In einem aktuellen Bloomberg-Artikel wird beschrieben, wie das ostafrikanische Land Äthiopien derzeit einen Aufschwung in der Bitcoin-Mining-Branche erlebt. Vor allem chinesische Unternehmen, die bis zum allgemeinen Verbot von Kryptowährungen im Jahr 2021 in China die globale Bitcoin-Mining-Industrie dominierten, sehen in Äthiopien eine willkommene Gelegenheit, ihre Geschäfte neu zu beleben.

Klima, GERD und China

Die Attraktivität Äthiopiens für das Mining-Geschäft wird insbesondere durch das ideale Klima verstärkt. Das Land gehört zu einer der höchstgelegenen Regionen des Kontinents. Große Teile liegen hoch über dem Meeresspiegel, zum Beispiel die Hauptstadt Addis Abeba mit 2400 Metern. Es herrscht ein gemäßigtes Klima, das optimal für den Mining-Betrieb geeignet ist und konstant eine gute Kühlung der Maschinen bietet.

Zum anderen wird durch das größte Wasserkraftwerk bzw. den größten Staudamm Afrikas, dem Grand Ethiopian Renaissance Dam (GERD, z. Dt. auch Großer Renaissance-Staudamm), eine kostengünstige und nachhaltige Energiequelle geboten. Die Talsperre liegt am Blauen Nil in der west-äthiopischen Region Benishangul-Gumuz in der Nähe der sudanesischen Grenze. Der Damm befindet sich seit 2011 im Bau und hat während der Füllungsphase des Stausees zu internationalen Konflikten geführt, da der Nil beeinträchtigt wird und dadurch die von dem Fluss abhängigen Nachbarstaaten, wie Sudan und Ägypten, Wassermangel befürchteten.

Beim Bau des Staudamms kam es aufgrund von mehrfachen Planänderungen und Korruption zu zahlreichen Verzögerungen, sodass letztlich chinesische Unternehmen beim Bau halfen und chinesische Banken mit circa 1,8 Milliarden US-Dollar die Turbinen und die übrige elektrische Ausstattung finanzierten. Die ersten Turbinen des angeschlossenen 6000-Megawatt-Wasserkraftwerks sind seit Februar 2022 in Betrieb. Bis 2028 soll das Projekt komplett fertiggestellt sein.

Der Plan der äthiopischen Regierung

Eigentlich wollte die äthiopische Regierung die gesamten Kosten von geschätzten 4,8 Milliarden US-Dollar für den Damm selbst tragen. Dazu hat sie andere Projekte pausiert, Anleihen herausgegeben und Staatsbedienstete dazu verpflichtet, jährlich ein Monatsgehalt zur Finanzierung von GERD abzugeben. Letztlich hat aber vor allem die enge Kooperation mit China der äthiopischen Regierung geholfen. Sie erhoffte sich durch den Bau des Staudamms, die Verfügbarkeit von Strom in Äthiopien zu gewährleisten und durch den Export der Energie Erlöse im größeren Umfang zu erzielen. In Verbindung mit anderen äthiopischen Kraftwerken hat sich die installierte Stromerzeugungskapazität des Landes nach der Inbetriebnahme von GERD auf 5,3 Gigawatt erhöht, wobei 92 Prozent aus Wasserkraft stammen. Sobald GERD vollständig fertiggestellt ist, wird sich Äthiopiens Kapazität verdoppeln, meint ein Vertreter des staatlichen Energieunternehmens Ethiopian Electric Power (EEP).

Um die ganze Bevölkerung und andere Länder mit Strom zu versorgen, ist jedoch noch der Ausbau der Infrastruktur zu den Verbraucherzentren wie Addis Abeba und der sudanesischen Hauptstadt Khartum erforderlich. Trotz der Bemühungen lebt fast die Hälfte der äthiopischen Bevölkerung noch heute ohne Zugang zu Strom. Gleichzeitig musste Äthiopien einige Kredit- bzw. Zinsrückzahlungen aussetzen und befindet sich deshalb in Verhandlungen mit dem Internationalen Währungsfonds bezüglich eines Rettungspakets. Äthiopien braucht frisches Geld aus dem Ausland.

Bitcoin-Mining in Äthiopien – Der Plan der chinesischen Regierung?

Seit dem Frühjahr 2023 tauchten vermehrt Frachtcontainer mit ASIC-Minern in der Nähe der Umspannwerke auf, die mit dem GERD-Wasserkraftwerk verbunden sind. In Äthiopien ist zwar der Handel mit Kryptowährungen verboten, doch die Regierung hat seit 2022 das Bitcoin-Mining erlaubt, Richtlinien zur Regulierung „kryptographischer Produkte“ einschließlich des Minings eingeführt und gleichzeitig die Beziehungen zu China verstärkt.

