Erst vor wenigen Wochen machte der Bitcoin- und Lightning-Entwickler Antoine Riard mit der Veröffentlichung einer neuartigen Angriffsmethode auf das Lightning-Netzwerk auf sich aufmerksam. Während er bereits im Oktober verkündete, sich aus der Lightning-Entwicklung zurückziehen zu wollen, erklärte er nur kurz darauf, sich doch noch ein paar weitere Monate darauf konzentrieren zu wollen, "um den Wechsel mit der jüngeren Generation der LN-Entwickler zu vollziehen".

In einer überraschenden Wendung hat Riard gestern bekannt gegeben, dass er sich nun doch für unbestimmte Zeit aus der Entwicklung von Bitcoin Free and Open Source Software (FOSS) zurückziehen wird. Der für seine Beiträge zu Bitcoin Core und zum Lightning Development Kit bekannte Entwickler erklärte, dass er keine Code-Beiträge mehr leisten und zukünftige Einladungen zu CoreDev-Meetings ablehnen wird. Er benennt zwei Hauptgründe für seine Entscheidung, nämlich Meinungsverschiedenheiten mit Kollegen bei "Spiral" und "Chaincode Labs", sowie ein erhöhter Fokus auf seine eigenen Geschäftsaktivitäten. Allerdings brachte er auch erneut einige - seiner Meinung nach - systemische Risiken im Lightning-Netzwerk zur Sprache.

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Differenzen mit anderen Entwicklern

Riard betonte, dass der anhaltende Konflikt mit einigen Personen bei Spiral und Chaincode Labs, die zuvor sein Vertrauen genossen hatten, zu seinem Entschluss beigetragen hat. Er beschreibt diesen Konflikt als langwierig und vermutet, dass eine Lösung ebenso lange dauern könnte. Riard äußerte den Wunsch, seine Zeit und Energie lieber darauf zu verwenden, eine für alle Seiten zufriedenstellende Lösung zu finden.

Die offene Fehde mit einigen Leuten bei Spiral und Chaincode, was auch immer ihre Beiträge zu Bitcoin sind, [ist einer der Hauptgründe für mein Sabbatical]. Diese Leute hatten mein Vertrauen, sie brachen es und ich bin nicht Mutter Teresa. Dieser Streit dauert nun schon seit fast 2 Jahren an, ich schätze, dass es genauso lange oder sogar noch länger dauern wird, ihn zu lösen, und ich ziehe es vor, meine Zeit und Energie darauf zu verwenden, eine Lösung zu finden, die alle zufriedenstellt.

Antoine Riard

Geschäftliches & Geld

Zusätzlich zu diesen zwischenmenschlichen Differenzen erwähnte Riard auch seine Absicht, sich verstärkt seinen geschäftlichen Unternehmungen zu widmen. Er berichtete von einer steigenden Nachfrage seiner Kunden und der Notwendigkeit, diesen wachsenden Projekten mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Langfristig plant Riard, ein eigenes Hedgefonds-Unternehmen zu gründen und - so wörtlich - ein Vermögen "von 100 Millionen oder einer Milliarde US-Dollar zu erreichen". Als Grund für das Ziel, eine derartige Summe an persönlichem Reichtum anhäufen zu wollen, gab er an, dass man als Bitcoin-Entwickler immer damit rechnen muss, ins Visier von finanzstarken Gegnern genommen zu werden. Er spielte dabei unter anderem auch auf Craig Wright an, der bereits seit geraumer Zeit vorgibt, der Bitcoin-Erfinder Satoshi Nakamoto zu sein und seit jeher versucht, dies gerichtlich durchzusetzen.

Ich konzentriere mich auf das Wachstum meiner Geschäftstätigkeiten. Es kommen immer mehr Kunden, deren Projekte wachsen, und das verlangt immer mehr von meiner Aufmerksamkeit. Langfristig, wenn der Markt ausgereifter ist, möchte ich meine eigene Hedgefonds-Firma aufbauen und den Meilenstein von $100 Millionen oder $1 Milliarde persönlichen Reichtums erreichen (schließlich kann man, wenn man an Bitcoin FOSS arbeitet, von $$$-Gegnern ins Visier genommen werden, wie z.B. von einem Mann, der vorgibt, Satoshi zu sein, und man muss sich infolgedessen verteidigen).

