Die Vorbereitungsphase des Digitalen-Euro-Projektes der Europäischen Zentralbank (EZB) ist seit November 2023 voll im Gange. Am 19. Februar 2024 fand im Paul-Löbe-Haus des Deutschen Bundestags die 81. Sitzung des Finanzausschusses statt, wobei das Thema „Digitaler Euro“ auf der Tagesordnung stand. Verschiedene Sachverständige haben sich den Fragen der Fraktionen – Die Linke und BSW verzichteten auf die Teilnahme – gestellt, um über die Ausarbeitung der europäischen „digitalen Zentralbankwährung“ (CBDC) zu informieren und die Diskussion zu den Anträgen der CDU/CSU-Fraktion und der AfD zu begleiten.

CBDC-kritische Anträge

CDU und CSU fordern in ihrem Antrag einen Zustimmungsvorbehalt der nationalen Parlamente der EU-Mitgliedstaaten – das heißt auch des Deutschen Bundestags – bei der Einführung eines digitalen Euros im Rahmen der Europäischen Union. Die Fraktion will eine „breite gesellschaftliche Debatte zum digitalen Euro“ fördern. Zudem soll der Status des Bargelds als gesetzliches Zahlungsmittel unverändert bleiben.

Die AfD ist generell gegen die Einführung eines digitalen Euros und verlangt von der Bundesregierung, sich aktiv gegen digitale Zentralbankwährungen einzusetzen. Zudem will die Fraktion die „uneingeschränkte Nutzung von Bargeld“ zum Grundrecht machen.

Die Anträge gaben letztlich die Themen vor, zu denen die verschiedenen Fraktionen Sachverständige einluden, welche die jeweiligen Standpunkte untermauern oder andere Meinungen entkräften sollten.

„Vorteile“ des digitalen Euros

In der Fragerunde wurden den Sachverständigen vermehrt die Frage nach den Vorteilen und dem Nutzen des digitalen Euros gestellt. Dabei vertreten Prof. Dr. Volker Wieland, Professor für Monetäre Ökonomie (eingeladen von CDU/CSU), sowie Prof. Dr. Rainer Böhme, Ingenieur und Professor für Datensicherheit und -schutz (eingeladen von Bündnis 90/Die Grünen), den Standpunkt, dass der digitale Euro eine gute Alternative zum Bargeld sein könnte. Bargeld sei die einzige direkte Forderung, die Menschen gegen Zentralbanken vorweisen könnten. Alles andere, wie die Schuldverschreibungen (Giroeinlagen/privates Digitalgeld) bei den Banken, sei nur ein „Versprechen der Privatwirtschaft“, bemerkte Böhme. Wenn der digitale Euro so konstruiert wäre wie digitales Bargeld, würde er durch die direkte Emission der Zentralbank eine Alternative zum Bargeld darstellen und den Menschen mehr – und nicht, so wie in China, weniger – Macht geben. Mit einem digitalen Euro hätten die Bürgerinnen und Bürger direkte Konten bei der Notenbank und Zugang zu Zentralbankgeld. Dadurch würden die Transaktionskosten geringer werden und es gäbe kein Insolvenzrisiko mehr, dafür aber mehr Potenzial für Innovation, meinte Wieland.

Weitere Vorteile des digitalen Euros wurden vom Bundesbank-Vorstandsmitglied Burkhard Balz angeführt, der als Fraktions-unabhängiger Sachverständiger eingeladen wurde. Er ist der Meinung, dass ein staatliches Angebot einer digitalen Geldform etwas sei, das die Bevölkerung will. Zudem nannte er die Möglichkeit des Staates, direkte Auszahlungen staatlicher Leistungen (wie Kindergeld) an die Bürger zu tätigen, was die Zahlungen zwischen Staat und Bevölkerung vereinfachen würde.

Zusammenfassend sehen die Sachverständigen die Vorteile eines digitalen Euros also in den vereinfachten und günstigeren Transaktionen zwischen Staat und Bevölkerung, dem fehlenden Insolvenzrisiko, dem obsoleten Vertrauen in private Banken und dem „Willen der Bevölkerung“.

