Die Firma Galoy Inc., deren Open-Source-Banking-Plattform, das Bitcoin Beach Wallet in El Salvador, die Bitcoin Jungle App in Costa Rica und das bald erscheinende Guatt Wallet in Panama betreibt, hat sich zur Aufgabe gemacht, Menschen, die ihren Alltag mit Bitcoin bestreiten und davon leben, eine stressfreie Benutzung des Bitcoin- und Lightning Netzwerks zu ermöglichen. Mit Galoys neuem Produkt "Stablesats" kann das Lightning Netzwerk fortan auch für USD-Zahlungen verwendet werden und somit ohne den kurzfristigen Wechselkursschwankungen von BTC ausgesetzt zu sein.

Stablesats

Ein Problem, das für Menschen in einer auf Bitcoin basierenden Wirtschaft wie z.B. in El Salvador weiterhin besteht, ist die kurzfristige Volatilität des Bitcoin-Kurses. Wenn der Bitcoin-Kurs fällt, kann dies die Kaufkraft von Sats (der kleinsten Einheit von BTC) mindern und es schwieriger machen, für Waren und Dienstleistungen zum Dollarpreis zu bezahlen. Dies schafft Spannungen und Unsicherheiten, so dass Händler und Verbraucher häufig in Erwägung ziehen, Bitcoin gegen Dollar zu verkaufen, um sicherzustellen, dass sie ihren finanziellen Verpflichtungen nachkommen können.

Heute stellte das Unternehmen die neue Stablesats-Funktion vor, die nun zur Galoy-Plattform hinzugefügt wurde. Als Alternative zu Stablecoins oder Fiat-Integration nutzt Stablesats Derivatkontrakte, um einen mit Bitcoin unterlegten synthetischen Dollar zu schaffen, der an den USD gekoppelt ist. Dies ermöglicht Dollar-äquivalente USD-Konten innerhalb von Lightning-Wallets und löst eines der größten Probleme für Menschen, die Bitcoin für alltägliche Transaktionen nutzen: kurzfristige Wechselkursschwankungen.

"Bitcoin hat digitale Transaktionen in zuvor bankenlose Gemeinschaften in Lateinamerika, Afrika und darüber hinaus gebracht. Die Volatilität des Bitcoins macht es jedoch schwierig, finanzielle Verpflichtungen zu erfüllen. Mit den Stablesats-fähigen Lightning-Wallets können Nutzer zusätzlich zu ihrem Standard-BTC-Konto Geld von einem USD-Konto senden, empfangen und dort halten. Während der Dollarwert ihres BTC-Kontos schwankt, bleibt ein Dollar auf ihrem USD-Konto unabhängig vom Bitcoin-Kurs ein Dollar."

Nicolas Burtey, CEO Galoy

Kein Token!

Den Stablesats liegt kein anderer Stablecoin oder Token als Bitcoin zugrunde, was eine bessere Interoperabilität und niedrigere Gebühren für die Nutzer bedeutet. Und da die Funktion keine Integration von Fiat-Bankensystemen erfordert, ist Stablesats etwas, das Bitcoin-Banken und Wallet-Projekte schnell auf den Markt bringen können. Die für das Anbieten von Stablesats erforderlichen behördlichen Genehmigungen sind je nach Land unterschiedlich.

Wie es funktioniert

Die Idee der synthetischen Dollars ist seit Jahren Gegenstand von Artikeln und Gesprächen. BitMEX beschrieb die Idee bereits im Jahr 2015. Burtey ist der Meinung, dass mit dem Stand der Lightning-Adoption und dem Aufkommen von zirkulären Bitcoin-Ökonomien auf der ganzen Welt jetzt die Zeit für diese Lösung gekommen ist, um durchzustarten.

Die aktuelle Stablesats-Implementierung nutzt Bitcoin-Derivatemärkte, insbesondere ein Instrument namens "Perpetual Inverse Swap".

Erklärung: Ein Perpetual-Futures-Kontrakt, auch bekannt als Perpetual Swap, ist eine Vereinbarung über den nicht-optionalen Kauf oder Verkauf eines Vermögenswerts zu einem unbestimmten Zeitpunkt in der Zukunft. Perpetual Futures werden im Barausgleich abgeschlossen und unterscheiden sich von regulären Futures dadurch, dass sie kein im Voraus festgelegtes Lieferdatum haben und daher auf unbestimmte Zeit gehalten werden können, ohne dass die Kontrakte bei ihrem Auslaufen verlängert werden müssen. Zahlungen werden in regelmäßigen Abständen zwischen den Inhabern der beiden Seiten der Kontrakte, d. h. der Long- und der Short-Position, ausgetauscht, wobei die Richtung und der Umfang des Ausgleichs auf der Differenz zwischen dem Kontraktpreis und dem des zugrunde liegenden Vermögenswerts sowie gegebenenfalls auf der Differenz der Hebelwirkung zwischen den beiden Seiten basieren.

