Bereits vor wenigen Wochen berichtete Blocktrainer.de über sogenannte Federated Chaumian Mints und das Fedimint-Protokoll, welches dazu gedacht ist, die Verwahrung von Bitcoin zu dezentralisieren, Privatsphäre und Skalierung zu schaffen und so zur weiteren Bitcoin-Adoption beizutragen. Wir konnten nun Eric Sirion, den Erfinder und Entwickler des Protokolls sowie Mitgründer der neuen App "Fedi", für ein Interview gewinnen.
Interview mit Eric Sirion
Blocktrainer.de: „Hi Eric, schön, dass du dir die Zeit nimmst. Möchtest du vielleicht direkt zu Beginn ein paar Worte über dich erzählen, für all diejenigen, die dich noch nicht kennen?"
"Gerne. Ich heiße Eric und bin studierter Informatiker mit einer Spezialisierung auf verteilte Systeme, Computernetzwerke und Kryptographie. Zu Bitcoin fand ich über den Libertarismus/Anarchokapitalismus, welchen ich erst kurz vorher als meine ideologisch/philosophische Heimat entdeckt hatte. Staatenloses, nicht konfiszierbares und in seiner Menge limitiertes Geld ergab für mich einfach sofort Sinn und als Nerd fand ich das Prinzip hinter Bitcoin auch super spannend. Das alles ist jetzt schon eine Weile her, seitdem bin ich tiefer und tiefer in den Kaninchenbau gestürzt."
Blocktrainer.de: „Nun wollen wir ja heute über die sogenannten "Federated Mints" sprechen. Kannst du grob umreißen, was das ist und was das eigentlich mit Bitcoin zu tun hat?
"Der Begriff "Föderation" wurde in dem Zusammenhang von Blockstream in dem Papier "Strong Federations: An Interoperable Blockchain Solution to Centralized Third Party Risks" geprägt.
Die Grundidee ist, dass eine Gruppe von Individuen (Föderation genannt) ein Bitcoin Multisig Wallet verwaltet, also eine "Bitcoin Geldbörse" aus der nur Geld entnommen werden kann, wenn ein gewisses Quorum an Gruppenmitgliedern dem zustimmt. Als Nutzer kann ich Bitcoin in das Wallet der Föderation einzahlen und die Föderation verspricht mir die gleiche Summe auf Verlangen wieder auszuzahlen. Wenn die Föderation außerdem ein Buchhaltungssystem betreibt, was mir ermöglicht meinen Anspruch auf die eingezahlten Bitcoin weiterzugeben, dann haben wir ein Layer 2 zu Bitcoin konstruiert.
Das ist offensichtlich eine Möglichkeit, Bitcoin zu skalieren. Die weiteren Eigenschaften eines solchen Systems hängen stark davon ab, wie die Buchhaltung über die Ansprüche implementiert ist. Bei der von Blockstream entwickelten Liquid Sidechain ist das eine Blockchain, bei Fedimint hingegen ein E-Cash System, welches auf den von David Chaum beschriebenen Blind Signatures aufbaut und starke Privatsphäre-Garantien bietet.
Für die technischen Details verweise ich an der Stelle gerne auf den Einundzwanzig Podcast, bei dem ich dazu zu Gast war. Ganz grob werden Nutzern für ihre eingezahlten Satoshis Signaturen für zufällige Nachrichten gegeben. Jedes Nachricht-Signatur-Paar, auch E-Cash Token genannt, hat denselben Wert (z.B. 1 Satoshi) und kann wieder gegen Sats eingetauscht werden. Das Besondere an dem Prozess ist, dass der Aussteller der Signatur die Nachricht nicht im Klartext sieht und somit beim späteren eintauschen des E-Cash Tokens nicht weiß, an wen es ursprünglich ausgestellt wurde. Das gibt E-Cash starke Privatsphäreeigenschaften.
Daher übrigens auch der Begriff "Mint" (Prägeanstalt), welcher die Entität bezeichnet, die die E-Cash-Tokens ausgibt und auf Verlangen wieder in das zugrundeliegende Geld eintauscht. "Federated Mints"/Fedimint beschreibt also eine föderierte Version dieses Konzepts, bei der die Verantwortung auf mehrere Parteien aufgeteilt wird.
Zusammenfassend ist Fedimint, ähnlich wie Galoy [Entwickler der Bitcoin-Beach Wallet, Anm. d. Red.], eine Lösung für "Community Banking". Wenn du eine Föderation kennst, der du vertraust (Familie, Freunde …), kannst du Bitcoin in diese einzahlen und dann sehr privat und preiswert für Transaktionen nutzen. Außerdem können die Betreiber der Föderation, welchen man sowieso vertraut, für verteilte Backups genutzt werden."
Blocktrainer.de: „Aber ist Zentralisierung dabei nicht ein essenzielles Problem?“
Föderationen sind fundamental weniger dezentral als Bitcoin, jedoch dezentraler als komplett zentralisierte Bitcoin Börsen oder Wallets wie z.B. Wallet of Satoshi. Sie stellen damit meiner Meinung nach einen interessanten Kompromiss dar.
"Fedimint ist zudem offener als Liquid und kann von jedermann betrieben werden. Das heißt jede Gruppe technisch versierter Bitcoiner kann ihre eigene Föderation betreiben, was es, anders als im Fall von Börsen, ermöglicht ein echtes Vertrauensverhältnis zur Föderation zu haben (Freunde, Familie, etc.). Durch die Integration von Lightning schaffen wir des weiteren Interoperabilität zwischen Föderationen, was den Zentralisierungsdruck gering hält.
Die Frage nach dem Problem zu der im Vergleich mit Bitcoin stärkeren Zentralisierung beantwortet dies jedoch noch nicht. Das ist viel mehr eine Frage der Nutzerfreundlichkeit.
