Die chinesische Wirtschaft, die lange Zeit als unerschütterlicher Motor der globalen Wirtschaft galt, steht vor einer beispiellosen Immobilienkrise. Die aktuellen Entwicklungen rund um das Bauunternehmen "Country Garden" erinnern an den Kollaps von Evergrande im Jahr 2021 und werfen Fragen über die möglichen globalen Auswirkungen und den Einfluss auf andere Märkte sowie die gesamte Weltwirtschaft auf.

Die Rolle von Evergrande in Chinas Immobilienkrise

Evergrande, ein Unternehmen, das einst an der Spitze des chinesischen Immobilienbooms stand, wurde 2021 zum Epizentrum einer tiefgreifenden finanziellen Krise, die das Potenzial hatte, die gesamte chinesische Wirtschaft und darüber hinaus zu erschüttern. Mit einem beeindruckenden Portfolio, das von Luxuswohnungen über Fußballclubs bis hin zu Elektrofahrzeugen reichte, schien Evergrande unaufhaltsam. Doch hinter dieser Fassade verbarg sich eine gefährliche Abhängigkeit von Schulden.

Das Unternehmen saß auf einem Schuldenberg von 300 Milliarden US-Dollar, von denen ein Großteil bei nationalen und internationalen Banken lag. Diese Schulden waren das Ergebnis einer aggressiven Wachstumsstrategie, die auf dem ständigen Kauf von Land und dem Bau von Immobilien basierte. Dieses Modell wurde oft durch Vorverkäufe von Wohnungen an chinesische Bürger und durch Kredite von Banken finanziert. In einem Markt, in dem die Immobilienpreise stetig stiegen, schien dieses Modell unschlagbar. Doch als die chinesische Regierung begann, die Immobilienblase durch strengere Kreditvergabestandards und andere regulatorische Maßnahmen zu bekämpfen, geriet Evergrandes Geschäftsmodell ins Wanken.

Die Krise von Evergrande war nicht nur das Ergebnis interner Misswirtschaft. Sie war auch ein Symptom für tiefere Probleme im chinesischen Wirtschaftsmodell, das in den letzten Jahrzehnten stark von Investitionen in den Immobilienmarkt abhängig war. Als die Blase zu platzen drohte und die Regierung versuchte, die Verschuldung zu begrenzen, fand sich Evergrande in einer prekären Lage wieder, die Fragen über die Zukunft des chinesischen Immobilienmarktes und die Auswirkungen auf die globale Wirtschaft aufwarf.

Country Garden und der drohende Kollaps

Die Immobilienkrise in China, die mit dem Fall von Evergrande im Jahr 2021 begann (oder zumindest deutlich sichtbarer wurde), zeigt mit den aktuellen Entwicklungen um Country Garden, dass sie noch nicht vorüber ist. Country Garden, einer der größten privaten chinesischen Bauunternehmen, steht derzeit im Zentrum dieser Krise und weckt Erinnerungen an die Schwierigkeiten, mit denen Evergrande konfrontiert war.

Country Garden stoppt aktuell den Handel mit einem Teil seiner Anleihen, insbesondere mit jenen auf dem heimischen Markt ausstehenden Anleihen, den sogenannten Onshore-Bonds. Dieser Schritt erfolgt nach der Ankündigung des Unternehmens über mögliche Schwierigkeiten bei der Bedienung seiner Schulden. Die Ratingagentur Moody’s äußerte sich besorgt über die potenziellen Auswirkungen dieser Entwicklung auf den gesamten Immobilien- und Finanzmarkt Chinas. Sie prognostiziert, dass sich die Erholung des Sektors dadurch weiter verzögern könnte.

Die Parallelen zu Evergrande sind deutlich. Beide Unternehmen, einst strahlende Sterne am chinesischen Immobilienhimmel, kämpfen mit erheblichen Schulden. Während Evergrande Schulden in Höhe von 300 Milliarden US-Dollar aufweist, belaufen sich die Schulden von Country Garden auf umgerechnet 194 Milliarden Dollar. Für das erste Halbjahr kündigte das Unternehmen einen Verlust von bis zu 55 Milliarden Yuan (7,6 Milliarden Dollar) an. Besonders alarmierend ist, dass Country Garden kürzlich Dollar-Zinszahlungen in Höhe von 22 Millionen Dollar für seine Anleihen verpasst hat.

Die Aktien und Anleihen von Country Garden erleiden derzeit erhebliche Verluste. Der Aktienkurs des Unternehmens ist in der vergangenen Woche um 38 Prozent gefallen. Die meisten Dollar-Anleihen von Country Garden notieren aktuell bei weniger als sieben Prozent ihres Nominalwerts. Im September stehen Zahlungen von mehr als neun Milliarden Yuan (1,25 Milliarden Dollar) an Zinsen für heimische Anleihen an. Es gibt jedoch Bedenken, ob Country Garden diese Verpflichtungen erfüllen kann.

Das zweitgrößte chinesische Bauunternehmen Country Garden mit einem Jahresumsatz von über 70 Mrd. USD steht kurz vor dem Zusammenbruch.