Grob gesagt funktionieren die Stablesats wie folgt:

  • Die Nutzer einer Bitcoin-Bank (z.B. Galoy) entscheiden sich dafür, einen bestimmten Prozentsatz ihres Kontos in stabilem USD-Wert zu halten. Die Summe all dieser Entscheidungen ergibt eine USD-Gesamtverbindlichkeit für die Bank.
  • Der sogenannte Dealer (Personen oder Firmen, die Wertpapiere auf eigene Rechnung kaufen und verkaufen) verfolgt die USD-Verbindlichkeit der Bank und sichert sie ab, indem er z. B. auf dem Bitcoin-Derivatemarkt handelt (Siehe Perpetual Swaps).
  • Wenn sich die USD-Verbindlichkeit oder der Preis von Bitcoin ändert, aktualisiert der Dealer seine Position um das Gleichgewicht zu halten.
  • Sobald sich die Liquidität des Dealers auf dem Derivatemarkt aufgrund der beiden oben genannten Schwankungen ändert, zieht der Dealer Mittel ab, um das Gegenparteirisiko gering zu halten, oder er legt mehr Mittel ein, um größere Positionen zu halten/zu eröffnen.
  • So kann ein stabiler Wert (z.B. USD) einzig durch das "Hedgen" von Bitcoin-Positionen abgebildet werden.

Im folgenden Video wird bildhaft erklärt, wie das Ganze im Detail funktioniert (englisch).

Wo liegen die Vorteile?

Nun mag sich der ein oder andere fragen, warum Stablesats überhaupt nötig sind, obwohl es doch bereits massenhaft Stablecoins auf zig verschiedenen Blockchains gibt. Wo liegen die Vorteile von Stablesats?

Zum einen müssen sich die Nutzer von Stablesats nicht darum kümmern, welche Blockchain ihre Gegenpartei verwendet. Stablesats bietet eine Möglichkeit, Dollar zu halten und zu transferieren, die mit jedem, der Bitcoin verwendet, vollständig interoperabel ist. Zum anderen ist bei Stablesats im Gegensatz zu Stablecoins oder Fiat-Währungen weder für den User, noch für den Herausgeber der Stablesats ein Fiat-Bankzugang erforderlich. Außerdem könnten sie eine Alternative zu den sich noch in der Entwicklung befindenden Discreet Log Contracts for Difference (DLCFD) darstellen, die eine ähnliche Funktionalität versprechen.

Vergleich der Trade-offs zwischen Stablesats, Stablecoins und Fiat.
Quelle: stablesats.com

Wo liegen die Risiken?

Wie jedes Produkt, das mit Fiatgeld verknüpft ist, gibt es auch bei den Stablesats Risiken, die zu beachten sind:

  • Zum einen das sogenannte Gegenparteirisiko mit der Börse. Wenn die Börse insolvent ist, sind die Sicherheiten möglicherweise nicht mehr einbringbar.
  • Derivatebörsen verfügen über ein automatisches "Deleveraging" für unbefristete Verträge. Die Position könnte geschlossen werden, obwohl sie im Gewinn ist. Dies führt zu einer vorübergehenden Untersicherung.
  • Die Finanzierung wird über einen längeren Zeitraum negativ. In der Vergangenheit gab es an den Derivatebörsen im Durchschnitt mehr Long- als Short-Positionen. In diesem Umfeld ist die Finanzierung für Short-Positionen ertragssteigernd. Dies könnte in Zukunft nicht mehr der Fall sein.

Nachdem algorithmische Stablecoins spätestens seit dem UST/Luna-Kollaps stark in der Kritik stehen, stellen sich sicherlich einige Leserinnen und Leser die Frage, ob nicht auch Stablesats ein entsprechend hohes Risiko bergen. Galoy verspricht jedoch, dass diese stets vollständig besichert sind:

"Die Derivatkontrakte, die zur Schaffung von Stablesats platziert wurden, sind vollständig mit BTC besichert - für jeden Dollar an Verbindlichkeiten gibt es einen entsprechenden Dollar an Wert in Bitcoin."

Galoy, Inc.

Ausblick

Sébastien Verreault, der federführend am Stablesats-GitHub-Repository mitarbeitet, gibt einen Ausblick auf die Zukunft: "Die Einführung von Stablesats ist der erste Schritt zu einem aufregenden neuen Treiber für die weitere Adoption des Lightning Netzwerks. Wir sehen, dass die Integration von mehr Börsen, Absicherungsstrategien und Währungen die Ausfallsicherheit und Optionalität erhöht. Letztendlich können wir jedem Lightning-Nutzer die Möglichkeit eröffnen, seine eigenen Rechnungseinheiten zu wählen, ohne jemals das Netzwerk zu verlassen."

Des Weiteren gibt das Unternehmen auf der Stablesats-Webseite bekannt, dass bereits daran gearbeitet wird, auch "physische" USD von einem Bankkonto verwenden zu können, um Zahlungen über Lightning zu senden und zu empfangen. Sollte dies gelingen, könnte dies tatsächlich ein "Gamechanger" für das Lightning Netzwerk werden. Für die weitere Entwicklung hat das Unternehmen 4 Millionen US-Dollar in einer Finanzierungsrunde eingenommen.