Anti-Bitcoin-Lobbyarbeit in der EU!
Der Energieverbrauch von Bitcoin ist insbesondere in der Europäischen Union (EU) zu einem Dauerthema geworden, welches die Rufe nach stärkeren Regulierungen und Gegenmaßnahmen hat lauter werden lassen.
Das Wirtschaftsmagazin Forbes hat kürzlich einen umfangreichen Artikel veröffentlicht, in dem die Autorin die mögliche Einflussnahme vom Zahlungsdienstleister PayPal und den Firmen hinter Kryptowährungen wie Ethereum, Tron, Avalanche und Polygon behandelt.
Was hat Susie Violet Ward von Forbes in ihren Recherchen herausgefunden und lässt dies auf eine Anti-Bitcoin-Lobby schließen, in welche unter anderem Krypto-Firmen involviert sind? Blocktrainer.de fasst die Indizien zusammen.
Der Beginn des organisierten Bitcoin-Bashings
Im Februar 2021 kaufte der Autobauer Tesla für 1,5 Milliarden US-Dollar Bitcoin und begann, die digitale Währung für Zahlungen zu akzeptieren. Nur wenig später stellte Elon Musks Unternehmen jedoch den Verkauf der Autos gegen Bitcoin aufgrund umweltbezogener Bedenken wieder ein. Obwohl unter anderem das World Economic Forum im Jahr 2017 schon prognostizierte, dass Bitcoin im Jahr 2020 mehr Energie verbrauchen wird als die gesamte Welt zu dieser Zeit, war der Energieverbrauch seit 2021 erst wirklich in aller Munde. Wir brauchen vermutlich auch nicht zu erwähnen, dass die Prognose des WEF meilenweit daneben lag und sich die Autoren um mehr als 99,5 % verschätzten!
Die Tesla-Causa nahmen dennoch der Mitarbeiter der niederländischen Zentralbank, Alex de Vries, gemeinsam mit drei weiteren Akademikern zum Anlass, um ein Paper zu den Externalitäten von Bitcoin zu veröffentlichen. De Vries ist in der Bitcoin-Community für seine oft auf falschen Annahmen beruhende Arbeiten zum Bitcoin-Stromverbrauch bekannt.
Das Konzept der Externalitäten kommt aus der Volkswirtschaftslehre. Damit sollen die Kosten wirtschaftlicher Prozesse für die Gesamtgesellschaft berücksichtigt werden, welche nicht im normalen Preissystem Ausdruck finden. Beispielsweise könnte dies die Umweltverschmutzung oder der CO₂-Ausstoß im Rahmen der Produktion von bestimmten Gütern sein.
In dem besagten Paper von de Vries et al. mit dem Titel “The true costs of digital currencies: Exploring impact beyond energy use” ging es entsprechend unter anderem um den CO₂-Ausstoß des Bitcoin-Netzwerks, der laut den Berechnungen der Autoren höher als der von Ländern wie Österreich und Portugal sein sollte.
Neben den negativen Umweltaspekten gingen de Vries und und die Co-Autoren auch auf vermeintliche soziale Probleme des Bitcoin-Netzwerks ein, um die größte Kryptowährung aus ESG-Sicht in ein schlechtes Licht rücken zu können. Angeführte Beispiele dafür waren Sanktionsumgehungen oder die Verknappung auf dem Markt für Halbleiter, wodurch Home-Office-Equipment den Menschen ausgehen sollte. Aber auch Aspekte wie die Nutzung von Bitcoin für kriminelle Aktivitäten wie Steuerhinterziehung fanden Berücksichtigung in dem Paper.
