Skip to main content

Credit Suisse sieht eine neue Finanzordnung aufkommen

Am von
Finanzordnung Bitcoin

Die Schweizer Großbank Credit Suisse veröffentlichte einen Bericht zur aktuellen wirtschaftlichen Lage. Zoltan Pozsar, globaler Leiter der kurzfristigen Zinsstrategie bei der Investmentbank, schrieb in einem Montagsbericht, dass die westlichen Sanktionen gegen Russland einen Paradigmenwechsel auslösen könnten. Er bezeichnete diesen Wandel zu einer neuen Finanzordnung als „Bretton Woods III“ und glaubt, dass Bitcoin davon profitieren könnte.

Von Bretton Woods I zu Bretton Woods III

Das ursprüngliche „Bretton Woods System“ entstand nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Siegermächte einigten sich darauf, dass der US-Dollar als Weltreservewährung an Gold gekoppelt werden sollte. Die anderen westlichen Ländern koppelten daraufhin ihre eigenen Währungen an den US-Dollar. So entstand eine indirekte Kopplung der westlichen Währungen an Gold.

Die USA versprachen den Ländern, dass sie ihre Dollarnoten zu jeder Zeit und zu einem festen Wechselkurs gegen Gold eintauschen können. Frankreich war die erste große Nation, die dem System misstraute und versuchte, die eigenen Goldreserven aus den Vereinigten Staaten abzuziehen. Als die USA ihrer Verpflichtung nicht mehr nachkommen konnten, entschied Präsident Nixon im August des Jahres 1971, dass kein Land mehr seine US-Dollar gegen Gold eintauschen könne. „Bretton Woods I“ war somit Geschichte.

Daraufhin folgte „Bretton Woods II“. Nach Pozsar wird dieses System von sogenanntem Innengeld gedeckt. Dieses ist das Geld, dessen Vorgang der Geldschöpfung auf einer entsprechenden Zunahme der Verschuldung der Wirtschaftssubjekte beruht. Für Pozsar sind es die Staatsanleihen mit unbesichertem Beschlagnahmerisiko. Die Währung ist lediglich durch die Schulden der Regierung und ihre Versprechen gedeckt.

Aufgrund des Ukraine-Krieges gaben die westlichen Zentralbanken bekannt, dass die Fremdwährungsdevisen der russischen Zentralbank eingefroren werden. Die russische Zentralbank hatte keine Möglichkeit mehr durch Verkäufe von Auslandswährungen den russischen Rubel zu stabilisieren und benötigt deshalb eine Alternative. Pozsar sieht mit den steigenden Preisen der Rohstoffe einen Verlust des gegenseitigen Vertrauens der Regierungen einhergehen. Er geht davon aus, dass ein „Bretton Woods III“ System entsteht, bei dem ein Korb von Rohstoffen an die Währungen der Staaten gekoppelt sein wird.

„Wir sind Zeugen der Geburt von Bretton Woods III – einer neuen (Währungs-)Weltordnung, die sich auf rohstoffbasierte Währungen im Osten konzentriert, die wahrscheinlich das Euro-Dollar-System schwächen und auch zu inflationären Kräften im Westen beitragen werden.“

Zoltan Pozsar

Krise an den Rohstoffmärkten

Um die Position von Pozsar verstehen zu können, muss die Situation auf den Rohstoffmärkten genauer erläutert werden. Die Maßnahmen des Westens zielen darauf ab, die russische Wirtschaft zu schwächen. Die Sanktionen auf russische Rohstoffe haben zu vielen Unruhen an den Märkten geführt. Russland besitzt aber einen großen Vorteil gegenüber dem Westen: Seine natürlichen Ressourcen. Das Land ist verantwortlich für 11% der globalen Ölversorgung, 17% der globalen Gasversorgung sowie 11% der weltweiten Weizenversorgung und produziert 10% der Industrieminerale.

Die Sanktionen des Westens haben zu einem teilweisen oder vollständigen Importstopp russischer Rohstoffe geführt. Dieser Importstopp führte zu einem Angebotsschock an den westlichen Märkten. Preise für nicht-russische Rohstoffe stiegen aufgrund des verminderten Angebots in kürzester Zeit stark an. Der Handel von Nickel musste an der London Metal Exchange ausgesetzt werden, als die Futures-Preise innerhalb von zwei Tagen um 150% stiegen.

Ein sogenannter Futures-Vertrag ist ein Terminkontrakt. Auf dem Rohstoffmarkt gehen zwei Parteien einen Vertrag ein und legen fest, zu welchem Zeitpunkt zu welchem Preis der Rohstoff geliefert werden soll. Der Preis auf dem Futures Markt unterscheidet sich von den normalen Marktpreisen auf dem Spot-Markt. Rohstoffhändler nutzen diesen Mechanismus aus, um ihre Positionen abzusichern. Liegt etwa der Futures-Preis unter dem Marktpreis, kann das Unternehmen den Futures-Vertrag leerverkaufen (engl. shorten). Das sichert das Unternehmen gegen Kursschwankungen auf dem Spot-Markt ab.

