In den letzten Jahren hat sich El Salvador, das erste Land, das Bitcoin als gesetzliches Zahlungsmittel eingeführt hat, zu einem faszinierenden Fallbeispiel in Sachen Kriminalitätsbekämpfung entwickelt. Unter der Führung von damaligen Präsident Nayib Bukele, der im Jahr 2019 sein Amt antrat und dieses vor kurzem niedergelegt hat, hat das Land eine bemerkenswerte Transformation durchlaufen. Von einem der gefährlichsten Orte der Welt hat es sich zu einem der sichersten Länder im westlichen Halbkreis entwickelt. Das Forschungs- und Statistikportal Latinometrics beschäftigt sich mit der Visualisierung und Datenaufbereitung im Hinblick auf lateinamerikanische Länder. In einem aktuellen Bericht setzt Latinometrics die Kriminalitätszahlen El Salvadors in einen interessanten Kontrast zu denen der Vereinigten Staaten und anderen Ländern.

Die Wende in El Salvador

Die Strategie von Präsident Bukele, bekannt als "mano dura" ("harte Hand"), zielte darauf ab, die Gangkriminalität und Gewalt im Land rigoros zu bekämpfen. Diese Politik, die in der Ausrufung des Ausnahmezustandes im März 2022 gipfelte, führte zu einem drastischen Anstieg der Inhaftierungen. Die Gefängnisbevölkerung in El Salvador hat sich in nur wenigen Jahren mehr als verdreifacht, was zu der höchsten Inhaftierungsrate weltweit führte. Mit ca. 1.600 Gefängnisinsassen pro 100.000 Einwohner ist diese sogar in etwa doppelt so hoch wie die des Zweitplatzierten, Kuba. Trotz Bedenken hinsichtlich der Menschenrechte und möglicher unrechtmäßiger Inhaftierungen, kann allerdings nicht geleugnet werden, dass durch diese drastische Maßnahme die Kriminalitätsraten, insbesondere die Mordrate, signifikant gesunken sind.

El Salvador hat die höchste INhafteirungsquote weltweit.

Viele der inhaftierten Personen warten auf ein ordnungsgemäßes Gerichtsverfahren und wurden wegen des Verdachts auf Bandenmitgliedschaft festgenommen. Statistisch gesehen bedeutet dies, dass mit ziemlicher Sicherheit zumindest einige Fälle von unschuldigen Personen im Gefängnis sitzen. [Aber] es ist schwer, gegen die Mano-dura-Politik zu argumentieren, denn sie bedeutet, dass jedes Jahr Tausende von Menschenleben weniger der Gewalt zum Opfer fallen. Allerdings wird sich erst mit der Zeit zeigen, welche langfristigen Auswirkungen Bukele mit seiner effektiven, aber zunehmend autoritären Taktik hat.

Latinometrics

Vergleich mit den USA

Im Kontrast zu den Zahlen aus El Salvador stehen die Vereinigten Staaten von Amerika, die trotz ihres mutmaßlich fortgeschrittenen Rechtssystems und umfangreicher Ressourcen zur Kriminalitätsbekämpfung, weiterhin mit hohen Kriminalitätsraten konfrontiert sind. Die USA haben zwar eine der höchsten Inhaftierungsraten der Welt, aber im Gegensatz zu El Salvador hat dies nicht zu einer vergleichbaren Reduzierung der schweren Kriminalität geführt. Während El Salvador allerdings einen sehr direkten und harten Ansatz verfolgt, der schnelle Ergebnisse gezeigt hat, arbeiten die USA mit einem komplexeren System, das auf langfristige Reformen und soziale Programme setzt.

Welche der beiden Vorgehensweisen auch langfristig besser fruchtet, wird sich noch zeigen müssen. Die starke Hand von Nayib Bukele wird insbesondere in den westlichen Medien oft nur als Symptombekämpfung kritisiert. Ob er Gangkriminalität auf diese Weise wirklich langfristig aus dem Land verbannen kann, steht in den Sternen. Gleichwohl ist es zweifelsohne eine beeindruckende Momentaufnahme, dass El Salvador mittlerweile das zweitsicherste Land der westlichen Hemisphäre ist – direkt hinter Kanada.

Die Frage, inwieweit die Verbesserung der Sicherheitslage in El Salvador direkt respektive allein auf Präsident Nayib Bukeles Politik zurückzuführen ist, bleibt allerdings ein zentraler Diskussionspunkt. Erste Trends waren nämlich bereits vor seiner Amtseinführung im Jahr 2019 zu erkennen.

Es ist verlockend, Bukele die ganze Anerkennung zukommen zu lassen, doch wie unsere Grafik zeigt, begann der rückläufige Trend bereits vor seinem Amtsantritt 2019. Mit seinem aggressiven Vorgehen hat er El Salvador aber zweifellos ins Ziel gebracht und dazu beigetragen, ein Land, das einst von Morden heimgesucht wurde, in ein Land zu verwandeln, das genauso sicher oder sicherer ist als einige der führenden Volkswirtschaften der Welt.