CCRI entsteht
Die Co-Autoren von dem Paper, Ulrich Gallersdörfer, Lena Klaaßen und Christian Stoll gründeten im selben Jahr schließlich das Crypto Carbon Research Institute (CCRI). Das CCRI fokussiert sich darauf, ESG-Reportings für Kryptowährungen zu veröffentlichen. Dabei war eine klare Bevorzugung von Proof-of-Stake(PoS)- gegenüber Proof-of-Work(PoW)-Netzwerken zu erkennen:
Im Januar 2022 veröffentlichte das CCRI das Paper “Energy efficiency and carbon emissions of PoS Networks”. Wie aus dem Bericht hervorgeht, finanzierte es Avalanche Inc., die Firma hinter der PoS-Kryptowährung Avalanche. Das Ergebnis des Papers: PoS-Netzwerke verbrauchen um ein Vielfaches weniger Energie als Bitcoin und deswegen sollte sich die Stromverbrauchskritik nicht auf Avalanche und Co. richten.
In den letzten Jahren wurde Bitcoin wegen seines Stromverbrauchs und seiner Kohlenstoffemissionen heftig kritisiert. In der Öffentlichkeit wurden diese Befürchtungen und Anschuldigungen oft auf andere Blockchain-Protokolle übertragen, unabhängig von deren technischen Grundlagen oder Fähigkeiten, was der Akzeptanz von Blockchain-Protokollen in der Industrie, im öffentlichen Sektor und bei privaten Investoren schadete. Auf der Grundlage der für diese sechs Netzwerke [Cardano, Polkadot, Solana, Tezos, Avalanche und Algorand] berechneten Gesamtemissionen kann man zu dem Schluss kommen, dass auf Proof-of-Stake basierende Blockchain-Protokolle eine Strommenge verbrauchen, die die Diskussionen über ihren ökologischen Fußabdruck nicht rechtfertigen.
Aus dem Fazit des Papers
Im August erschien dann ein Paper zum Energieverbrauch und CO₂-Fußabdruck von der Kryptowährung TRON, finanziert von TRON Network Inc. und selbiges im Oktober finanziert durch Polygon Technology für die Kryptowährung Polygon. Beide Kryptowährungen nutzen ebenfalls den PoS-Konsensmechanismus, welcher vom CCRI in den Papern wiederholt als energieeffizienter als PoW hervorgehoben wird.
Auch speziell zu Ethereum erschien ein Paper. Konkret ging es dabei um den Umstieg der zweitgrößten Kryptowährung von PoW auf PoS, wobei die Autoren herausstellen, dass das Netzwerk so den Energieverbrauch sowie den CO₂-Fußabdruck um über 99,9 Prozent reduzieren konnte. Finanziert wurde das Paper von ConsenSys Software Inc., der Web3-Firma, die vom Ethereum-Mitgründer Joseph Lubin ins Leben gerufen wurde. ConsenSys spielt eine große Rolle beim Ethereum-Netzwerk, da es unter anderem an den Updates des Protokolls involviert ist.
Und sogar der Finanzdienstleister PayPal hat bei dem Research von CCRI indirekt die Finger im Spiel. Ein gemeinsamer Bericht des CCRI mit South Pole wurde in Absprache mit PayPal verfasst. In dem Bericht ging es um die Erforschung von Branchenmethoden, die Identifizierung von Lücken in den bestehenden Richtlinien sowie die Einbindung von Stakeholdern aus der Kryptowährungs- und Treibhausgasbuchhaltung zur Rückmeldung.
EU-Nachhaltigkeitsstandards für Kryptowährungen
Im Rahmen des regulatorischen Rahmenwerks MiCA, das in den kommenden Monaten vollumfänglich in Kraft treten wird, sowie der generellen Nachhaltigkeitsziele der EU ist das Thema CO₂-Ausstoß von Kryptowährungen mittlerweile auch inmitten von Brüssel angekommen.
Für die Entwicklung einer Methodik zur Entwicklung von Nachhaltigkeitsstandard für Kryptowährung gibt es derzeit eine aktive Ausschreibung durch die Europäische Markt- und Wertpapieraufsichtsbehörde (ESMA). In dieser beruft sie sich auch auf vermeintliche Belege dafür, dass Krypto-Assets je nach Konsensmechanismus erhebliche Schäden für das Klima und die Umwelt verursachen können.
