Heute ging eine äußerst merkwürdige Bitcoin-Transaktion durch die sozialen Medien. Ein Teilnehmer des Bitcoin-Netzwerks bezahlte mehr als 83 BTC (umgerechnet rund 3,1 Millionen US-Dollar) Gebühren, für eine Transaktion mit dem (übrig gebliebenen) Gesamtwert von etwa 57 BTC. Nach den empfohlenen Gebührenraten von mempool.space war der effektiv bezahlte Gebührensatz damit mehr als 500.000 Mal höher als eigentlich notwendig gewesen wäre. Damit ist die Transaktion der neue Rekordhalter der höchsten Transaktionsgebühr in US-Dollar zum Zeitpunkt der Bestätigung.

Es ist noch nicht bekannt, wer dahintersteckt und wie es zu diesem offensichtlichen Missgeschick überhaupt gekommen ist. Wir möchten dennoch eine kurze Einschätzung des Sachverhalts geben!

Wahrscheinlicher Softwarefehler

Natürlich wählt niemand bewusst eine derart utopische Gebührenrate von 75.000.000 sat/vB. Auch der hin und wieder auftauchende Umrechnungsfehler zwischen virtual Byte und Kilobyte kann hier ausgeschlossen werden, da selbst 75.000.000 sat/vKB, also 75.000 sat/vB, noch um ein Vielfaches überbezahlt gewesen wären.

Wahrscheinlich ist dieses Missgeschick also in irgendeiner Form auf einen Software- bzw. Implementierungsfehler zurückzuführen. Auffällig an der Transaktion ist das fehlende Wechselgeld, an das man, sofern man manuell an rohen Transaktionen herumwerkelt, unbedingt denken muss. Die Transaktion gibt nämlich insgesamt ungefähr 139 BTC aus, erstellt aber nur einen einzigen Empfänger mit einem Betrag von 56 BTC. Die Differenz zwischen Inputs und Outputs, also hier 83 BTC, bleibt also undefiniert und bildet somit die Transaktionsgebühr, die von den Minern geschnappt werden kann.

Lese-Tipp: Was ist ein Unspent Transaction Output?

Ähnliches ist auch vor wenigen Wochen mit einer Transaktion des Zahlungsdienstleisters Paypal passiert, als eine Transaktionsgebühr von fast 20 BTC ungewollt bei den Minern des F2Pool landeten – Blocktrainer.de berichtete. F2Pool gab die, für einen großen Mining-Pool eher mittelgroße Summe, aus Kulanz aber wieder zurück. Wie der glückliche Gewinner der 83 BTC, AntPool, mit der Situation umgehen wird, bleibt offen.

Ein panischer Denkfehler?

Interessanterweise macht die besagte Transaktion von der sogenannten Replace-by-Fee (RBF) Funktion Gebrauch. Transaktionen mit einer zu niedrig gewählten Gebührenrate können so durch eine nachträgliche Erhöhung, beschleunigt werden. Oft wird als erweiterter Anwendungsfall von RBF auch das Abbrechen von Transaktionen aufgeführt. Die Formulierung ist hier allerdings etwas irreführend, denn technisch abbrechen kann man eine gültige Bitcoin-Transaktion eigentlich nicht. Möglich hingegen ist es, die Transaktion mit einer höheren Gebühr zu ersetzen und gleichzeitig den Empfänger auf sich selbst zu ändern, um die eigentliche Bezahlung effektiv abzubrechen. Die neue RBF-Transaktion findet rein technisch aber natürlich trotzdem statt.

Eine plausible Erklärung ist also, dass der aktuell noch unbekannte Ersteller in Panik ausgebrochen ist, was in Anbetracht der hohen Geldsummen mehr als nachvollziehbar ist. Wie auch immer es zu dem Fehler gekommen ist, der erste Gedanke war natürlich, alles rückgängig machen zu wollen. Und mit RBF kann man Transaktionen doch abbrechen, oder etwa nicht?

Dieser Denkfehler, dessen Hintergrund wir gerade erläutert haben, führte nun dazu, dass die ursprüngliche Transaktion, welche "nur" schlappe 70 BTC Gebühren bezahlt hätte, mit einer noch höheren Gebühr von 83 BTC ersetzt wurde. Zwar wurde die Zahlung, die jetzt auf die bereits erwähnten 57 BTC geschrumpft ist, auf eine andere Adresse umgeleitet, und womöglich tatsächlich „abgebrochen“, aber die von Anfang an hohe Gebühr wurde deswegen natürlich trotzdem bezahlt. Ein teurer Fehler, gefolgt von einem noch teureren Denkfehler!

Oder doch nur Bots?

Nicht auszuschließen ist allerdings auch die Möglichkeit, dass die ursprüngliche Adresse, auf die noch im selben Block 140 BTC eingezahlt wurden, bereits kompromittiert war, also vereinfacht gesagt von Hackern kontrolliert wurde. Dies würde jedenfalls erklären, warum die erste Transaktion, trotz extremer Gebühr und deaktiviertem RBF-Flag, ersetzt wurde – es könnte sich nämlich um mehrere Angreifer handeln, die versuchen ihre eigene Transaktion durchzusetzen.

Häufig werden solche Angriffe automatisiert mit Bots durchgeführt und nicht manuell erstellt. Es gilt schließlich, keine Zeit zu verlieren. Hier liegt außerdem eine mögliche Erklärung für die hohe Gebühr. Eventuell werden solche automatisierten Transaktionen dahingehend optimiert, nicht ständig von anderen überboten zu werden. Mit anderen Worten: Eine prozentuale Gebühr wurde pauschal festgelegt, die rein statistisch eine hohe Erfolgswahrscheinlichkeit hat, was durch die Ausgangslage mit 140 BTC zu einer unverhältnismäßig hohen Gebühr in absoluten Zahlen führte. Aber auch das ist natürlich erstmal nur eine Theorie.

Keine Panik!

Nutzer einer normalen Bitcoin-Wallet, egal ob Software-Wallet auf dem Smartphone oder sichere Hardware-Wallet, müssen sich über derartige Fehler eigentlich keine Gedanken machen. Natürlich ist es, vor allem bei hoher Nachfrage im Bitcoin-Netzwerk, wichtig, sich im Vorfeld über die aktuell empfohlenen Gebührenraten zu informieren, um nicht zu viel oder zu wenig Geld an die Miner abzudrücken.

Doch utopisch hohe Gebührenraten, wie wir sie heute gesehen haben, werden von einer guten Wallet noch vor der Veröffentlichung abgefangen und auch das korrekte Zurückzahlen von Wechselgeld wird selbstverständlich stets automatisch im Hintergrund übernommen.