Die Frage, ob es der Wirtschaft und der Menschheit unter einem harten Geld, das in seiner Menge begrenzt ist, besser gehen würde, beschäftigt wohl niemanden so sehr, wie Bitcoin-Befürworter. Wie eine Welt mit Bitcoin als Geld tatsächlich aussehen würde, ist jedoch kaum zu prognostizieren. Gleichwohl lohnt sich ein Blick in die Vergangenheit, um durch eine Gegenüberstellung der Zeiten des Goldstandards, mit der des ungedeckten Fiatgeldes, einen Eindruck zu bekommen.

In diesem Artikel soll aus verschiedenen Blickwinkeln die weitverbreitete Annahme widerlegt werden, dass ungedecktes Papiergeld und die damit einhergehende Inflation ein notwendiges Übel für Innovationen und Wirtschaftswachstum sei. Dafür werfen wir einen Blick auf die Zeit der Industrialisierung und die des Bretton-Woods-Systems, in der jeweils ein Goldstandard mit einer vergleichsweise hohen Wirtschafts- und Innovationskraft einherging.

Die Industrialisierung und der Goldstandard

Den wohl stärksten Produktivitätssprung machte die Menschheit zu Zeiten der Industrialisierung. Tatsächlich stagnierte die Menschheit die Jahrhunderte zuvor – insbesondere wenn man es mit dem vergleicht, was seither passierte.

Die Industrielle Revolution begann um das Jahr 1760 in England. Dies wird auch gut dadurch erkennbar, dass die Pro-Kopf-Wirtschaftsleistung Englands vor der anderer Länder explodierte.

England operierte seit dem Jahr 1717 de facto unter einem Goldstandard, während die USA, Deutschland oder Frankreich noch vermehrt auf das weniger harte Silber setzten. Die Industrialisierung begann also in dem Land, das sich als erstes Land dazu entschloss, ausschließlich auf Gold zu setzen.

Wegweisend für die erste Phase der Industrialisierung war die Erfindung der ersten Spinnmaschine, der Spinning Jenny, mit der die Produktivität in der Textilindustrie ungemein gesteigert werden konnte. Auch die Dampfmaschine wurde zu dieser Zeit durch James Watt so verbessert, dass sie salonfähig wurde. Hinzu kommt der Bau der ersten Lokomotive – ebenfalls in England.

Die Hochindustrialisierung

Die zweite Phase der Industrialisierung, auch Hochindustrialisierung genannt, spielte sich neben England dann auch in den USA und insbesondere in Deutschland ab. In Deutschland begann die Hochindustrialisierung im Jahr 1871. Interessanterweise markiert das Jahr 1871 auch das Jahr, in dem Deutschland auf einen Goldstandard wechselte.

Ganz allgemein fällt die Phase der Hochindustrialisierung auf die Zeit, in der sich das Währungsregime des Goldstandards in den Industrienationen schlussendlich durchsetzte. Der Phase von 1870 bis 1914 ist also die Zeit des Klassischen Goldstandards, der Hochindustrialisierung und retrospektiv wird im Kontext dieser Zeit auch von der Belle Époque (auf Deutsch: Schöne Epoche) gesprochen.

Diese schöne Epoche endete mit dem Jahr 1914, dem Beginn des Ersten Weltkriegs, als die meisten Länder ungedecktes Papiergeld zur Kriegsfinanzierung einführten.

Während der Hochindustrialisierung wurde das Auto, Flugzeug, Radio, Telefon, elektrisches Licht und vieles mehr erfunden.

Innovation dank Goldstandard und Deflation?

Die gesamte Zeit der Industrialisierung war eine Zeit ungemein starken Wirtschaftswachstums – und das, obwohl es eine Zeit der Deflation war. Der Lebensstandard stieg rasant und einige der wichtigsten Erfindungen der Menschheit entstammen dieser Zeit.

Die Ohio State University hat im Jahr 2000 eine Liste mit den zehn größten Erfindungen der letzten 1.000 Jahre veröffentlicht. Fünf beziehungsweise sechs der zehn Erfindungen entsprangen direkt aus der Zeit des Klassischen Goldstandards (1870 – 1914). Hinzu kommen die Impfung und die Anästhesie, die ebenfalls dort erfunden wurden, wo zeitgleich ein Goldstandard vorherrschte: Die Impfung im Jahr 1796 in England und die Anästhesie im Jahr 1844 in den USA, die zu dem Zeitpunkt seit zehn Jahren auf einem Goldstandard waren.

Somit entfallen sieben beziehungsweise acht der zehn wohl wichtigsten Erfindungen des 2. Jahrtausends auf Zeiten des Goldstandards.

