Es gab in der Vergangenheit schon zahlreiche Studien, die sich dem Energieverbrauch des Bitcoin-Netzwerks oder den daraus resultierenden CO₂-Emissionen angenommen haben. Einige davon sind relativ unbestritten, aber auch teilweise nicht hinreichend genau, andere sind wiederum mehrfach widerlegt und als falsch erwiesen. Zu den bekanntesten Studien in diesem Bereich gehören die Arbeiten der Universität Cambridge und deren Cambridge Bitcoin Electricity Consumption Index (CBECI sowie einige Paper der niederländischen Zentralbank. Was diese früheren Studien jedoch allesamt gemein haben, sind wenig akkurate Zahlen, die entweder auf Fehlannahmen oder schlechter Methodik basieren. Manchmal, wie im Falle der niederländischen Zentralbank oder allen Werken vom Ökonomen Alex De Vries (der übrigens auch für eben jene Zentralbank tätig ist), ist sicherlich auch eine persönliche Abneigung gegen den Bitcoin und Kryptowährungen per se ein treibender Faktor.

Auch die Betrachtungsweisen der Studien, die oft relativ einseitig und nicht kontextuell waren und den Energieverbrauch weder mit dem Nutzen des Netzwerks, noch mit dem traditionellen Bankensystem in Relation setzten, war ein häufig genannter Kritikpunkt.

Der libanesisch-stämmige und mittlerweile in Frankreich lebende Wissenschaftler Michel Khazzaka nahm sich dies zum Anlass, um den Energieverbrauch des Bitcoin-Netzwerks mit möglichst akkuraten wissenschaftlichen Methoden zu untersuchen und mit dem globalen Fiat-Finanzsystem zu vergleichen. Khazzaka selbst arbeitet seit mehr als 17 Jahren als Informatik-Ingenieur und leitete verschiedene Arbeitsgruppen im Bereich des Zahlungs- und Interbankenverkehrs. Er war außerdem als Dozent an verschiedenen Universitäten auf fünf Kontinenten aktiv.

In seinem 27-seitigen Paper Bitcoin: Cryptopayments Energy Efficiency stellt er auf einem wissenschaftlichen Ansatz und auf "Physik, Informatik und Ökonomie basierend" dar, dass das Bitcoin-Netzwerk 56-mal weniger Energie verbraucht, als das klassische Bankensystem und dabei sogar doppelt bis fünffach so energieeffizient ist.

Blocktrainer.de hat sich die Studie angesehen und fasst die wichtigsten Erkenntnisse zusammen:

Vorgehensweise/Methodik

Verglichen wurden Bitcoin und das traditionelle Finanzsystem ausschließlich im Hinblick auf den Betrieb ("run") und nicht auf deren Aufbau ("build"). Der Bau von Gebäuden, Geldautomaten, aber auch ASIC-Minern wird in der Studie nicht berücksichtigt, obwohl Bitcoin hier klar im Vorteil wäre.

Während frühere Studien fast immer den Fehler gemacht haben und Bitcoin lediglich als Zahlungsnetzwerk zu betrachten und mit ähnlichen Netzwerken wie zum Beispiel VISA zu vergleichen, stellt die aktuelle Studie heraus, dass diese Vorgehensweise Bitcoin keineswegs gerecht wird.

"Die meisten der verfügbaren Studien haben den Punkt übersehen, dass es ein Fehler ist, Bitcoin nur mit Visa zu vergleichen, da ein Kreditkartensystem eine Zahlungstransaktion nicht von Ende zu Ende ausführt, wie es bei Bitcoin der Fall ist. Ein Kartensystem gewährleistet eine Autorisierung in Echtzeit zwischen den Akteuren der Zahlungswertschöpfungskette: der Bank des Karteninhabers, genannt Issuer und der Acquirer-Bank des Händlers.
Aber meistens müssen das Kartennetzwerk und die beiden Banken die Transaktion in einem späteren Schritt unter Verwendung von Zentralbankgeld und im Falle einer grenzüberschreitenden Zahlung manchmal auch zwischen verschiedenen Zentralbanken
abwickeln. Im Vergleich dazu ist eine Transaktion in Bitcoin fast in Echtzeit abgeschlossen, es ist eine Push-Zahlung in nur einem Schritt und die Abschlusszeit beträgt im Durchschnitt etwa 10 Minuten im Durchschnitt (oder viel weniger durch Lightning)."

