“
Binance
Die Aussagen von Binance beziehen sich möglicherweise auf einen Bloomberg Bericht, welcher gestern veröffentlicht wurde und darauf hindeutete, dass die amerikanische Börsenaufsichtsbehörde (SEC) und die Commodity Futures Trading Commission (CFTC) erste Ermittlungen gegen FTX einleiteten aufgrund des Verdachts eines Verstoßes gegen das amerikanische Wertpapiergesetz. Weiter soll die Abhängigkeit von FTX und dem Krypto-Hedgefonds Alameda Research untersucht werden.
Binance erklärte in einem zweiten Tweet, dass die Probleme von FTX außerhalb der Möglichkeiten und Fähigkeiten des Unternehmens lägen. Genauere Informationen zu den Geschäftszahlen von FTX nannte Binance jedoch nicht.
Das Liquiditätsloch von FTX
Ein Bericht des Wall Street Journals könnte die Entscheidung von Binance erklären. Laut dem WSJ-Bericht, in dem „mit der Angelegenheit vertraute Personen“ zitiert wurden, soll der CEO von FTX, Sam Bankmann-Fried (SBF) in den letzten Tagen versucht haben, von Investoren zusätzliches Kapital zu beschaffen, um eine mögliche Insolvenz abzuwenden.
SBF hat laut dem Bericht Investoren um eine Notfinanzierung in Höhe von 8 Milliarden US-Dollar gebeten. Aufgrund des fallenden FTT-Preises war FTX nach Aussagen von SBF nicht mehr in der Lage, das Geld der Kunden auszuzahlen. Weiter bezieht sich der Artikel auf interne Quellen, welche bestätigten, dass SBF angeboten habe, sein persönliches Vermögen zu verwenden, um die Liquidität seines Unternehmens aufrechtzuerhalten. Anderen Quellen zufolge hat Bankman-Fried den Investoren in einem Telefonat erklärt, dass FTX ohne eine zusätzliche Finanzspritze Insolvenz anmelden müsse.
Ausgelöst wurde der Liquiditätsengpass durch einen Bank Run der Kunden. Ein Bericht von Reuters vom 8. November erklärte, dass FTX in den 72 Stunden vor dem 8. November Auszahlungen in Höhe von rund 6 Milliarden US-Dollar verzeichnete.
Gestern wurde bereits auf verschiedenen Social-Media-Plattformen darüber spekuliert, wie ein Bank Run eine solche Liquiditätskrise auslösen kann. Schließlich ist FTX gesetzlich dazu verpflichtet, die Einlagen der Kunden 1:1 mit ihren Reserven zu decken. Auch wenn jeder Kunde sein Guthaben abhebt, dürfte dieser Vorgang keine Auswirkungen auf die Liquidität des Unternehmens besitzen.
Eine Erklärung wäre, dass FTX die Kundeneinlagen selbst auf dem Markt zur Spekulation verwendet hat. Sollte sich der Bericht von Wall Street Journal bewahrheiten, wird es immer wahrscheinlicher, dass FTX die Einlagen seiner Kunden veruntreut hat. Auch der Ausstieg von Binance deutet darauf hin.
Ich bin etwas verwirrt darüber, wie eine FTX-Rettungsaktion für die Liquidität notwendig war, wenn die Kundeneinlagen nicht legal verliehen werden dürfen. Ich bin gespannt auf die kommenden Details. Ich würde der Branche an dieser Stelle eine Frage stellen – was ist, wenn das Gleiche mit Binance passiert, wer hilft dann?
Ari Paul, CIO/Gründer of BlockTower Capital.
Website von Alameda Research offline – FTX sendet Warnung an Nutzer
Die Website des Krypto-Hedgefonds Alameda Research, welcher eine große Menge des FTT-Tokens auf der Unternehmensbilanz hält, wurde gestern auf privat gestellt. Bisher gab es keine Stellungnahme des Unternehmens. Auch die CEO von Alameda Research, Caroline Ellison, welche noch bis vor ein paar Tagen die Insolvenzgerüchte des Hedgefonds dementierte, äußerte sich bisher nicht zu den Vorkommnissen. Damit verdichten sich wie bei FTX auch bei Alameda Research die Anzeichen einer möglichen Insolvenz.
Kurz nachdem Binance von der Übernahme zurückgetreten war, war die Website von FTX kurzzeitig ebenfalls nicht mehr erreichbar. Später wurde diese dann wieder mit einer Warnung für die Kunden online geschaltet. Den Nutzern der Plattform ist zu empfehlen, ihre gesamte Transaktionshistorie zu exportieren, solange die Website noch online ist. Diese Daten könnten im Falle eines Insolvenzverfahrens von großem Wert sein.
Contagion-Effekt startet
Die Risikokapitalgesellschaft Sequoia Capital twitterte am 10. November einen Brief an ihre Investmentpartner, in dem sie enthüllte, dass das Unternehmen die Bewertung ihre Investitionen in FTX und FTX US von 213,5 Millionen US-Dollar auf 0 US-Dollar heruntergesetzt habe. Der Fonds erklärte zugleich aber, dass die Beteiligung an FTX weniger als 1% des Gesamtvermögens des Fonds ausmache und damit eine Insolvenz keine weiteren Folgen für das Unternehmen besäße.
„Hier ist die Nachricht, die wir bezüglich FTX an unsere LPs [Limited Partnerships] geschickt haben.“
Sequoia Capital
Auch Multicoin Capital war von dem Auszahlungsstopp betroffen. Berichten zufolge konnte der Krypto-Risikokapitalgeber lediglich 24% seiner Einlagen von FTX abheben, bevor die Plattform die Auszahlungen aussetzte. In den nächsten Tagen und Wochen muss beobachtet werden, welche Unternehmen Kreditgeber von FTX und Alameda waren und wie groß ihre Beteiligungen an den Unternehmen war. Ähnlich wie bei der Celsius Insolvenz droht auch hier ein größerer Contagion-Effekt.
Solange FTX und Alameda Research keinen offiziellen Insolvenzantrag stellen, kann noch nicht von einem endgültigen Aus für die Unternehmen gesprochen werden. Das Scheitern der Übernahme und der Bericht der Wall Street Journals deuten aber darauf hin, dass die finanzielle Lage von FTX und Alameda Research schlechter ist als bisher angenommen.