Nur Bares ist Wahres

Die uneingeschränkte Nutzung von Bargeld, wie in den Anträgen der Unionsfraktion und der AfD gefordert wurde, wird letztlich von fast keinem Sachverständigen infrage gestellt.

Balz betonte die weiterhin positive Stellung und Zukunft des Bargelds. Die Bundesbank habe viel Vertrauen in das Bargeld, was vor allem durch die Planung der dritten Generation der Euro-Noten sowie einer neuen Bargeldstrategie für Deutschland verdeutlicht werden soll (Investitionen ins Bargeld). Die Attraktivität von Bargeld wird aufrechterhalten und die Bargeldversorgung sei ein Mandat der deutschen Bundesbank, fügte Balz hinzu.

Auch für andere Sachverständige, wie Professor Böhme oder Professor Ulrich Reuter von der Deutschen Kreditwirtschaft, ist der Erhalt des Bargelds essenziell. Nur der von der AfD eingeladene Sachverständige Prof. Dr. Philipp Bagus, Volkswirt, Autor und Verwaltungsratspräsident einer Goldverwahr-Firma, sieht in dem digitalen Euro und den digitalen Zahlungsmöglichkeiten wie Überweisungen und Kreditkarten eine allmähliche Abschaffung des Bargelds. Dies führte Bagus auf machtpolitische Gründe zurück. Der digitale Euro sei im Interesse der Politik, die dadurch eine versteckte Steuererhöhung durchsetzen, Zahlungen nachvollziehbar machen und somit mehr Kontrolle ausüben (Gefahr für Privatsphäre; Kontosperrungen) sowie mehr Spielraum für restriktive geldpolitische Maßnahmen (z.B. „grenzenlose“ Negativzinsen) schaffen könnte. Bei seinen Ausführungen bezieht er sich auch auf die Österreichische Schule und den Cantillon-Effekt, um seinen Standpunkt zu verdeutlichen.

Einen digitalen Euro hält er für überflüssig und ist strikt dagegen. Deshalb sollte dieses Projekt auch nur mit der Zustimmung des Volkes (durch Volksbefragung) und nicht gegen den Willen der Bevölkerung beschlossen werden. Bargeld sollte das einzige gesetzliche Zahlungsmittel sein, das am besten noch an einen Goldstandard gebunden ist, da dies die Macht des Staates beschränkt.


Bagus setzte sich für fundamentale Freiheitsrechte und ein öffentliches freies Geld ein und stellt das staatliche Geldmonopol infrage, da man Politikern nicht trauen könne. Durch die Geldschöpfung des Staates würde ein Wohlfahrtsstaat geschaffen, der Familien, Arbeitsmoral und den gesellschaftlichen Zusammenhalt zerstört, fügte er hinzu.

Ist es nicht besser, ein privates Geld zu haben, ein freies Geld?
Prof. Dr. Philipp Bagus auf der 81. Sitzung des Finanzausschusses


Für die Aussagen über Bargeld und den Machtmissbrauch der Politiker wird Bagus von den anderen Sachverständigen und den Fraktionen (außer der AfD) kritisiert.

Technische Umsetzung des digitalen Euros

Professor Böhme war sehr verwundert, dass genauere Informationen zur technischen Umsetzung des digitalen Euros und zum Datenschutz, der zum Schutz vor Missbrauch und Überwachung durch den Staat eine wichtige Voraussetzung darstelle, fehlen und somit eine Einschätzung erschweren.