Das Wirtschaftswunder und das Bretton-Woods-System

Nachdem für die Weltkriege die Staaten durchweg die Geldmenge ausweiteten, wurde mit dem Bretton-Woods-System (1944 – 1973) wieder eine Art Goldstandard eingeführt. Die Zeit des Bretton-Woods-Systems war letztlich ebenfalls eine Zeit starken Wirtschaftswachstums. In den USA nennt man die Zeit auch Post-World War II prosperity (1945 – 1973). Die Periode gilt gemeinhin als eine goldene Ära des Wirtschaftswachstums und des Wohlstands.

In Deutschland und in Österreich spricht man im Kontext der Zeit des Bretton-Woods-Systems auch vom Wirtschaftswunder (1948 – 1973). Hingegen in der DDR, die zeitgleich auf ungedecktes Papiergeld setzte, blieb der wirtschaftliche Boom nach dem Zweiten Weltkrieg aus.

Die Ära des Wirtschaftswachstums und des Wohlstands endete nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland mit der Aufhebung des letzten Goldstandards im Jahr 1971.

Mit dem Ende des Bretton-Woods-Systems […] endete in Westdeutschland die Zeit des durchgehend hohen wirtschaftlichen Wachstums, der Staatsverschuldung von 20 Prozent und der Vollbeschäftigung mit einer Arbeitslosenquote von unter zwei Prozent.
Wikipedia: “Wirtschaft Deutschlands”

Während des Bretton-Woods-Systems wurde zudem das Internet erfunden, das die Grundlage für die Produktivitätssprünge der letzten Jahrzehnte gesetzt hat.

Goldstandard vs. Fiatstandard

Vergleicht man verschiedene ökonomische Kennzahlen der jeweiligen Perioden miteinander, so zeichnet sich ein klares Bild ab. Thomas L. Hogan, ehemals Chefökonom des US-Senats, unterteilt das Geldsystem der USA in die folgenden Perioden:

  • Marktbasierter Goldstandard (1790 – 1913)
  • Zentralbank-verwalteter Goldstandard (1914 – 1971)
  • Zentralbank-verwalteter Fiatstandard (1972 – heute)

Während des marktbasierten Goldstandards waren die Güterpreise in etwa konstant. Lediglich zu Kriegszeiten, in denen die USA zeitweise ungedecktes Papiergeld ausgaben, stiegen die Güterpreise vorübergehend an. In der Zeit des gemanagten Goldstandards, also in der Zeit nach der Gründung der US-Zentralbank, stieg das Preisniveau ebenfalls zu Kriegszeiten, es fiel anschließend aber nicht mehr auf vorherige Niveaus zurück. Seit dem Jahr 1971, als US-Präsident Richard Nixon den letzten Goldstandard effektiv aufgehoben hat, steigen die Güterpreise fortwährend an.

Die durchschnittliche Inflationsrate lag während des marktbasierten Goldstandards bei 0,2 Prozent. Seitdem der Fiatstandard vorherrscht, hat sich die durchschnittliche Inflationsrate auf 4 Prozent verzwanzigfacht – und dabei ist noch nicht einmal die Hochinflation seit Beginn der Coronapandemie berücksichtigt.

Wirtschaftswachstum

Viele Leute denken, dass eine höhere Inflation und Interventionen von Zentralbanken notwendig für Wirtschaftswachstum seien. Tatsächlich scheint jedoch das Gegenteil der Fall zu sein. In den USA war das reale, also inflationsbereinigte, Wirtschaftswachstum umso höher, je niedriger die Inflation der jeweiligen Periode war. Das reale Wirtschaftswachstum, beziehungsweise die Änderungsrate des realen Bruttoinlandsproduktes, ist die anerkannteste Kennzahl, um die ökonomische Stärke eines Landes zu quantifizieren.

Während des marktbasierten Goldstandards wuchs die US-Wirtschaft durchschnittlich um satte 4,2 Prozent im Jahr. Seit Gründung der US-Zentralbank bis zur Aufhebung des letzten Goldstandards waren es 3,7 und nach dem Jahr 1971 nur noch 2,8 Prozent.

Selbst der US-Aktienmarkt lief zu Zeiten des Goldstandards besser: Die inflationsbereinigte Rendite des US-amerikanischen Aktienindex S&P 500 lag während des Klassischen Goldstandards durchschnittlich bei 7,2 und während des Bretton-Woods-Systems sogar bei über 9 Prozent. In der Ära des Fiatgeldes rentierte der US-Aktienmarkt inflationsbereinigt lediglich 6,4 Prozent im Durchschnitt.