Die im Jahr 2024 fälligen 8%-Anleihen des Unternehmens werden zu mickrigen 9 Cents gehandelt, was massive Verluste für die Anleihegläubiger bedeutet. Die Rendite schießt in die Höhe, was bedeutet, dass niemand damit rechnet, dass sie gezahlt wird.

Wall Street Silver

Country Garden hat sich öffentlich für sein Versäumnis entschuldigt, das Ausmaß der Krise nicht frühzeitig erkannt zu haben und nicht rechtzeitig Gegenmaßnahmen eingeleitet zu haben. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Situation weiterentwickelt und ob die chinesische Regierung Maßnahmen ergreifen wird, um einen weiteren Kollaps im Immobiliensektor zu verhindern. Es ist offensichtlich, dass die Immobilienkrise in China noch nicht vorbei ist, und die globalen Märkte beobachten gespannt die weiteren Entwicklungen.

Experten äußern sich zunehmend besorgt über die Auswirkungen der Krise auf die gesamte chinesische Wirtschaft. Der Immobiliensektor trägt zu einem Fünftel der Wirtschaftsleistung Chinas bei. Aktuelle Daten zeigen einen starken Rückgang der Verkaufszahlen für Wohnimmobilien in China, und erstmals seit Jahren sind die Verbraucherpreise gefallen, was auf eine Deflation hindeutet. Selbst der US-Präsident Joe Biden hat China kürzlich aufgrund der wirtschaftlichen Probleme als "tickende Zeitbombe" bezeichnet.

Globale Auswirkungen und der Ansteckungs-Effekt

Die jüngsten wirtschaftlichen Entwicklungen in China haben weitreichende Auswirkungen, die über die Grenzen des Landes hinausgehen. Eine dieser Auswirkungen ist die Deflation, die China in einer Art und Weise exportiert, die viele Ökonomen und Strategen möglicherweise unterschätzen. Dies geht aus einem Tweet von Cathie Wood, einer renommierten Investorin und der Gründerin von ARK Invest, hervor.

Deflation als Exportprodukt?

Laut Wood hätte die 15-prozentige Abwertung des Yuan gegenüber dem Dollar im letzten Jahr eigentlich dazu führen sollen, dass die Inflationsrate der Erzeugerpreise (PPI) Chinas um 15% steigt. Stattdessen ist sie jedoch um 4% gesunken. Dies deutet darauf hin, dass China trotz der Abwertung seiner Währung eine Deflation erlebt, die tiefer geht, als es auf den ersten Blick erscheinen mag.

Dass es zu einer Deflation in der Volksrepublik kommt, hat nach der Meinung von Wood mehrere Gründe. Zum einen könnte die Abkühlung des Immobilienmarktes, wie sie durch die Krisen bei Evergrande und Country Garden verdeutlicht wurde, zu einem Rückgang der Binnennachfrage geführt haben. Dies wiederum könnte den Druck auf die Preise erhöht haben. Außerdem könnten die Bemühungen der chinesischen Regierung, die Verschuldung zu begrenzen und die Wirtschaft zu stabilisieren, ebenfalls zu einem deflationären Druck beigetragen haben.

Die Auswirkungen dieser Deflation könnten weitreichend sein. Für die Weltwirtschaft könnte dies bedeuten, dass importierte Güter aus China billiger werden, was wiederum den Druck auf die Preise in anderen Ländern erhöhen könnte. Dies könnte insbesondere für Länder problematisch sein, die bereits mit niedrigen Inflationsraten oder sogar Deflation kämpfen.

Zinssenkungen zur Stützung der Wirtschaft

In einem Versuch, die wirtschaftliche Erholung anzukurbeln, hat die chinesische Zentralbank, die People's Bank of China (PBOC), überraschend ihre Schlüsselzinssätze zum zweiten Mal in drei Monaten gesenkt. Dieser Schritt zeigt deutlich, dass die Behörden verstärkte monetäre Lockerungsmaßnahmen ergreifen, um eine ins Stocken geratene wirtschaftliche Erholung zu unterstützen.

Analysten deuten diese Maßnahme als ein Zeichen dafür, dass in der kommenden Woche möglicherweise auch der chinesische Leitzins, der sogenannte Loan Prime Rate (LPR), gesenkt wird. Der Rückgang des Kreditwachstums und die steigenden Deflationsrisiken im Juli haben den Marktbeobachtern zufolge weitere monetäre Lockerungsmaßnahmen notwendig gemacht. Hinzu kommen die Ausfallrisiken bei einigen Immobilienentwicklern und versäumte Zahlungen durch einen privaten Vermögensverwalter, die das Vertrauen im Finanzmarkt beeinträchtigt haben.