Latinometrics

Bitcoin als Wirtschaftsfaktor

Die langfristige Kontrolle der Kriminalität in El Salvador erfordert mehr als nur strenge Sicherheitsmaßnahmen; sie benötigt auch wirtschaftliche Perspektiven für die Bevölkerung. Ein Bericht der Santander-Bank vom September 2023, über den auch Blocktrainer.de berichtete, hebt hervor, wie El Salvador durch die Kombination aus sinkender Kriminalität und der Einführung von Bitcoin als Wirtschaftsfaktor sein Investitions- und Tourismuspotenzial steigern konnte. Diese Entwicklung bietet den Menschen in El Salvador neue Hoffnung und Perspektiven.

Die verbesserte Sicherheitslage hat insbesondere bei US-Touristen zu einem Anstieg der Beliebtheit El Salvadors geführt. Die offiziellen Tourismusdaten bis Juni 2023 zeigen einen deutlichen Anstieg, vor allem aus den USA. Dies wird zwar noch nicht als transformativ betrachtet, stellt aber ein positives Wachstumspotenzial dar. Die Santander Bank sieht dieses alternative Wachstumsmodell als mittelfristig tragfähig an, vorausgesetzt, El Salvador kann kurzfristige Finanzierungen sichern.

Die deutlich niedrigere Mordrate zieht nicht nur Touristen an, sondern ermöglicht auch die Rückkehr von Auslands-Salvadorianern, was zu einer Welle der Rückwanderung und potenziell höheren Direktinvestitionen führt. Diese Entwicklung könnte auch den Migrationsdruck auf die USA verringern.

Zudem verlassen weniger Salvadorianer ihr Heimatland; die Zahl der Aufgriffe an der US-Grenze ist 2023 im Vergleich zum Vorjahr um 37 % zurückgegangen. Dieser Rückgang erfolgte trotz eines Rekordhochs bei den Aufgriffen von Migranten insgesamt.

Latinometrics

Der Bericht der Santander Bank spricht auch von sogenannten „Bitcoin-Touristen“, die insbesondere aufgrund der regionalen Nähe und der vollständigen Dollarisierung El Salvadors oft aus den USA kommen. Die Einführung von Bitcoin als gesetzliches Zahlungsmittel hat weltweite Aufmerksamkeit erregt und ein neues Segment von Touristen angezogen, die an den Möglichkeiten interessiert sind, die die Nutzung von Bitcoin im täglichen Leben bietet. Dies hat zur Diversifizierung des Tourismussektors und zur Steigerung der wirtschaftlichen Aktivität beigetragen.

Die Tourismuseinnahmen haben sich laut des Santander-Berichts im ersten Quartal 2023 fast verdoppelt und machen nun bereits mehr als 10% des Bruttoinlandsprodukts aus. Die Wirtschaftsaktivität hat im zweiten Quartal 2023 auf 4% im Jahresvergleich zugelegt. Diese Entwicklungen bestätigen die strukturelle Übergewichtung des Tourismuspotenzials und bieten eine solide Grundlage für nachhaltiges Wirtschaftswachstum in El Salvador.


Kritik an Bukeles Vorgehensweise

Die rigorose "mano dura"-Politik von Präsident Nayib Bukele in El Salvador hat insbesondere in der westlichen Welt und den Industriestaaten heftige Kritik hervorgerufen. Bukele wird oft als autoritärer Diktator dargestellt, dem vorgeworfen wird, skrupellos und ohne angemessene rechtliche Grundlage unschuldige Menschen zu inhaftieren. Diese Kritik spiegelt – oft auch heuchlerisch – eine tiefe Besorgnis über die Achtung der Menschenrechte und rechtsstaatliche Prinzipien wider.

Von der relativen Sicherheit und Stabilität der westlichen Länder aus erscheint es einfach, ein Urteil über Bukeles Methoden zu fällen. Doch um die Situation in El Salvador vollständig zu verstehen, muss man auch die Perspektive der dortigen Bevölkerung betrachten. Jahrzehntelang litten die Menschen in El Salvador unter extremer Kriminalität. Morde, Vergewaltigungen, Raubüberfälle und andere Gewalttaten waren an der Tagesordnung und schränkten die Freiheit der Bevölkerung massiv ein. Die Vorstellung von diesem täglichen Leid ist für Menschen in sichereren Ländern kaum nachvollziehbar.

Angesichts des Versagens früherer Regierungen, die Kriminalität wirksam einzudämmen, erscheint es nachvollziehbar, dass ein Anführer wie Bukele mit einer harten Hand und entschlossenen Maßnahmen auftritt, um dem ein Ende zu setzen. Die Unterstützung, die Bukele von einem großen Teil der salvadorianischen Bevölkerung erhält, deutet darauf hin, dass viele Menschen die Hoffnung auf ein Leben in Sicherheit und Freiheit höher bewerten als die potenziellen Risiken seiner Politik.

Ob das Wohl der vielen Menschen, die nun ein freieres und sichereres Leben genießen können, schwerer wiegt als das Schicksal der möglicherweise unschuldig Inhaftierten, ist eine tiefgründige ethische und philosophische Fragestellung. Es ist eine Abwägung zwischen Sicherheit und Freiheit, zwischen kollektivem Wohl und individuellen Rechten. Diese Frage lässt sich nicht leicht beantworten und wir möchten hier kein abschließendes Urteil fällen. Es bleibt eine komplexe Debatte, die sowohl die schwierigen Realitäten in Ländern wie El Salvador als auch die grundlegenden Prinzipien der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit berücksichtigen muss.