Angesichts der Faktenlage ist es fast schon beängstigend, dass der Goldstandard ein solch schlechtes Image innehat und beispielsweise John Maynard Keynes, einer der einflussreichsten Ökonomen des 20. Jahrhunderts, ihn als "barbarisches Relikt" bezeichnet hat.

Der Grund für die weitverbreitete Abneigung gegenüber dem Goldstandard ist die Große Depression (1929 – 1939), die laut Mainstream-Ökonomen primär auf den Goldstandard zurückzuführen ist.

Dass der Goldstandard die Große Depression verursacht haben soll, hält selbst der ehemalige Chefökonom des US-Senats, Thomas L. Hogan, für eine Fehlannahme.

Viele Ökonomen machen fälschlicherweise den Goldstandard für die Große Depression verantwortlich.
Thomas L. Hogan

Zusammenfassung

Lässt man die Große Depression außen vor, so gibt es einen klaren Zusammenhang zwischen Wirtschaftswachstum, Erfindungsgeist und Goldstandard. Mainstream-Ökonomen scheinen jedoch den naheliegenden Zusammenhang auszublenden.

Der Zeitraum von 1890 bis 1910 war von einem raschen Wirtschaftswachstum von über 7 % geprägt […]. Zwischen 1910 und 1929 kam es jedoch zu einem starken Einbruch der Wachstumsrate auf etwa 2,8 %. Die Wirtschaftswissenschaftler sind sich nicht sicher, welche Kombination von Angebots- und Nachfragefaktoren diesen Einbruch verursacht hat [...].
Wikipedia: "Economic History of the United States"

Die Faktenlage zeichnet jedoch ein klares Bild: Das reale Wirtschaftswachstum war besser zu Zeiten des Goldstandards. Und ganz allgemein wuchs die Wirtschaft in den USA in den 123 Jahren vor Gründung der US-Zentralbank deutlich besser als in den 106 Jahren danach.

Außerdem begann der wohl größte Produktivitätssprung der Menschheit, die Industrialisierung, in dem Land, das als erstes Land ausschließlich auf Gold setzte. Die Industrialisierung beschleunigte sich schließlich, als der Goldstandard das anerkannte Währungsregime in den Industrienationen wurde – der Großteil der wichtigsten Erfindungen der jungen Menschheitsgeschichte entstammen dieser Zeit. Und als nach den Weltkriegen wieder eine Art Goldstandard eingeführt wurde, nahm die Wirtschaft in den Industrienationen wieder an Fahrt auf, bis zu dem Zeitpunkt, als US-Präsident Nixon den Goldstandard im Jahr 1971 effektiv aufhob.

Ich freue mich auf die Antworten dazu. 

Was ist ein Scam, der so normalisiert ist, dass wir nicht einmal realisieren, dass es ein Scam ist? 
Wall Street Silver 

Fiatgeld
Elon Musk

Fazit

Vergleicht man die Zeiten des Goldstandards mit der des Fiatstandards, so liegt die Schlussfolgerung nahe, dass ein hartes Geld generell besser für die Wirtschaft und somit für die Menschheit zu sein scheint. Die Frage, ob Bitcoin als Geld der Welt zu einer mit der Hochindustrialisierung vergleichbaren oder gar noch höheren Wohlstands- und Produktivitätssteigerung führen wird, kann dennoch nur die gute alte Glaskugel beantworten.

An dieser Stelle muss erwähnt werden, dass selbst während des Klassischen Goldstandards "Fractional-Reserve Banking" betrieben wurde, also die Banken mehr Papiergeld geschaffen haben, als zugrundeliegendes Gold vorhanden war. Nichtsdestotrotz wurden die US-Banken dadurch diszipliniert, dass sie im Falle eines Bank Runs nicht gerettet worden wären. Sollte sich mit Bitcoin als Geld der Welt ebenfalls "Fractional-Reserve Banking" durchsetzen – wie es einige Bitcoin-Befürworter erwarten – dann könnte man sich einen Bitcoin Standard möglicherweise wie die Zeit des Klassischen Goldstandards vorstellen. Sollten die Menschen hingegen ausschließlich mit Bitcoin in seiner Grundform Handel betreiben, so wäre eine Prognose umso schwieriger, da die Menschheit noch nie ein Geld mit einer wirklich fixen Geldmenge genutzt hat.

Die Beobachtung, dass in den letzten Jahrhunderten weniger Inflation mit mehr Wirtschaftswachstum einherging – zumindest wenn langfristige Zeiträume betrachtet werden – legt schlussendlich nahe, dass eine Welt mit Bitcoin als Geld einer Welt mit Fiatgeld und Zentralbankinterventionen respektive Geldsozialismus deutlich überlegen wäre.