China ist der größte bilaterale Kreditgeber und eine wichtige Quelle für Direktinvestitionen in Äthiopien. Gemäß den Angaben des äthiopischen Finanzministers hat China zwischen 2006 und 2018 Kredite im Wert von circa 15 Milliarden US-Dollar für 70 große Projekte in Äthiopien vergeben. Zudem wurde im letzten Jahr die Beziehung der beiden Länder weiter intensiviert. Dies verstärkt den Einfluss chinesischer Unternehmen in Äthiopien sowie das Vertrauen in die geopolitische Unterstützung durch China. Äthiopien ist zu einem der weltweit führenden Empfänger von ASIC-Minern aus China geworden und wird unter anderem von Luxor Technology beliefert. Ein großes 120-Megawatt-Rechenzentrum für Mining-Equipment wurde bereits in Addis Abeba von dem Unternehmen BWP eröffnet.

Zudem hat die signifikant erhöhte Stromkapazität durch den Betriebsstart von GERD dazu geführt, dass das staatliche Energieunternehmen EEP, das das Strommonopol besitzt, 21 Bitcoin-Mining-Unternehmen, von denen 19 aus China stammen, international konkurrenzfähige Stromverträge anbieten konnte. Die Unternehmen zahlten mit den benötigten ausländischen Devisen und erhielten dafür nachhaltigen Strom für 3,14 US-Cent pro Kilowattstunde. Dies entspricht ungefähr den durchschnittlichen texanischen Strompreisen, jedoch mit weniger Preisschwankungen, was die Gewinne vorhersehbarer macht. Außerdem verspricht der Direktor von EEP, Hiwot Eshetu, eine weitere Reduzierung der Stromkosten, sobald eine direkte Verbindung zu den Kraftwerken hergestellt ist.

Die Durchschnittstemperaturen in Äthiopien liegen je nach Monat zwischen 22 und 25 Grad Celsius. Es herrschen somit gute Bedingungen für die Mining-Hardware und sogar bessere als im Staat Texas in den USA – dem Land, an das China die Dominanz beim Bitcoin-Mining im Jahr 2021 abgegeben hatte.

Somit könnte Äthiopien aufgrund seiner idealen klimatischen Bedingungen und der Kapazität zur günstigen Stromerzeugung bald eine ernsthafte Konkurrenz für Texas als Standort für das Bitcoin-Mining werden. Und die chinesischen Mining-Unternehmen erhoffen sich durch die Mining-Anlage in Äthiopien eine konkurrenzfähige Wiederbelebung ihres Geschäfts. Sie stellen sich mit der Unterstützung der chinesischen und äthiopischen Regierung in Äthiopien neu auf. China konnte sich trotz des nationalen Mining-Verbots in relativ kurzer Zeit zwar wieder hinter den USA auf Platz 2 einreihen, doch nun könnte mit einer äthiopisch-chinesischen Kooperation die Dominanz zurückgewonnen werden.

Äthiopien wird zu einem der beliebtesten Standorte für chinesische Mining-Unternehmen werden.
Nuo Xu, Gründer des chinesischen Mining-Verbands

Zwischen Wirtschaftlichkeit und sozialen Spannungen

Die äthiopische Regierung erhofft sich, durch die Unterstützung der Mining-Industrie mehr von den dringend benötigten Devisen einzunehmen. Zudem könnte die strategische Positionierung Äthiopiens in der digitalen Wirtschaft das Land nicht nur als Energiehub, sondern auch als Vorreiter in der Blockchain-Technologie und als führender Standort der Mining-Industrie etablieren.

Dennoch bleibt das Mining ein kontroverses Thema, das zu sozialen und politischen Spannungen führen könnte. Die Geschichte hat gezeigt, dass Länder (wie Kasachstan und Iran), die das Bitcoin-Mining zunächst begrüßen, ihre Haltung ändern können, wenn der Sektor zu groß wird oder soziale Unruhen provoziert. Deshalb ist noch eine gewisse Vorsicht bei den äthiopischen Beamten zu spüren, die sich später vielleicht auch noch gegen den hohen Stromverbrauch der Mining-Unternehmen aussprechen könnten, insbesondere angesichts des fehlenden Zugangs zu Strom bei einem Großteil der Bevölkerung. Das Bitcoin-Mining ist mit dieser Kontroverse verbunden und somit eine kalkulierte Wette, die sowohl wirtschaftliche Vorteile als auch soziale Herausforderungen mit sich bringt. Dabei muss ein Gleichgewicht zwischen Energieverbrauch, wirtschaftlicher Entwicklung und sozialer Gerechtigkeit gefunden werden. Andernfalls ist die Zukunft des Bitcoin-Minings in Äthiopien noch nicht gesichert.

Andere Beispiele in Afrika, wie in Malawi, zeigen jedoch, dass das Bitcoin-Mining die soziale Gerechtigkeit und den Lebensstandard von Menschen mehr als verbessern kann. Unternehmen wie Gridless können dabei helfen, kleine nachhaltige Stromnetze mit Hilfe von Bitcoin-Mining zu errichten und Zugang zu Strom zu bieten. Dazu müsste sich Äthiopien vermutlich aber von dem Strommonopol verabschieden und sich solchen Alternativen öffnen.