Es gibt Belege dafür, dass Krypto-Assets dem Klima und der Umwelt erheblichen Schaden zufügen und negative wirtschaftliche und soziale Externalitäten erzeugen können, je nachdem, welcher Konsensmechanismus zur Validierung von Transaktionen verwendet wird. Die steigende Nachfrage nach Krypto-Vermögenswerten und die Ausweitung des Krypto-Minings, auch innerhalb der EU, könnten die Bemühungen der EU zur Erreichung ihrer Klima- und Nachhaltigkeitsziele im Einklang mit dem Pariser Abkommen untergraben. Die Maßnahme zielt darauf ab, die Fähigkeit der EU zu verbessern, die Auswirkungen des Krypto-Minings zu bewerten und abzumildern und spezifische Nachhaltigkeitsstandards zu entwickeln. Im Rahmen der vorbereitenden Maßnahme soll eine Methodik zur Messung der Klima- und Umweltauswirkungen der von Krypto-Assets genutzten Konsensmechanismen entwickelt und die Durchführbarkeit der Festlegung ökologischer Nachhaltigkeitsstandards für Krypto-Assets im Hinblick auf die Verabschiedung künftiger Legislativmaßnahmen im Bereich der Finanzregulierung von Krypto-Assets bewertet werden.
Aus der Ausschreibung
Im Oktober 2023, einen Monat nach der Ausschreibung, hat die ESMA hat das zweite Konsultationspapier zu den technischen Standards von MiCA veröffentlicht. In diesem verlangte sie von den Anbietern von Krypto-Asset-Dienstleistungen, den CASPs, spezifische ESG-Angaben – und das vor Ablauf der 13-monatigen Frist der noch nicht vergebenen Ausschreibung. Dies sowie die generelle Unklarheit bezüglich der regulatorischen Anforderungen sorgte bei den Dienstleistern für großen Unmut.
Einflussnahme auf EU-Regulierungen?
Da noch keine einheitlichen Standards zu Berichtsstandards bezüglich der Nachhaltigkeitskriterien von Kryptowährungen auf EU-Ebene vorhanden sind, steht auch noch die Frage aus, auf welche Zahlen sich die CASPs berufen werden.
Das CCRI scheint sich derweil als Goldstandard für die Grundlage der Nachhaltigkeitsberichte von CASPs positionieren zu wollen. Währenddessen ist die Methodik hinsichtlich der Ermittlung der CO₂-Bilanz von Bitcoin jedoch fragwürdig – unter anderem, weil das Institut auf Daten des Cambridge Bitcoin Electricity Consumption Index zurückgreift, die einige Schwächen aufweisen.
Generell versucht das CCRI nach außen den Schein zu wahren, Bitcoin gegenüber unvoreingenommen zu sein. Die könnte auch dahinterstecken, dass der Grund, warum Bitcoin auf dem energieintensiven Proof-of-Work-Konsensmechanismus basiert – nämlich um maximale Dezentralität gewährleisten zu können – vom CCRI nicht in den Vordergrund gestellt wird. Zudem lässt die Finanzierung des Research durch Krypto-Projekte auf einen möglicherweise vorliegenden Interessenkonflikt schließen, der auch dabei eine Rolle spielen könnte, dass das CCRI alternative Kryptowährungen in ein besseres Licht als Bitcoin rückt.
Es ist naheliegend, dass die Krypto-Firmen es bevorzugen würden, dass ihre Kryptowährungen von den Regulatoren als die “grüneren” und damit besseren Kryptowährung als Bitcoin wahrgenommen werden. Denn durch eine Benachteiligung von Bitcoin seitens der Regulatoren, könnten Anleger aus der EU vermehrt auf alternative Kryptowährungen ausweichen, wovon mittelbar auch diese Firmen profitieren würden. Diese potenzielle Einflussnahme durch das CCRI und die Firmen hinter Kryptowährungen könnte auch ein Grund sein, wieso im Rahmen von MiCA ein Verbot von Proof-of-Work zur Debatte stand. Letztlich fehlen aber handfeste Beweise, um dies mit Sicherheit behaupten zu können.