Chinas isoliertes Finanzsystem und mögliche Spillover-Effekte

Ein häufig gehörtes Argument in Bezug auf Chinas Finanzsystem ist, dass es im Vergleich zu anderen großen Volkswirtschaften relativ isoliert ist. Dies bedeutet, dass trotz der Größe und Bedeutung der chinesischen Wirtschaft, ihre Finanzmärkte und -institutionen in geringerem Maße mit denen anderer Länder verflochten sind. Dies ist zum Teil auf die restriktiven Kapitalkontrollen zurückzuführen, die die chinesische Regierung über Jahrzehnte hinweg aufrechterhalten hat, um die Stabilität der Währung und des Finanzsystems zu gewährleisten.

Die Isolation des chinesischen Finanzsystems hat Vor- und Nachteile. Einer der Vorteile ist, dass es China ermöglicht hat, seine Wirtschaftspolitik weitgehend unabhängig von externen Einflüssen zu gestalten. Dies war insbesondere während der globalen Finanzkrise 2008 von Vorteil, als China durch gezielte Konjunkturmaßnahmen relativ unbeschadet durch die Krise steuerte.

Auf der anderen Seite argumentieren einige Experten, dass diese Isolation auch Risiken birgt. Wenn es zu einer ernsthaften Finanzkrise in China kommen sollte, könnte das isolierte Finanzsystem es schwieriger machen, externe Unterstützung zu erhalten oder Kapitalflucht zu verhindern.

In Bezug auf die aktuelle Situation und die Befürchtungen um Evergrande, Country Garden und andere große Akteure im chinesischen Immobilienmarkt gibt es Meinungen, die besagen, dass aufgrund der Isolation Chinas "kaum Spillover-Effekte" auf andere Märkte zu erwarten sind. Das bedeutet, dass selbst wenn es zu einem Kollaps oder einer ernsthaften Krise in China kommen sollte, die direkten Auswirkungen auf die Finanzmärkte anderer Länder begrenzt sein könnten.

Allerdings bedeutet "kaum" aber auch nicht "keine". In einer globalisierten Welt sind die Wirtschaften und Finanzmärkte in gewissem Maße immer miteinander verknüpft. Wenngleich das chinesische Finanzsystem isoliert ist, könnten indirekte Effekte, wie ein Rückgang des Vertrauens oder Veränderungen in den globalen Lieferketten, andere Länder beeinflussen. Es bleibt also eine gewisse Unsicherheit darüber, wie sich eine Krise in China auf den Rest der Welt auswirken könnte.

Der Contagion-Effekt

Die finanziellen Turbulenzen, die durch die Krise der Immobilienbranche ausgelöst wurden, sind aller Voraussicht nach nicht auf China beschränkt. Sie haben das Potenzial, Schockwellen durch die globalen Finanzmärkte zu senden, die weit über die Grenzen Chinas hinausreichen. Der sogenannte Contagion-Effekt, bei dem finanzielle Instabilitäten in einem Land oder Sektor auf andere übergreifen, ist ein Phänomen, das in der Vergangenheit bereits beobachtet wurde und das in Zeiten der Globalisierung an Bedeutung gewinnt.

Ein erheblicher Teil der Schulden von Unternehmen wie Evergrande und Country Garden besteht aus international gehandelten Anleihen. Das bedeutet, dass internationale Investoren, darunter viele große institutionelle Anleger wie Pensionsfonds und Versicherungen, direkt von den Entwicklungen in China betroffen sind. Ein Zahlungsausfall oder eine Umschuldung könnte erhebliche Verluste für diese Investoren bedeuten, was wiederum Auswirkungen auf die Finanzmärkte in ihren Heimatländern haben könnte.

Darüber hinaus sind viele internationale Unternehmen direkt im chinesischen Immobilienmarkt tätig oder von ihm abhängig. Baufirmen, Rohstofflieferanten und Finanzdienstleister könnten alle von einem Abschwung im chinesischen Immobilienmarkt betroffen sein. Ein Rückgang der Bautätigkeit in China könnte beispielsweise zu einem Überangebot an Rohstoffen wie Stahl und Kupfer führen, was wiederum die Preise für diese Rohstoffe weltweit beeinflussen könnte. Wie auch schon Cathie Wood in ihrem Tweet feststellte, können die wirtschaftlichen Herausforderungen, mit denen China konfrontiert ist, nicht isoliert betrachtet werden.

Gefahr für Bitcoin?

Sollte es tatsächlich zu einem Immobilienkollaps in China kommen und dieser Auswirkungen auf die Weltwirtschaft haben, wird vermutlich auch Bitcoin respektive der Kryptomarkt davon nicht unberührt bleiben. Der Corona-Crash aus dem Jahr 2020 hat gezeigt, dass sich der BTC noch immer nicht vollständig von den traditionellen Finanzmärkten gelöst hat. Dies würde den Bitcoin-Preis voraussichtlich aber nur kurzfristig beeinflussen. Eine echte mittel- bis langfristige Gefahr dürfte nicht bestehen.

Zwar werden bereits erste Stimmen laut, die befürchten, dass der Stablecoin-Emittent "Tether" einen (zu großen?) Anteil seiner Rücklagen in den oben angesprochenen Bonds investiert hat, dies ist jedoch weder erwiesen noch würde dies vermutlich eine ernsthafte Gefahr für das extrem profitable Unternehmen darstellen.