Die Tochtergesellschaft von Block Inc., TBD, unter der Leitung des ehemaligen Twitter CEOs Jack Dorsey kündigte gestern das sogenannte "Web5" an. Dabei soll es sich um eine dezentrale Webplattform handeln, die vollständig auf dem Bitcoin-Netzwerk basiert. Nutzer hätten damit die Möglichkeit, im Internet ihre Daten und Identität selbst zu verwalten.

Was ist das Web5?

Das Web5 ist eine Kombination aus den Vorteilen des Web2 und Web3 (2+3=5). Das Web5 basiert auf der Annahme, dass das Web3, die Idee, ein dezentrales Web mithilfe der Blockchain-Technologie aufzubauen, die richtige Absicht verfolgt, allerdings die falschen Werkzeuge dafür benutzt. Jack Dorsey äußerte in der Vergangenheit bereits seine Kritik am Web3 und monierte, dass dieses primär den Interessen der Risikokapitalgeber dienen würde.

Das aktuelle Web2, bestehend aus zentralen Plattformen, ist der dominierende Standard des Webs. Daten und Algorithmen spielen eine immer größere Rolle in unserem Leben. Schon jetzt werden Daten als "das Öl des 21. Jahrhunderts" bezeichnet. Die hohe Nachfrage nach Daten führt unweigerlich zu einer Zentralisierung der Plattformen. Immer häufiger auftretende Datenskandale zeigen, dass frühere Prinzipien des Internets wie Datenschutz und die Anonymität der Nutzer eine immer kleinere Rolle für diese Unternehmen spielen.

TBD versucht dafür eine Lösung zu finden. Im derzeitigen Web2 besitzen die Nutzer keine Möglichkeit, ihre Daten selbst zu verwalten und sind damit abhängig von den Plattformen. Im Web5 sollen die Nutzer mithilfe von dezentralen Anwendungen ihre Daten selbst verwalten können. Die Definition des Web5 von TBD lautet:

„Die dezentrale Webplattform (DWP) ermöglicht es Entwickler, dezentrale Web Apps (DWAs) unter der Verwendung von dezentralen Identifiers (DIDs) und dezentralen Web Nodes (DWNs) zu schreiben, wodurch das Eigentum und die Kontrolle über Identität und Daten an Einzelpersonen zurückgegeben wird.“

TBD

Der Aufbau des Web5

Das Web5 von TBD wird aus drei verschiedenen Einheiten bestehen:

  • Dezentrale Identifiers (DIDs)
  • Verifiable Credentials (VCs)
  • Dezentrale Web Nodes (DWNs)

Die DID-Komponente von Web5 nutzt ION, eine Second-Layer Schicht des Bitcoin-Netzwerkes. ION basiert auf dem deterministischen Sidetree-Protokoll, das keine speziellen Token, vertrauenswürdige Validatoren oder zusätzliche Konsensmechanismen benötigt.

Der DID ist im Wesentlichen ein globaler und eindeutiger Verifier, der keine zentrale Registrierungsstelle benötigt. Ein DID besteht aus einer eindeutigen Uniform Resource Identifier (URI), die als ID mit weiteren PKW-Werten (Public Key Infrastructure) dient. Die ID beinhaltet weitere kryptografische Schlüssel und andere grundlegende PKI-Werte, die zur eindeutigen Identifizierung notwendig sind. Diese ID wird anschließend mit einem bestimmten Zielsystem verknüpft, im Falle des Web5 mit der Bitcoin-Blockchain.

ION erlaubt nur die Deaktivierung von DIDs durch ihre Besitzer und ist daher zensurresistent. Gleichzeitig besitzt ION Registrierungsfunktionen zur Unterstützung von dezentralen Anwendungen. Das Netzwerk ION kann theoretisch Tausende von DID-Operationen pro Sekunde verarbeiten.

Die zweite Einheit des Web5 sind die Verifiable Credentials, sog. verifizierbare digitale Nachweise. Diese können in verschiedenen Bereichen verwendet werden und sollen die Echtheit und Integrität ausgestellter Dokumente verifizieren.

