Foto: BaFin/Matthias Sandmann

In einem umfangreichen Interview mit der ZEIT hat Mark Branson, der Vorsitzende der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), seine Einschätzungen zu Bitcoin und dem Krypto-Markt im Allgemeinen gegeben. Dabei äußerte er sich weitestgehend kritisch und warnte unter anderem vor den möglicherweise bald in den USA erscheinenden Bitcoin-ETFs! Er verstrickte sich in dem Gespräch jedoch auch in viele Vorurteile, die insbesondere Bitcoin nicht gerecht werden.

Kein intrinsischer Wert

Direkt zu Beginn des Gesprächs erklärte der gebürtige Brite, dass er selbst nicht in Anlageklassen investieren darf, die durch die BaFin beaufsichtigt werden und er aus diesem Grund auch weder Bitcoin noch irgendeine andere Kryptowährung besitzt. Auf Nachfrage durch ZEIT-Reporter Jens Tönnesmann, ob er denn gerne investieren würde, erklärte Branson, dass er persönlich kein Interesse an Bitcoin oder ähnlichen digitalen Werten habe, da diese "hochspekulativ" seien. Bitcoin habe zwar eine gewisse Knappheit, erkannte er an, aber "keinen intrinsischen Wert", wie etwa Aktien, die bekanntermaßen Unternehmensbeteiligungen darstellen.

Er erklärte sogar, dass "sein Wert" (also der des Bitcoin) subjektiv ist und sich danach richtet, was Menschen dafür bereit sind zu zahlen. Dabei übersieht der deutsche Chef-Regulierer jedoch völlig, dass jeglicher Wert subjektiv ist. Auch Aktien haben nur den Wert, der ihnen durch den Handel verschiedener Personen zugeschrieben wird. Das Konzept des intrinsischen und objektiv messbaren Wertes gilt durchaus als umstritten und insbesondere die Denkschule der Österreichischen Nationalökonomie erklärt dieses als hinfällig.

Gemäß der Österreichischen Schule gibt es keinen objektiv messbaren Wert eines Gutes. Laut Carl Mengers Theorie des subjektiven Wertes leitet sich der Wert eines Gutes vom Grenznutzen des Ziels ab, dem es dienen soll.

Der Wert eines Gutes oder einer Dienstleistung ist also kein objektiver Wert, sondern das Resultat eines subjektiven Evaluierungsprozesses.

Austrian Economics Analytics OG

Der Wert eines Gutes hängt also im Wesentlichen von dessen Nutzen ab. Und genau diesen scheint Branson in Bitcoin im Gegensatz zu vielen anderen Menschen (noch) nicht zu erkennen.

Kriminelle und Terroristen

"Es gibt auch Menschen, die sagen: Mit dem Bitcoin ist es leichter möglich, Oppositionsarbeit in autoritären Regimen oder humanitäre Hilfe in Krisengebieten zu finanzieren. Unterschätzen Sie diesen Nutzen?", fragte Tönnesmann den BaFin-Chef. Dieser erklärte daraufhin, dass es in der Tat ein Marktversagen darstellt, dass Geldtransfers in solche Länder über die traditionellen Wege oft zu teuer sind. Aber auch Kryptowährungen erachtet er in diesem Zusammenhang nicht für sinnvoll, denn diese würden andere Probleme mit sich bringen und zum Beispiel die Kriminalität fördern.

Gerade weil Bitcoin und andere Kryptowährungen sich anonym transferieren lassen, sind sie besonders attraktiv für die organisierte Kriminalität oder die Terrorfinanzierung. Wenn Hackergruppen Unternehmen angreifen, Daten erbeuten und Server verschlüsseln, verlangen sie das Lösegeld in aller Regel in Bitcoin oder anderen Kryptowerten. Nicht ohne Grund.

Mark Branson, BaFin

Dass sämtliche Statistiken und Untersuchungen zur Kriminalität im Kryptobereich etwas völlig anderes belegen, ignoriert er dabei gekonnt. Das gesamte Transaktionsvolumen im Krypto-Markt, das mit illegalen Aktivitäten in Verbindung gebracht wird, beläuft sich z.B. laut des Analyse-Unternehmens Chainalysis auf lediglich 0,24% (im Jahr 2022). Die von Branson angesprochene Terrorismusfinanzierung macht selbst davon wiederum nur einen sehr kleinen Teil aus. Und insbesondere die transparenten Eigenschaften, die Bitcoin mit sich bringt, sorgen dafür, dass BTC nur sehr selten ein Mittel der Wahl für kriminelle Geschäfte ist.