- Michel Khazzaka

Laut Khazzaka ist der beste Weg, um das klassische Geld- und Zahlungssystem mit Bitcoin zu vergleichen, der Vergleich aller ihrer gemeinsamen Fähigkeiten in Bezug auf den Verbrauch. Dazu gehören unter anderem die Emission von neuen Geldeinheiten und deren Verteilung, die zugehörige Buchhaltung und Zahlungen (lokal und grenzüberschreitend).

Während Bitcoin all diese Funktionen in sich vereint, müssen im Hinblick auf das Fiat-System mehrere verschiedene Prozesse in die Überlegungen und Berechnungen einbezogen werden. Dazu gehören der Druck von Geldscheinen sowie das Prägen von Münzgeld, der Betrieb von Geldautomaten, die Distribution von Bargeld, der Betrieb von Point-of-Sale-Devices und Kreditkartennetzwerken, der Betrieb von Bankfilialen inklusive des Arbeitsweges der Angestellten, der Betrieb der Rechenzentren und einige weitere Aspekte.

Ob wirklich der Arbeitsweg von Bankangestellten mit in die Studie einbezogen werden muss, lässt aber zumindest Raum für Kritik. Natürlich sind diese für den Betrieb des Fiat-Systems essenziell, allerdings müsste man dann auch zumindest die Mitarbeiter in Mining-Betrieben mit in die Rechnung einbeziehen (auch wenn diese natürlich nur ein winziger Bruchteil und vermutlich vernachlässigbar sind).

Energieverbrauch des traditionellen Finanzsystems

Um all diese Punkte auch in der Einzelbetrachtung hinsichtlich des jeweiligen Energieverbrauchs zu evaluieren, beschrieb Michel Khazzaka in jedem Schritt sehr genau, wie er den jeweiligen Verbrauch ermittelt und welche Facetten es zu beachten gilt. Für die Ermittlung des Energieverbauchs für das Drucken von Geldscheinen ist es beispielsweise wichtig, auch deren Lebensdauer einzubeziehen, da Banknoten regelmäßig nachgedruckt werden müssen. Es würde im Rahmen dieses Beitrags zu weit führen, auf jede Berechnung einzeln einzugehen, weswegen wir die Ergebnisse übersichtlich in einer Tabelle darstellen:

Prozess Energieverbrauch in TWh/Jahr
Drucken von Banknoten 906
Prägen von Münzen 2,5
Betrieb von Geldautomaten 47
Distribution von Bargeld 166
Bargeldzahlungen + PoS 72,8
Kartenzahlungen 71,71
Betrieb von Bankfilialen 151,6
Bankangestellte 3420
Bankeninfrastruktur (IT) 31,6
Inter-Banken-System 112,28
Gesamt 4981,49
Quelle: Bitcoin: Cryptopayments Energy Efficiency

Der in der Studie ermittelte gesamte Energieverbrauch des klassischen Bankensystems beläuft sich demnach auf ungefähr 4981 Terawattstunden pro Jahr.

Energieverbrauch des Bitcoin-Netzwerks

Laut der Cambridge Universität liegt der jährliche Energieverbrauch des Bitcoin-Netzwerks zwischen einer unteren Grenze von 53,29 TWh/Jahr und einer oberen Grenze von 356,83 TWh/Jahr bei etwa 144,82 TWh/Jahr. Aufgrund der großen Spanne zwischen unterer und oberer Grenze bezeichnete Khazzaka die Arbeit der Cambridge-Forscher mehr als "Schätzung" denn eine präzise Evaluation. Aus diesem Grund wollte er im Zuge seiner Studie diese Zahl nicht einfach als gegeben annehmen, sondern eigene, möglichst präzise Berechnungen anstellen.