Antoine Riard

Systemische Risiken im LN

In Bezug auf das Lightning Netzwerk äußerte Riard erneut Bedenken über systemische Risiken, die seiner Meinung nach das Netzwerk und die darin investierten Mittel gefährden könnten. Er sprach von einer möglichen Anfälligkeit für massive Sicherheitslücken in den kommenden Jahren und zeigte sich skeptisch hinsichtlich der Entwicklung von Gegenmaßnahmen. Er äußerte die Befürchtung, dass das Lightning Netzwerk zunehmend auf vertrauenswürdige Dritte angewiesen sein könnte, um Sicherheitsprobleme zu lösen, was zu einer Zentralisierung und Einschränkung des Netzwerks führen könnte.

Was Lightning anbelangt, so habe ich meine technische Meinung zum Stand der Infrastruktur und zu den Implementierungen immer wieder deutlich gemacht. Es gibt einen erheblichen Anteil an systemischen Risiken, die sich auf das Netzwerk auswirken, und es könnte ein oder zwei Jahrzehnte dauern, bis sie alle auf solide Weise angegangen werden. In der Zwischenzeit sind alle Endnutzer und ISP-Fonds dem Risiko ausgesetzt, dass sie angegriffen werden oder es ständig zu DoS-Angriffen kommt.

Antoine Riard

Trotz seiner Bedenken bezüglich des Lightning Netzwerks äußerte sich Riard zuversichtlicher über den Bitcoin-Mainlayer. Er lobte die technischen Grundlagen und viele Arbeit, die in dessen Sicherheit investiert wird. Allerdings wies er auch auf Bereiche hin, die seiner Meinung nach etwas Anlass zur Sorge geben, wie beispielsweise den Zustand des Mempools und die langfristige Belohnung der Miner-Hashrate.

Was die Bitcoin-Basisschicht angeht, bin ich optimistischer. Die technischen Grundlagen sind solide und es wurde wahnsinnig viel Arbeit in die Absicherung der Bitcoin-Core-Codebasis gesteckt. Mögliche Sicherheitslücken auszunutzen, falls es überhaupt welche gibt, erfordert eine sehr hohe technische Messlatte und ein hohes Maß an Angreiferfähigkeiten und -ressourcen. Das aktuelle Team von Mitwirkenden ist kompetent, erfahren und engagiert. Dennoch sollte der technische Zustand des Mempools, die Pflege eines gesunden Nachfragemarktes für Blockspace und eine ausreichende langfristige Belohnung für die Hashrate-Produktion der Miner meiner bescheidenen Meinung nach ein Grund zur Sorge für jeden Bitcoin-Besitzer sein. Es gibt nur wenige andere systemische Risiken, die zu beachten sind (z. B. Fortschritte im Quantencomputing), aber insgesamt ist die Robustheit des Systems ziemlich gut.

Antoine Riard

Abschließend betonte Riard, dass er weiterhin ein Auge auf Konsensänderungen haben und sich der Sicherheitsforschung widmen wird, allerdings mehr als persönliche Herausforderung denn als Beitrag zur Open-Source-Community. Er erklärte, dass die Bitcoin-Community nicht mehr mit weiteren Open-Source-Beiträgen von seiner Seite rechnen solle. Allerdings stellte er auch klar, dass das, was er im Oktober sagte, noch immer gilt. Er wird die Übergabe einiger Arbeiten an gewissen Problemstellungen im Lightning-Netzwerk trotzdem noch an die folgende Generation durchführen - aus Loyalität zu einigen Personen, erklärte er.

Ich hoffe, dass das Ökosystem in der Lage sein wird, künftige Talente in den Bereichen Sicherheit und Protokolldesign anzuziehen und zu halten, eine bessere Kultur für sie zu schaffen und auf diese Weise Bitcoin am Leben zu erhalten.

Antoine Riard