In einem Interview auf CNBC rät Jamie Dimon, CEO der US-Bank JPMorgan Chase, man solle besser seine Finger von Bitcoin lassen, denn die einzigen Anwendungsfälle seien ohnehin krimineller Natur. Weiter zweifelt er die maximale Gesamtmenge von knapp 21 Millionen Bitcoin an. Denn was hindert Bitcoin-Erfinder Satoshi Nakamoto daran, plötzlich wieder aufzutauchen, "hysterisch zu lachen" und die Menge der umlaufenden Bitcoin beliebig zu verändern – oder gar zu löschen?

Erfahrene Bitcoiner beginnen bei solchen Aussagen natürlich zu schmunzeln, da grundlegende Eigenschaften des Bitcoin-Netzwerks ignoriert werden (oder erst gar nicht bekannt sind). Wir werfen daher einen kurzen Blick darauf, wie die Gesamtmenge von Bitcoin, oder genauer gesagt die Blocksubvention, also die Ausschüttung neuer Bitcoin, überhaupt durch den Programmcode geregelt wird. Da ein paar einfache Zeilen Code natürlich jederzeit geändert werden könnten, müssen wir außerdem klären, wieso das auf Netzwerk-Ebene praktisch unmöglich ist.

GetBlockSubsidy

Bei einem sogenannten Halving wird die Anzahl neuer Bitcoin pro Block alle 210.000 Blöcke, also ungefähr alle vier Jahre, halbiert. Von ursprünglich 50 BTC Belohnung für die Miner ging es hinunter auf aktuell 6,25 BTC, die bereits im April 2024 erneut auf 3,125 BTC halbiert werden. Dieses zentrale Merkmal von Bitcoin, welches somit auch die Gesamtmenge fest auf knapp 21.000.000 BTC begrenzt, wird von einer kleinen und unkomplizierten Funktion abgebildet – streng genommen mit nur 7 Zeilen Code. Man muss nicht einmal ein erfahrener Programmierer sein, um die grundlegende Funktionalität nachvollziehen zu können. Lasst uns den C++-Code also auf Deutsch übersetzen:

Die GetBlockSubsidy-Funktion in Bitcoin Core | Quelle: github.com/bitcoin
Zeile Was passiert?
1 Die Funktion bekommt die aktuelle Blockhöhe und das festgelegte Halving-Intervall, also die 210.000 Blöcke, mitgeteilt.
3 Die Blöckhöhe wird durch 210.000 dividiert. Dabei heraus kommt also die jeweils aktuelle Halving-Periode. Da es sich um eine ganze Zahl handeln muss, fällt der potenziell anfallende "Rest" weg, es wird also "abgerundet".
5, 6 Ab dem 64. Halving wird die Funktion direkt abgebrochen und gibt 0 BTC als Blocksubvention zurück.
8 Die Blocksubvention wird auf die ursprünglichen 50 BTC festgelegt.
10 Diese Zahl wird jetzt halbiert, und zwar abhängig von der gerade ausgerechneten Halving-Periode. Aktuell würden die 50 BTC also dreimal halbiert werden, auf 6.25 BTC.
11 Der finale Wert, also die aktuelle Blocksubvention, wird nun zurückgegeben.

Hinter den beiden Zeilen 5 und 6 versteckt sich eine nette Geschichte: Für das Halbieren der Blocksubvention wird nicht, wie man annehmen würde, geteilt durch zwei gerechnet, sondern die einzelnen Bits der Zahl werden um eine Position nach rechts verschoben (>>=), was rein rechnerisch genau das Gleiche ist. Für einen Computer ist das die "schönere" und effizientere Operation, hat hier aber einen kleinen Nebeneffekt: Die Verschiebung einer 64 Bit Zahl um 64 Positionen nach rechts ist in C++ nicht definiert. Auf den meisten Systemen würden die Halvings in so einem Fall wieder von vorne, also mit 50 BTC beginnen. Im BIP-42 wurde daher bereits im Jahr 2014 eine Sonderbehandlung für diesen noch weit in der Zukunft liegenden Fall eingeführt: Auch ab dem 64. Halving wird die Subvention eindeutig auf 0 BTC festgelegt und Bitcoin bleibt hartes Geld.