"Die beste und wissenschaftlich präziseste Methode besteht darin, die Bitcoin-Mining-Nodes und Hardware-Einheiten zu zählen und dann auf der Grundlage der erforderlichen Rechenleistung (PoW-Schwierigkeit) der installierten Anzahl von Mining-Einheiten die tatsächlich […] verbrauchten kWh genau zu bestimmen."

- Michel Khazzaka

Das Einbeziehen der Rentabilität von einzelnen ASIC-Modellen würde jedoch zu Ungenauigkeiten führen, da bei diesem Ansatz auch deren jeweilige Strompreise etc. einbezogen werden müssten. Aus diesem Grund ist der wissenschaftlich bessere Weg, die Effizienz der Geräte zu betrachten. Khazzaka erklärte:

"Es ist wichtig, eine Auflistung aller derzeit verwendeten ASIC-Hardware nach ihrer Rentabilität zu vermeiden. Dieser Ansatz erfordert die Berücksichtigung von Strompreisen und wir sollten diesen ungenauen Weg in unserer Forschung nicht verwenden. Ein besserer Weg ist einfach die Hardware-Effizienz, d.h. die verbrauchten Watt pro Terahash und die Erscheinungsdaten der einzelnen Modelle. Unrentable Miner-Einheiten sind heute höchstwahrscheinlich ausgeschaltet, denn per Definition verliert der Miner buchstäblich Geld, wenn er sie einschaltet, je nach Stromkosten. Wir haben uns jedoch bei industriellen Miningunternehmen vergewissert, dass sie immer noch bestimmte ältere ASIC-Modelle verwenden, die heute aufgrund des durchschnittlichen Strompreises als unrentabel gelten. Das ist möglich, weil bestimmte industrielle Miner sehr niedrige Energiekosten ausgehandelt haben, die ältere Modelle rentabel machen."

- Michel Khazzaka

Auf Grundlage dieser Annahmen und seinen Berechnungen kam der Wissenschaftler zu dem Ergebnis, dass der derzeitige Energieverbrauch von Bitcoin mit einer Abweichung von weniger als 5% bei etwa 88,95 Terawattstunden pro Jahr liegt. Also genau zwischen der von Cambridge ermittelten unteren Grenze und deren mittleren Schätzwert.

Vergleich der Effizienz

Baselayer

Lediglich zu zeigen, dass das traditionelle Finanzwesen etwa 56-mal so viel Energie benötigt, wie das Bitcoin-Netzwerk, ist zwar ein guter Anfang, wirklich interessant wird es jedoch erst, wenn man die beiden Systeme hinsichtlich ihrer Energieeffizienz auf der jeweiligen Transaktionsebene vergleicht. Dabei müssen Aspekte wie das Transaktionsvolumen (das derzeit im Fiat-System mehr als 5000-mal höher ist, als bei Bitcoin), aber auch die Geschwindigkeit bis zum finalen Settlement einer Transaktion einbezogen werden. Khazzaka unterscheidet in seinen Ergebnissen außerdem zwischen der aktuellen Situation des Bitcoin-Netzwerks und der theoretischen Effizienz, bei voller Auslastung der Blockgröße et cetera. Wir präsentieren die Ergebnisse wieder in einer Tabelle:

Energie
(TWh/Jahr)
Kapazität
(Tx/Jahr)
Zeit
(Min)
Effizienz
Fiat-System 4981 3146 Billionen 2880 1x
Bitcoin (aktuell) 89 133 Millionen ~7 1,2x
Bitcoin (Maximum) 89 544,88 Milllionen ~7 5,7x
Vergleich der Energieeffizienz von Bitcoin (aktuell und maximal) mit dem Fiat-System.
Quelle: Bitcoin: Cryptopayments Energy Efficiency

"Bei seiner derzeitigen Kapazität kann Bitcoin PoW 412-mal mehr Energie pro Transaktion verbrauchen als das elektronische System und dabei die gleiche Arbeit 413 Mal schneller erledigen, mit einer durchschnittlichen Blockbestätigungszeit von 418,44 Sekunden (~7 Minuten/Block). Bei einer Blockrate von 10 Minuten ist Bitcoin PoW immerhin noch 288-mal schneller.