Terrorfinanzierung spielt kaum eine Rolle.
Quelle: Crypto Crime Report 2023
Terrorfinanzierung ging stark zurück.
Quelle: Crypto Crime Report 2023

Warnung vor Bitcoin-ETF

Auch vor den möglicherweise bald handelbaren Bitcoin-ETFs in den USA warnte der BaFin-Boss. Zwar würde ein solches Investmentvehikel Bitcoin grundsätzlich salonfähiger machen, erklärte er, jedoch nichts an seinem hochspekulativem Charakter verändern. "Ein solcher ETF, der nur Bitcoin enthält, wäre hierzulande nicht zulässig", machte Branson deutlich.

Was in den USA im Einzelfall passiert, kann ich nicht kommentieren. Aber grundsätzlich würde ein solcher ETF den Bitcoin salonfähiger machen und ihm damit eine Art Heiligenschein verleihen. Aber jeder Anleger sollte wissen: Wenn man etwas Hochspekulatives wie den Bitcoin in einem ETF verpackt, dann ist dieser ETF genauso hochspekulativ. Das Risiko bleibt, man hat nur einen anderen Zugang dazu.

Mark Branson, BaFin

Was er dabei übersieht, aber eigentlich wissen sollte, ist, dass es ein ähnliches Produkt in Deutschland bereits gibt. Zwar nicht als ETF (Exchange Traded Fund) betitelt, da diese in DE tatsächlich aus mehreren Assets zusammengesetzt sein müssen, sondern als ETN (Exchange Traded Note). An der Börse Frankfurt wird beispielsweise der ETC Group Physical Bitcoin ETN gehandelt, der in gewisser Weise vergleichbar mit dem Pendant des US-amerikanischen "Spot Bitcoin-ETF" ist.

Forderung nach mehr Regulierung

In diesem Zusammenhang unterstreicht der Brite schließlich auch die Notwendigkeit einer verstärkten Regulierung im Kryptobereich, insbesondere im Hinblick auf die EU-Verordnung über Märkte für Kryptowerte (MiCAR). Diese zielt darauf ab, einheitliche Regelungen für den Umgang mit Kryptowährungen in der EU zu schaffen und soll sowohl Klarheit als auch Sicherheit für Anleger, aber gleichsam Unternehmen bieten.

Ich bin mit [dem] Wunsch [nach strengerer Regulierung] ja nicht allein. Ziel ist es unter anderem, Verbraucher besser zu schützen, Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zu bekämpfen und zukünftige Stabilitätsrisiken zu verhindern. Jetzt ist es an den einzelnen Staaten, die Vorschläge umzusetzen. Manche tun sich damit noch schwer – etwa die USA. In der EU gibt es die Verordnung über Märkte für Kryptowerte (MiCAR), die nun nach und nach in Kraft tritt und Kryptomärkte reguliert.

Mark Branson, BaFin

Obwohl er die MiCA-Verordnung lobt, sieht Branson noch einige gravierende Lücken, die es zu schließen gilt. Insbesondere, weil sich die Märkte in den vergangenen Jahren sehr rasant entwickelt haben, gibt es einige Felder, die von den neuen Gesetzen und Vorschriften noch nicht abgedeckt werden.

Viele Kryptoplattformen trennen verschiedene Aktivitäten nicht voneinander. Das war zum Beispiel bei FTX ein großes Problem: Da hat der Gründer die Kundengelder auf seiner Handelsplattform einfach in anderen Teilen seines Imperiums eingesetzt, wie wir jetzt wissen. Das wäre im regulierten Bereich unerlaubt. Außerdem greift MiCAR nicht, wenn es um Geschäfte geht, mit denen Anleger ihre Kryptowährungen für sich arbeiten lassen wollen [wie z.B.] das sogenannte Lending, bei dem man seine Krypto-Einlagen gegen Zinsen verleiht. Oder das Staking, bei dem man sie Drittparteien gegen eine Art Belohnung zur Verfügung stellt. Das kann ziemlich nach hinten losgehen, da sollte die Regulierung nachziehen.

Mark Branson, BaFin

Ausblick

Abschließend lässt sich feststellen, dass Branson, in seinem Interview nicht nur Lücken in der MiCA-Verordnung hervorgehoben hat, sondern auch eigene Verständnislücken bezüglich Bitcoin offenbarte. Seine teilweise einseitigen und kritischen Ansichten spiegeln in keiner Weise die Komplexität und das Potenzial und die Innovation wider, die BTC und gegebenenfalls der Krypto-Markt mit sich bringen. Es wird in Zukunft entscheidend sein, dass führende Regulierungsbehörden in der EU ein tiefgreifendes und ausgewogenes Verständnis von Kryptowährungen entwickeln, um effektive und zukunftsfähige Rahmenbedingungen zu schaffen. Denn – das merkte der Interviewer Tönnesmann ebenfalls im Laufe des Gesprächs an – "in den USA ist man schneller."