Die Aufgabe der Zentralbank sei es, Vertrauen in die Stabilität und Anonymität der Währung zu schaffen. Der digitale Euro müsse unabhängig von privatwirtschaftlichen Vertragsbeziehungen sein und ein hohes Datenschutzniveau aufweisen. Seiner Meinung nach könne eine gute CBDC-Architektur zum Beispiel mit Kryptographie und Open-Source-Anwendungen realisiert werden. Dezentrale Blockchains hält Böhme für den digitalen Euro jedoch als nicht effizient, da die meisten Blockchains einen zu geringen Transaktionsdurchsatz besitzen und der digitale Euro mehr als 250.000 Transaktionen pro Sekunde erreichen soll. Zudem stuft Böhme eine dezentrale Blockchain für eine zentrale Instanz wie die EZB als unbrauchbar ein. Zusätzlich sei ein produktiver Umgang mit Sicherheitslücken (z.B. durch Belohnungen für Hinweise auf Sicherheitslücken, d.h. Bug Bounties) wünschenswert. Derartige, in der Informatik etablierte Prinzipien zur Vertrauensbildung sollen auch auf den digitalen Euro angewendet werden, um eine möglichst breite Akzeptanz zu schaffen, ohne von privatwirtschaftlichen Verträgen abhängig zu sein.

Etwas konkreter äußert sich der auf Wunsch der FDP geladene Vertreter der Digital Euro Association, Dr. Jonas Gross, zum Datenschutz und zu dessen technischer Umsetzung. Dazu gäbe es Hardware- und Softwarelösungen, wobei die Offenlegung von Teilen des Codes des digitalen Euros wünschenswert sei. Die Open-Source-Technologien sind für die Digitale Euro Association schon lange ein wichtiges Thema. Deshalb war Gross auch positiv überrascht, dass das Thema nun auch zunehmend in der Politik diskutiert wird, erklärte er auf Anfrage von Blocktrainer.de.

Insgesamt halte ich es für ein positives Zeichen, dass sich die politischen Parteien nun immer mehr mit dem digitalen Euro beschäftigen. Es hat sich in der Anhörung gezeigt, dass viel Wissen aufgebaut wurde – und zurecht die Frage nach dem Nutzen für den Bürger häufig gestellt wurde.

Aus meiner Sicht war es sehr positiv zu sehen, dass sich einige Fragen an die Sachverständigen mit dem Thema „Open-Source“ beschäftigt haben, wofür wir uns als Digital Euro Association seit Jahren einsetzen. Natürlich ist es hier noch ein weiter Weg – auch da es ein neues Paradigma für Zentralbanken ist – aber das Thema wird nun zurecht mehr und mehr aufgegriffen.
Statement von Dr. Jonas Gross zur Anhörung im Finanzausschuss 


Gross sieht eine eigene CBDC-Blockchain zwar für umsetzbar, sie wäre jedoch weder dezentral noch ohne die Erlaubnis der EZB nutzbar (Permission-System) und hätte demnach nichts mit Blockchains wie die von Bitcoin gemeinsam. Offline-Transaktionen könnten mit Offline-Wallets durchgeführt werden, die vorher mit einem begrenzten Betrag über Online-Wallets aufgeladen wurden. Anonymität könnte man mit Secure Elements, Blinden Signaturen und Zero Knowledge Proofs realisieren, wobei der digitale Euro laut Gross nur dann ein gewisses Vertrauen finden kann, wenn Open-Source-Technologien beteiligt sind und statt politischer Versprechen technische Garantien der Privatsphäre existieren.

Risiken für die Finanzstabilität

Professor Ulrich Reuter (Sparkassenpräsident) sowie Professor Markus Brunnermeier (Volkswirt und Professor für Volkswirtschaftslehre) äußerten während der Anhörung Bedenken zur gefährdeten Finanzstabilität durch den digitalen Euro. Wallets müssten reguliert und überwacht werden und ein Haltelimit besitzen, da dieses Geld dem Kreislauf der Wirtschaft entzogen wird. Eine Obergrenze von wenigen Hundert Euro stand im Raum, damit die Gefahren für die Finanzmarktstabilität beherrschbar bleiben.