Daraus können wir schließen, dass die PoW Basis-Ebene von Bitcoin heute ηBitcoin ≈ 1,2-mal energieeffizienter ist als das elektronische System auf der Transaktionsebene."

- Michel Khazzaka

Lightning Netzwerk

Beim Vergleich der Baselayer konnte das Bitcoin Netzwerk also ebenfalls punkten. Wie sieht es aber beim Vergleich von weiteren Transaktionsebenen aus? Dafür verglich Khazzaka in seinem Paper das Lightning Netzwerk mit den Instant-Payment-Netzwerken des Fiat-Systems.

Er kam zu dem Ergebnis, dass Bitcoin in Kombination mit dem Lightning Netzwerk um ein Vielfaches schneller und effizienter ist als das traditionelle Finanzwesen in Einbezug der Instant-Payment-Netzwerke."Wenn man Bitcoin Lightning und Instant Payments in die Berechnungen mit einbezieht und simuliert, dass beide Systeme ihre höchste Kapazität ausschöpfen, stellt man fest, dass eine Bitcoin-Lightning-Transaktion im Durchschnitt 345.000-mal schneller ist als das klassische System und 14-mal schneller als eine Instant-Payment-Transaktionen", heißt es in der Studie. Dies führt in Anbetracht der anderen Faktoren zu einer Effizienzsteigerung im Millionenbereich.

"Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Lightning auf der Ebene einer einzelnen Transaktion Bitcoin 194 Milionen Mal energieeffizienter macht als eine klassische Zahlung und bis zu 1 Million Mal energieeffizienter als eine Instant Payment Transaktion. Wir können beobachten, dass das klassische System überoptimiert ist, um weniger Energie pro Transaktion zu verbrauchen und um Billionen von Transaktionen pro Jahr in relativ langsamer Geschwindigkeit zwischen 2 und 7 Tagen abzuschließen. Diese Überoptimierung und Spezialisierung führt dazu, dass das System fragmentiert und anfällig ist und weniger in der Lage ist, die heutigen Anforderungen an Sofortzahlungen zu erfüllen. Bitcoin hingegen hat ein höheres Leistungsverhältnis und ist dank des PoW-Baselayers seiner Blockchain in der Lage, mit dem Lightning Network sehr effizient zu skalieren."

Die Ergebnisse im Überblick.
Quelle: Bitcoin: Cryptopayments Energy Efficiency

Fazit

Während das Bitcoin-Netzwerk derzeit 56-mal weniger Energie benötigt als das traditionelle Finanzsystem, ist es auf der einfachen Transaktionsebene sogar um den Faktor 1,2 effizienter und das sogar ohne Second-Layer-Technologien mit einzubeziehen.

Der Ansatz von Michel Khazazaka für die Ermittlung des Energieverbrauchs sowohl des Bitcoin-Netzwerks, als auch des Fiat-Systems scheint relativ stimmig zu sein und eine bessere Alternative zu den bisherigen Ergebnissen aus vorangegangenen Studien zu präsentieren. Ob seine Arbeit früher oder später auch in der breiten Masse der Mainstream-Medien wahrgenommen wird, bleibt abzuwarten. Die bereits mehrfach als falsch erwiesene Studie von Mora et al. zu Bitcoins ökologischem Fußabdruck, hält sich leider weiterhin hartnäckig als "Go-to-Quelle" für Journalistinnen und Journalisten aus allen Regionen der Welt. Es wäre wünschenswert, wenn Michel Khazzakas Paper künftig diese Rolle einnimmt.