Eine Anwendung könnte hier nach TBD die Herausgabe einer Kreditkarte sein. Die Bank gibt die Karte aus und erzeugt mit ihrer digitalen Signatur einen verifizierbaren digitalen Nachweis. Daraufhin wird der DID und der öffentliche Schlüssel im ION-Netzwerk gespeichert. Wenn der Nutzer seine Karte verwenden möchte, kann mithilfe der Signatur des Nutzers und den Daten des ION-Netzwerkes die Validität der Kartenzahlung überprüft werden.

Die dezentralen Web Nodes (DWNs) des Web5 sind eine Referenzimplementierung eines Entwurfs von Moe Jangda und Daniel Buchner. TBD plant die erste vollständige Referenzimplementierung bis zum 1. Juli. Ein DWNs ist ein Mechanismus zur Datenspeicherung und Nachrichtenübertragung, den die Teilnehmer nutzen können, um öffentliche oder private Daten zu lokalisieren, die mit einer bestimmten DID verknüpft sind. Eine dezentrale Web Node ermöglicht somit die Interaktion zwischen verschiedenen Entitäten des Netzwerkes.

Dezentrale Web Nodes sind eine netzartige Datenspeicherkonstruktion, die es einer Entität ermöglicht, mehrere Knoten zu betreiben, die einander denselben Zustand synchronisieren, sodass die Eigentümer ihre Daten sichern, verwalten und mit anderen austauschen können, ohne auf Standort oder Anbieter angewiesen zu sein.“

Jangda, Buchner

Aufbau einer Web Node. Quelle: DIF

Die Entwicklung von dezentralen Web Apps

TBD will Internet-Anwendungen fundamental ändern. Die Entwicklung von Progressive Web Apps (PWA) wird mit der steigenden Zahl der Smartphone-Nutzer immer wichtiger. PWAs können als eine Symbiose zwischen einer normalen Website und einer App verstanden werden.

TBD möchte PWAs umgestalten. Aktuell benutzen PWAs einen zentralen Service Worker, der mittels JavaScript einen Proxy zwischen Webbrowser und Server bereitstellt. Mithilfe des Web5 sollen PWAs dezentralisiert werden, indem der Service Worker die TBD Infrastruktur benutzt. Die Daten werden nicht mehr zentral auf einem App-Server gespeichert, sondern dezentral auf der Web Node. TBD nennt diese Anwendungen dezentrale Web Apps (DWAs).

Von PWA zu DWA. Quelle: TBD

Only Bitcoin!

Vergangene Web3 Anwendungen nutzten oftmals ihren eigenen Token für die Implementierung und besaßen somit ein großes finanzielles Interesse für eine positive Kursentwicklung des Tokens. TBD bestätigt bereits, dass es keine Token geben wird, in die investiert werden kann. Web5 ist Bitcoin.

„Lassen Sie mich das gleich klarstellen, alle: Nein. Es gibt keine Token, in die man bei web5 investieren kann.“

Das Web5 wird nur auf dem Bitcoin-Protokoll basieren. Jack Dorsey merkte in der Vergangenheit bereits an, dass alternative Web3 Plattformen wie Ethereum und Solana aufgrund ihrer Zentralisierung einen Single Point of Failure besitzen. Bitcoin als einziges vollständiges dezentrales Netzwerk besitzt diesen nicht.

TBD hat dies erkannt und setzt deshalb auf Bitcoin. Für Unternehmen, die an einem langfristigen Bestehen interessiert sind, ist dies eine logische Entscheidung. Zwar ist das Bitcoin-Protokoll in seiner Natur limitierender als z. B. Ethereum, allerdings bietet es die nötige Sicherheit, die Unternehmen benötigen. Man kann sehr gespannt sein, wie sich das Projekt Web5 entwickeln wird und ob es wirklich die Vorteile bringt, die das Web3 schon lange verspricht.