Konsens

Betrachtet man ausschließlich den Programmcode, so könnte man fast schon meinen, Jamie Dimon hätte mit seinen Behauptungen recht: Was hindert Satoshi Nakamoto, oder jeden anderen Nutzer von Bitcoin, daran, einfach eine eigene GetBlockSubsidy-Funktion zu schreiben und darin beliebig absurde Bitcoin-Beträge festzulegen. Die kurze Antwort auf diese Frage lautet: Das Bitcoin-Netzwerk und dessen Nutzer, die sich über Regeln und Eigenschaften von Bitcoin einig sind.

Eine... leicht angepasste Funktion für die Blocksubvention

Nehmen wir beispielsweise an, ein einzelner Bitcoin-Nutzer möchte die Gesamtmenge von Bitcoin verändern. Er schreibt also eine neue Funktion für die Blocksubvention und lässt diese angepasste Bitcoin-Version auf seinem Computer laufen. Passieren würde nicht viel, es könnte allerdings sein, dass der Nutzer sich bereits damit vom Netzwerk abkapselt – je nachdem wie ungeschickt die Änderung umgesetzt wurde. Doch auch wenn der Nutzer ein Bitcoin-Miner wäre und einen Block mit solch einer absurd hohen Belohnung selbst veröffentlichen würde, bekäme es der Großteil des Netzwerks nicht einmal mit – denn der Block wäre schlichtweg ungültig. Wir halten fest: Es reicht nicht, ein paar Zeilen Code auf dem eigenen Rechner zu ändern. Stattdessen müssen viele Bitcoin-Nutzer davon überzeugt werden, eine bestimmte Änderung auch auf ihren Computern laufen zu lassen und dieses Netzwerk schlussendlich auch zu nutzen.

Hard Forks

Oftmals wird davon gesprochen, "die Mehrheit" des Bitcoin-Netzwerks entscheide darüber, ob eine Änderung vorgenommen wird, oder nicht. Das ist allerdings nicht ganz richtig. Weder braucht es eine absolute Mehrheit für eine Änderung, noch kann man bei der Erhöhung der Gesamtmenge überhaupt von einer "Änderung" an Bitcoin sprechen. Wie ist das gemeint?

Bitcoin ist ein offenes, Open-Source-Projekt. Jederzeit könnte sich eine Gruppe von Nutzern bzw. Entwicklern dazu entscheiden, eine Änderung vorzunehmen. Ob es sich dabei um 5% oder um 50% der Gesamtnutzer handelt, spielt keine Rolle. Entscheidend ist vielmehr, dass das Entfernen oder Lockern von Konsensregeln (also eine sogenannte Hard Fork) eigentlich immer mit einer Aufspaltung des Netzwerks einhergeht. Erst recht bei kontroversen Änderungen wird man deshalb den "originalen Bitcoin" nie los. Stattdessen muss sich eine neue Bitcoin Fork neben dem Original bei den Nutzern und damit am Markt durchsetzen. Eine Aufgabe, die bis bislang keinem der prominenten Projekte wie z.B. Bitcoin Cash auch nur im Ansatz gelungen ist.

Im Vergleich zur Erhöhung der maximalen Blockgröße, wie es bei Bitcoin Cash 2017 der Fall war, wäre die Erhöhung der maximalen Gesamtmenge außerdem ein noch viel tieferer Schnitt in die allgemein anerkannten Grundeigenschaften von Bitcoin. Entsprechend würde es wahrscheinlich auch zu einem umso stärkeren Gegenwind kommen. Auch aus ökonomischer Sicht kann man argumentieren, dass sich ein hart begrenzter Bitcoin allein schon deshalb gegen eine Alternative mit höherer Inflation am Markt durchsetzen würde.

Abschließend kann man festhalten, dass es JPMorgan CEO Jamie Dimon wohl hauptsächlich an Verständnis für Bitcoin als Netzwerk mangelt, das einen Konsens über die Regeln und die Funktionsweise hat. Ein Netzwerk, bei dem keine einzelne Entität Entscheidungen für andere treffen kann. Ein Netzwerk, dessen Geldpolitik nicht einfach so geändert werden kann – nicht einmal von Satoshi Nakamoto.

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