Die Finanzierungsbedingungen der Wirtschaft würden sich verändern, wenn durch den digitalen Euro die Einlagen bei den Banken geringer werden. Dies könnte schließlich auch zu veränderten Kreditkonditionen führen. Während die Banken weniger Überschussreserven bei der EZB halten würden, werden Privatbürger ihre Reserven direkt bei der EZB halten. Der Anker des Bargelds würde durch den neuen Anker des digitalen Euros ersetzt werden. Wenn der digitale Euro mit Zinsen an die Banken weitergegeben wird, könnte das die Profite der Banken reduzieren und ihr Geschäftsmodell beeinträchtigen. Die Funktion des digitalen Euros müsse demnach als Zahlungsmittel beschränkt bleiben und darf nicht zur Wertaufbewahrung spekulativ missbraucht werden. Zudem nehme die EZB eine zu große Rolle bei der Gestaltung des digitalen Euros ein. Er solle ausschließlich als Zahlungsmittel und nicht als konkurrierendes Zahlungsverfahren entwickelt werden.

Die EZB hält diese Bedenken für übertrieben. Es gäbe bereits Vorkehrungen, die sicherstellen, dass der digitale Euro ausschließlich als Zahlungsmittel benutzt werden kann. Dazu gehören ein nicht genauer definiertes Haltelimit und eine direkte Verbindung mit dem Girokonto. Außerdem sollen keine Zinsen auf Guthaben in digitalen Euro erhoben werden. Somit hätten die Bürgerinnen und Bürger mit dem digitalen Euro direkten Zugang zum ausfallsicheren Zahlungsmittel der EZB. Sollte sich die EU für die Einführung der digitalen Form des Euros entscheiden, würde dies frühestens im Jahr 2027 geschehen.

Gefahr anderer Währungen

Eine weitere Gefahr sehen einige Sachverständige und Notenbanker auch in anderen Währungen, die nicht an den Euro gekoppelt sind. Durch den digitalen Euro wird der Euro im Bankensystem verankert, sodass der Einfluss anderer CBDC-Währungen (z.B. Dollarisierung) im Euroraum keine große Gefahr darstellt. Für andere kleinere Länder könnte dies jedoch eine Bedrohung sein und die Bedeutung der eigenen Landeswährung verringern.

Auch private Währungen von Unternehmen oder unabhängiges Geld wie Bitcoin wird in diesem Zusammenhang kritisch betrachtet. Im Gegensatz zu den staatlich kontrollierten Währungen werden der Bevölkerung derartige Währungen jedoch nicht aufgezwungen. Die Menschen können sich frei dafür entscheiden. Die Zunahme von Finanzkrisen könnte diese Entwicklung beschleunigen. Bitcoin kann in Verbindung mit Second-Layer-Technologien viele Eigenschaften bieten, die von CBDCs gefordert werden, jedoch ohne die Einflussnahme einer zentralen Instanz wie der EZB. Vielleicht sollten die Verantwortlichen diese Option in ihre Strategie einbeziehen.

Fazit

Es ist durchaus zu begrüßen, dass sich die Politik kritisch mit der Einführung des digitalen Euros auseinandersetzt. Der hohe Stellenwert von einem technisch garantierten Datenschutz und Open-Source-Anwendungen unterscheidet sich von zum Beispiel der chinesischen CBDC. Trotzdem sollte man die kritischen Stimmen, die bei der Anhörung zum Beispiel von Professor Bagus geäußert wurden, nicht einfach als Verschwörungstheorie abtun. Schließlich wird mit der Einführung des digitalen Euros eine Infrastruktur geschaffen, die auch missbraucht werden kann. Niemand weiß, welche Intentionen zukünftige Regierungen verfolgen werden. Sollte die Überwachung und Zensur der Bevölkerung durch die digitale Geldform möglich sein, wird es eines Tages auch gegen die Menschen eingesetzt. Die Politik sollte alles dafür tun, dass derartige Szenarien niemals eintreten können. Blocktrainer.de meint: Der weiterhin freie Zugang zu freiem Geld wie Bitcoin und ein freier Währungswettbewerb wären zu begrüßen und auch Bargeld sollte als freies Geld erhalten bleiben und nicht von einer zentral herbeigeführten Verdrängung oder gar Ersetzung bedroht werden.