Der Einfluss von China in Afrika

Der Direktor des Energieunternehmens EEP hat zudem mitgeteilt, dass die Zulassung neuer Mining-Unternehmen ein gut überwachter Prozess sei, der derzeit pausiert wurde. Doch aufgrund der geopolitischen Stellung von China haben sich einige chinesische Unternehmen getraut, sich als Agrarbetriebe oder bestimmte Fabriken auszugeben, um Strom für das Bitcoin-Mining zu beziehen, trotz fehlender offizieller Genehmigung. Mit harten Konsequenzen haben sie anscheinend nicht gerechnet, was sich letztlich auch bestätigt hat.

Man könnte sich die Frage stellen, ob die chinesische Regierung bei der äthiopischen Krypto-Mining-Regulierung oder der Festsetzung der Strompreise für nahezu exklusiv chinesische Unternehmen mitgewirkt hat. So könnte man durchaus behaupten, dass das gute geopolitische Verhältnis bzw. die Partnerschaft der beiden Länder die Präsenz chinesischer Miner in Äthiopien unterstützt hat. Diese Unternehmen investieren in die äthiopische Infrastruktur und nutzen dafür eines der weltweit günstigsten Stromangebote sowie das kühle Klima Äthiopiens für das Bitcoin-Mining als eine Quelle für Bitcoin und vermutlich auch für die Rückgewinnung der Dominanz über das Bitcoin-Netzwerk. Zusätzlich wird die Einflusssphäre des chinesischen Yuan (Renminbi) erweitert, dessen digitale Form mit einigen Hintertüren für die Regierung versehen wurde.

Der Status von China in Afrika hat letztlich dazu geführt, dass die chinesischen Bitcoin-Miner nun auch andere afrikanische Länder wie Angola und Nigeria für ihre Mining-Operationen in Betracht ziehen, wodurch sich die globale Mining-Landschaft weiter verschiebt.

Die chinesischen Miner haben keine Probleme, Anlagen in Afrika zu errichten. Es ist wie eine weitere chinesische Provinz.
Nuo Xu, Gründer des chinesischen Mining-Verbands 

Fazit

China hat Äthiopien mit Arbeitskraft und Geld unter anderem beim Bau des größten afrikanischen Wasserkraftwerks geholfen und so die Beziehungen zwischen den beiden Ländern gefestigt.

Äthiopien bietet fast ausschließlich chinesischen Bitcoin-Mining-Unternehmen die Möglichkeit, ihr Geschäft konkurrenzfähig und unabhängig vom Verbot in China mit der günstigen, erneuerbaren Energie und den idealen Bedingungen in Äthiopien zu reaktivieren. Im Gegenzug bezahlt China für die Energie mit Devisen, die Äthiopien dringend benötigt.

Chinas geopolitisches Engagement dient scheinbar nicht nur dazu, die Einflusssphären des digitalen Yuan (auch als Kontrollinstrument) zu erweitern, sondern auch beim Rennen um das seltenste Gut, Bitcoin, nicht abgehängt zu werden. China hat sich in Äthiopien einen neuen Standort mit günstigem Strom, freundlicher Regulierung und klimatisch wie politisch attraktiven Umfeld geschaffen, um die eigenen Mining-Aktivitäten zu fördern und vermutlich auch die Hashrate-Dominanz zurückzugewinnen, ohne das Verbot von Bitcoin im eigenen Festland aufgeben zu müssen.

Gleichzeitig hat sich Äthiopien durch die strategische Nutzung seiner erneuerbaren Energiequellen und die Schaffung idealer Betriebsbedingungen für Mining-Unternehmen als attraktive Alternative zu den etablierten Mining-Standorten wie Texas entwickelt. Mit der Partnerschaft mit China kann das Land ein zentraler Akteur in der Welt der digitalen Währung werden. Dazu müssen jedoch auch die sozialen Herausforderungen überwunden werden, wie zum Beispiel den Zugang zu Strom für die äthiopische Bevölkerung. Die Zukunft wird zeigen, ob Äthiopien sich als dauerhaftes Zentrum für das Bitcoin-Mining etablieren kann oder ob die Herausforderungen letztendlich überwiegen werden.

Die äthiopisch-chinesische Kooperation belebt die Konkurrenz in der Mining-Branche und führt zu einer stetig wachsenden Hashrate. Dies ist natürlich gut für das Bitcoin-Netzwerk, da mehr Hashrate zu mehr Sicherheit, Nachfrage, steigendem Bitcoin-Preis und schließlich mehr Minern führt, die den Kreislauf weiter positiv beeinflussen.

Wenn auch andere Länder die ökonomischen, ökologischen oder sozialen Vorteile von Bitcoin erkennen, können sie durch die Integration von Bitcoin-Mining in ihre Politik zu einer weiteren Dezentralisierung des Bitcoin-Minings beitragen und die Hashrate-Dominanz einiger Länder verringern.