Am 26. November veröffentlichte der Bitcoin-Entwickler Tony Klaus eine Transaktion im Bitcoin-Netzwerk, um einen besonderen Kanal im Lightning-Netzwerk zu eröffnen: den ersten sogenannten "Stable-Channel". Ein solcher Kanal ermöglicht es unter anderem, eine feste Menge US-Dollar in Echtzeit mit dem entsprechenden Bitcoin-Betrag abzubilden, und zwar durch regelmäßige Lightning-Zahlungen, die dem Verlauf des Bitcoin-Kurses entsprechend das Verhältnis im Zahlungskanal stabil halten.

Somit kann man z.B. effektiv 100 US-Dollar besitzen, ohne dafür irgendeinen Stablecoin oder gar ein Netzwerk einer alternativen Kryptowährung anfassen zu müssen. Technisch gesehen nutzt und besitzt man zu 100% Bitcoin und das mit einem verhältnismäßig geringem Gegenparteirisiko.

Vor einigen Tagen habe ich den ersten Stable Channel im Bitcoin Mainnet veröffentlicht.

Stable Channels ermöglichen es Benutzern, stabile US-Dollar oder gehebelte BTC-Preisexposition über Lightning zu erhalten. Peer-to-Peer, zu 100% Bitcoin.

@tonklaus auf 𝕏

Wie funktioniert ein Stable Channel?

Hilfreich ist es an dieser Stelle zu verstehen, wie ein Zahlungskanal im Lightning-Netzwerk überhaupt funktioniert, da das Konzept eines Stable-Channels genau darauf aufbaut. Ganz allgemein stehen die Bitcoin-Beträge in einem Kanal immer in einem bestimmten Verhältnis zueinander. Öffnet man einen Kanal einseitig mit 1 BTC und führt eine Zahlung über 0,5 BTC aus, "besitzen" beide Teilnehmer nun effektiv 0,5 BTC. Findet jetzt eine weitere Zahlung über 0,1 BTC statt, ist die Aufteilung entsprechend 0,6 BTC zu 0,4 BTC, und immer so weiter.

Möchte man den Gegenwert von 100 US-Dollar abbilden und das entsprechende Verhältnis aktiv aufrechterhalten, eröffnet man dafür einen Zahlungskanal, der von zwei Teilnehmern finanziert wird: dem Empfänger des "stabilen US-Dollars" und einem Dienstleister, der seine Bitcoin zur Verfügung stellt. Beide finanzieren in unserem Beispiel den Kanal mit 100 US-Dollar in Bitcoin. Ändert sich der Kurs nun geringfügig um z.B. 0,1% wird eine Lightning-Zahlung ausgeführt, um den neuen Bitcoin-Betrag, der 100 US-Dollar entspricht, abzubilden. Seit Bestätigung der anfangs erwähnten Transaktion wurden über 700 solcher Ausgleiche bereits erfolgreich durchgeführt.

Der Empfänger besitzt also immer genau 100 US-Dollar in Bitcoin, während der Dienstleister "den Rest" behält – wie viel auch immer das zu einem gegebenen Zeitpunkt sein mag. Da die Kosten für Lightning-Zahlungen vernachlässigbar gering sind, kann nahezu in Echtzeit an einen durchschnittlichen Bitcoin-Kurs angeglichen werden, ohne große Kosten.

Effektiv eröffnen die beiden Teilnehmer also eine Short- bzw. Long-Position auf den Bitcoin-Preis, da der Empfänger immer den Dienstleister bezahlen muss, sobald der Bitcoin-Preis steigt und andersherum, sollte der Bitcoin-Preis fallen.

Quelle: @tonklaus

Vertrauensproblem?

Aufmerksame Leser fragen sich an dieser Stelle wahrscheinlich bereits, wie ohne zentrale Vertrauenspartei sichergestellt werden soll, dass sich die Teilnehmer tatsächlich an den aktuellen Bitcoin-Kurs halten, also die dafür notwendigen Lightning-Zahlungen durchführen. Außerdem stellt sich die Frage, wie die Teilnehmer über "den Bitcoin-Kurs" überhaupt einig werden – denn einen solchen Kurs gibt es streng genommen nicht.

Auf rein technischer Ebene lauten die Antworten auf diese berechtigten Fragen zunächst: gar nicht. Denn natürlich ist bis zu einem gewissen Grad immer Vertrauen notwendig, sobald Daten aus der realen Welt, wie der aktuelle BTC/USD-Kurs einer Kryptobörse, zur Entscheidungsfindung hinzugezogen werden sollen. Um das hier zugrundeliegende Orakel-Problem kommt man schlichtweg nicht herum. Entsprechend kann es auch keine fest implementierte Absicherung gegen Teilnehmer geben, die vom "echten" Kurs abweichen, denn das Bitcoin-Netzwerk kann diesen Kurs weder kennen noch wäre es vertrauenslos möglich, einen durchschnittlichen Kurs überhaupt durchzusetzen.

Das klingt im ersten Moment zwar problematisch, doch in der Praxis stellt sich die Situation eigentlich gar nicht so tragisch dar. Zur Erinnerung: Eigentlich müssen zwei Teilnehmer eines Lightning-Kanals einander nicht vertrauen, da sie jederzeit, aus welchem Grund auch immer, den Kanal schließen können und somit die Kontrolle über ihren Anteil der Bitcoin im Kanal behalten. Kooperiert der andere Teilnehmer nicht, kann dieser bestraft werden. Und genau das trifft natürlich auch auf einen Stable-Channel zu.

Beide Teilnehmer ermitteln eigenständig einen durchschnittlichen Bitcoin-Kurs. Sollte einer der Teilnehmer zu lange und zu stark von diesem Wert abweichen, kann der Kanal einfach geschlossen werden. Dies geschieht zwar nicht augenblicklich, ist mit Transaktionsgebühren und eventuell auch mit kleineren Verlusten verbunden, doch auf der anderen Seite schädigt der nicht kooperierende Teilnehmer nachhaltig seinen Ruf und wird von anderen zukünftig gemieden. Es gibt also einen Anreiz gegen Betrugsversuche, zumindest im Normalfall. Ein "Trade-off" wird aber dennoch eingegangen, der vor allem bei starken Kursschwankungen innerhalb kurzer Zeit relevant wird. Bricht der Bitcoin-Kurs beispielsweise schlagartig ein, könnte sich der Dienstleister schlichtweg weigern, die notwendigen Bitcoin zu bezahlen, um den Gegenwert von 100 US-Dollar wiederherzustellen.

Fazit

Ob und für wen Stable-Channels überhaupt sinnvoll sind, steht natürlich auf einem anderen Blatt. Spannend ist allerdings die technische Umsetzung, die ohne ein dediziertes Netzwerk, zentrales Unternehmen oder gesonderten Stablecoin auskommt. Alles findet direkt im Lightning-Netzwerk, also komplett in Bitcoin statt und das gegenseitig notwendige Vertrauen hält sich durch den eben erwähnten Anreiz meistens in Grenzen.

Perfekt ist der Ansatz nicht, weder vom Grundprinzip noch von den heute verfügbaren Funktionen. Dennoch sind Stable-Channels unabhängiger von zentralen Vertrauensparteien und zumindest mit anderen Risiken verbunden, als es bei einem klassischen Stablecoin der Fall wäre.

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