Der Futures-Preis für Nickel hat sich in nur paar Tagen mehr als verdoppelt. Quelle: Tradingview

Aufgrund des Angebotsschocks und der steigenden Preise kommen die Unternehmen, die ihre Positionen durch Short-Positionen abgesichert haben, in Gefahr liquidiert zu werden. Sie müssen ihre hinterlegte Sicherheiten erhöhen. Das Hinterlegen von neuen Sicherheiten treibt aber die Nachfrage zusätzlich nach oben und der Preis steigt weiter an. Es kommt zu einem sogennanten „Short Squeeze“, wie er an der London Metal Exchange beobachtet werden konnte.

Auf dem russischen Markt herrscht eine gegenteilige Situation. Durch den Wegfall der Exporte sinkt die Nachfrage, bei gleichbleibendem Angebot. Die Preise fallen. Hier geraten Rohstoffunternehmen unter Druck, die ihre Positionen durch Long-Positionen auf dem Future-Markt abgesichert haben. Die westlichen und russischen Rohstoffmärkte geraten immer mehr in Bedrängnis. Langfristig kann es hierbei eigentlich keinen Gewinner geben.

Credit Suisse sieht die Gefahr, dass die Kreditgeber ausfallen könnten und es zu einem Kollaps der Derivate-Märkte kommt. In dem Bericht wird ein Vergleich zur Ölkrise aus dem Jahr 1973 gezogen. Damals stieg der Ölpreis um mehr als 70% und brachte ebenfalls die Märkte in Bedrängnis. Credit Suisse sieht die aktuelle Situation gefährlicher als damals, denn heute seien die Märkte stärker verschuldet als vor knapp 50 Jahren.

Profiteure: Bitcoin und China

Für Pozsar wird der primäre Gewinner der Krise China sein. Westliche Regierungen müssen mit den steigenden Energiepreisen und der daraus resultierenden hohen Inflation umgehen. Eine Erhöhung der Zinsen zur Bekämpfung der Inflation ist für Credit Suisse unvermeidlich. China muss diesen Schritt nicht gehen.

China wird auch weiterhin die russischen Importe fördern. Ein Handelsembargo gegenüber Russland ist sehr unwahrscheinlich. Während die westlichen Länder die Inflation bekämpfen müssen und durch Zinserhöhung eine Rezession der Wirtschaft riskieren, kann China seine aggressive Expansionsstrategie weiterführen. Die hohe Abhängigkeit zwischen dem Westen und Russland führt nach Autor Pozsar dazu, dass beide Systeme verlieren werden.

„Wenn sie glauben, dass der Westen Sanktionen finden kann, die den Schmerz für Russland maximieren und gleichzeitig die Finanzstabilitätsrisiken und Preisstabilitätsrisiken des Westen minimieren, können sie auch an Einhörner glauben.“

Zoltan Pozsar

Pozsar glaubt, dass aus dem Ukraine Krieg ein Wandel des Finanzsystems hervorgeht. Die Folge sei, dass der US-Dollar als Weltreservewährung schwächer wird, während der chinesische Yuan weiter an Einfluss gewinnt. Auch ist er sich sicher, dass die Währung der neue Finanzordnung durch einen Korb von Rohstoffen gedeckt werden muss. Im selben Satz erwähnt Pozsar hier dann die Rolle von Bitcoin.

„Wenn diese Krise (und dieser Krieg) vorbei ist, sollte der US-Dollar viel schwächer und auf der anderen Seite der Yuan viel stärker sein, gedeckt durch einen Korb von Rohstoffen. Nachdem dieser Krieg vorbei ist, wird „Geld“ nie wieder dasselbe sein wie davor…und Bitcoin (falls es dann noch existiert) wird wahrscheinlich von all dem profitieren.“

Zoltan Pozsar

Bitcoin könnte hierbei tatsächlich eine wichtige Rolle spielen. Erst kürzlich gaben die USA bekannt, dass sie die Goldreserven der russischen Zentralbank eingefroren haben. Russland musste erfahren, was der in Bitcoiner-Kreisen oft zitierte Spruch „not your keys, not your coins“ auf Nationalstaatsebene bedeutet. Die hohe Abhängigkeit zu zentralen Entitäten war schon immer das Hauptproblem von Gold. Bitcoin als Reservewährung würde mithilfe seiner zensurresistenten und dezentralen Eigenschaften dieses Problem lösen.

Aktuell ist Bitcoin von diesem Szenario noch weit entfernt. Dass aber eine Bank wie Credit Suisse, die 1,512 Billion Schweizer Franken an Vermögen verwaltet, Bitcoin im selben Atemzug mit dem Aufkommen einer neuen Finanzordnung erwähnt, ist sehr vielversprechend. Bitcoin ist eine potenzielle Alternative zu der aktuellen Finanzordnung und wird als eine solche immer mehr wahrgenommen.