Bitcoin selbst hat keine Firma hinter sich, die durch die Ausgabe von Token profitiert hat und mit diesen Erlösen Einfluss auf die Politik nehmen könnte. Entsprechend gibt es nicht die “Bitcoin-Firma”, welche die Vorzüge von Bitcoin und PoW – wie die Dezentralität oder die Subventionierung überschüssiger Energie – in den politischen Diskurs einbringen kann.
Neben dem CCRI gibt es jedoch noch die deutsche DLC GmbH, die auch die erforderlichen MiCA-Datenpunkte liefert. Mit Dr. Sven Hildebrandt, der CEO von DLC ist ein bekennender Bitcoin-Befürworter. DLC betonte gegenüber Forbes die Unabhängigkeit und dass die regulierten Unternehmen, welche auf ihre Daten setzen, von mehreren der Big-4-Firmen geprüft wurden, ohne dass es dabei Bedenken hinsichtlich der Datenqualität gab. Dementsprechend gibt es nicht nur das Bitcoin-kritische Research des CCRI, auf welches sich die CASPs berufen können.
Das Dilemma der EU-Regulierung für Kryptowährungen
Es bleibt abzuwarten, in welcher Art und Weise Dienstleister wie Börsen die ESG-Daten, der Kryptowährungen, die sie anbieten, übermitteln müssen. In den kommenden Monaten sollte in diesem Punkt Klarheit herrschen. Ob die Firmen hinter alternativen Kryptowährungen aktiv Einfluss genommen haben, um Bitcoin zu schaden, während sie sich selbst in ein besseres Licht rücken, kann nicht mit Sicherheit behauptet werden – auch wenn Indizienlage eindeutig in diese Richtung zeigt.
Die Forbes-Autorin Susie Violet Ward fasst das Dilemma, zu dem der bislang nicht eindeutige Regulierungsrahmen sowie die hohen ESG-Reporting-Anforderungen an die CASPs ihren Teil beitragen, folgendermaßen zusammen.
Die Situation stellt ein komplexes Dilemma dar. Einerseits behauptet de Vries, die Berechnungen seien einfach, während die ausführlicheren Berichte des CCRI etwas anderes vermuten lassen. Der potenzielle Interessenkonflikt entsteht, wenn die Forschung von den zu bewertenden Protokollen finanziert wird. Die Beteiligung von PayPal verkompliziert die Vertrauensfrage zusätzlich, da das Unternehmen über ein umfangreiches Netzwerk verfügt. Es ist auch problematisch, den von den CASPs veröffentlichten Zahlen zu vertrauen, da diese ein persönliches Interesse daran haben, vorteilhafte Daten zu präsentieren.
Aus dem Forbes-Artikel
Der Wunsch nach mehr Transparenz und einer Untersuchung möglicher Einflussnahme von Krypto-Firmen auf die EU-Regulierung ist an dieser Stelle nicht unbegründet, erklärt Ward.
Das Zusammenspiel zwischen Finanzunternehmen wie PayPal, PoS-Protokollen und Regulierungsbehörden verdeutlicht die Komplexität der Gewährleistung von Transparenz und Nachhaltigkeit im Kryptosektor. Während die MiCA-Vorschriften Gestalt annehmen, wird der Einfluss dieser Akteure weiter wachsen, was eine sorgfältige Prüfung der Methoden und potenzieller Interessenkonflikte erforderlich macht. Dies zeigt, dass robuste, unabhängige Methoden und eine transparente Berichterstattung erforderlich sind, um neue Vorschriften wirksam zu handhaben.
Aus dem Forbes-Artikel
Wie sich die MiCA-Verordnung letztlich auf den europäischen Krypto-Markt auswirken wird und ob Bitcoin auf EU-Ebene aufgrund des energieintensiveren Konsensmechanismus benachteiligt wird, gilt es in den kommenden Monaten zu beobachten.