Zentralisierte Lösungen haben meist eine bessere Bedienbarkeit, komplett dezentrale Systeme überfordern Nutzer oft mit Entscheidungen. Wir können das exemplarisch an Bitcoin und Lightning sehen: Wie hohe Gebühren zahle ich für meine Transaktionen? Zu wem öffne ich Lightning Kanäle? Theoretisch kann das alles vor Nutzern versteckt werden, aber die Abstraktion hat ihren Preis.
Phoenix Wallet ist ein gutes Beispiel, es benötigt keine technische Expertise, jedoch entstehen beim Empfang von Transaktionen vermeintlich zufällig erhöhte Kosten. Dies geschieht immer dann, wenn im Hintergrund ein neuer Kanal geöffnet werden muss.
Daher denke ich, dass Föderationen ein Weg sind, der vielen Nutzer komplett zentralisierter Wallets und Börsen eine Alternative mit ähnlich guter Nutzerfreundlichkeit und besserer Basis für Vertrauen bieten kann."
Blocktrainer.de: „Hattest du die Idee für Fedimint initial oder führst du nur Ideen von jemand anderem weiter?"
Blocktrainer.de: „Gibt es neben dir noch andere Leute, die an dieser Idee oder ähnlichen Ideen arbeiten?
"Aktuell ist mir nur eine Implementierung des Fedimint Konzepts bekannt (nachdem SCRIT nicht mehr weiterentwickelt wird). Glücklicherweise konnte ich über die letzten Monate viele andere Entwickler von der Idee begeistern, was unseren Fortschritt enorm beschleunigt hat.
Eine bedeutende Rolle kommt dabei auch Obi Nwosu (Gründer der Börse Coinfloor, Board-Member des ₿Trust; Anm. d. Red.) zu, welchen ich im Oktober 2021 zufällig beim HCPP21 in Prag kennenlernte. Er sah sofort Potenzial in der Idee und wurde einer meiner größten Unterstützer mit enormer Reichweite. Seine Perspektive als ehemaliger Bitcoin Börsenbetreiber half mir außerdem zu verstehen, dass Fedimint durch das ohnehin notwendige Vertrauen in die Föderation nicht nur Transaktionen privater und einfacher macht, sondern in bestimmten Szenarien auch Probleme rund um das Halten/den potenziellen Verlust von Bitcoin löst."
Blocktrainer.de: „Du, Obi und Justin Moon haben nun kürzlich die Unternehmung "Fedi" gegründet und eine App angekündigt. Was genau hat es damit auf sich? Was sind die Ziele von Fedi?"
"Fedimint ist ein offenes Protokoll mit einer sehr flexiblen Implementierung, deren Entwicklung von Blockstream, Obi, Einundzwanzig, der Human Rights Foundation, Ten 31 und Spiral unterstützt wurde, beziehungsweise noch immer wird.
Leider nützt das beste Protokoll nichts, wenn Nutzer nicht damit interagieren können oder durch schlechte UX abgeschreckt werden. Die Entwicklung von Apps mit erstklassiger Nutzerfreundlichkeit, meiner Meinung nach eine Notwendigkeit, um mit zentralisierten Lösungen konkurrieren zu können, ist für reine Open-Source-Projekte schwierig.
Daher kam ich nach langen Diskussionen während Bitcoin2022 zu der Einsicht, dass es eine Organisation benötigt, die den nötigen Fokus und die Ressourcen hat, um eine erstklassige User Experience zu ermöglichen. In den darauffolgenden Wochen folgten viele lange Gespräche mit Obi und Justin Moon, meinen beiden Mitgründern, über die Ausrichtung und das Verhältnis zum Fedimint Projekt. Nachdem wir Einigkeit darüber erlangt hatten, trieb Obi das Fundraising und die Gründung von Fedi dank seines enormen Erfahrungsschatzes als langjähriger CTO und CEO in Windeseile voran.
Etwas, was uns allen wichtig ist, ist, dass Fedimint als Protokoll unabhängig bleibt, ähnlich wie Bitcoin. Daher werde ich weiterhin, gefördert durch Blockstream, das Fedimint Projekt leiten und Fedi lediglich als Berater zur Seite stehen. Andere Wallets sind herzlich eingeladen, das Fedimint Protokoll zu integrieren. Ich glaube jedoch, dass Fedi als Pionier sehr wichtig ist und viele Probleme lösen wird, was die Integration für andere Wallets später vereinfacht. Das Ziel ist Bitcoin einfacher und sicherer nutzbar zu machen, das ist kein Nullsummenspiel und mehr Optionen für Nutzer sind immer besser."
Blocktrainer.de: „Kannst du abschließend noch einen kurzen Ausblick auf die Zukunft geben? Welche kommenden Schritte sind geplant?"
"Ich bin gewaltig gespannt auf den ersten Testlauf mit echten Mainnet-Bitcoin. Mein Ziel ist es beim HCPP22 im Oktober in Prag all meine Zahlungen mit Fedimint zu tätigen, vermutlich mit einem Prototyp des von Fedi entwickelte Wallets. Bis dahin gibt es noch viel zu tun und ich lade alle technisch versierten Bitcoiner ein, sich Fedimint anzuschauen und mit mir und vielen anderen daran zu arbeiten."
Blocktrainer.de: „Vielen Dank für das spannende Interview, Eric. Wir sind ebenfalls gespannt darauf, wie sich das Fedimint-Protokoll entwickeln und wie die Fedi-App aussehen wird, wenn sie einmal fertig ist. Wir behalten dich und deine Arbeit jedenfalls im Auge. Viel Erfolg weiterhin!"