Der Libanon galt lange als ein reiches Land und wurde sogar als "das Paris des Nahen Ostens" bezeichnet. Dies änderte sich aber spätestens mit dem Bürgerkrieg, der von 1975 an ausgetragen wurde. Auch nach dem Ende des Krieges im Jahr 1990 konnte das Land nicht mehr seinen einstigen Wohlstand wiedererlangen. Im Gegenteil, die wirtschaftliche Lage des Libanons wurde über die folgenden Jahrzehnte immer schlechter und seit circa drei Jahren befindet sich das Land in einer tiefen Wirtschaftskrise. Nun veröffentlichte die CNBC-Reporterin MacKenzie Sigalos einen ausführlichen Bericht über die wirtschaftliche Lage des Libanons und die Chancen, die die Bevölkerung durch Bitcoin hat.

Die wirtschaftliche Lage des Libanons

Der Libanon steckt seit mehreren Jahren in einer tiefen Wirtschaftskrise. Die lokale Währung, das libanesische Pfund, hat seit August 2019 mehr als 95% ihres Wertes verloren. Zusätzlich ist der monatliche Mindestlohn aufgrund der Inflation real von 450 US-Dollar auf nur noch 17 US-Dollar gefallen. Die durchschnittliche Inflationsrate für dieses Jahr wird auf 178% geschätzt und liegt damit höher als die Inflationsraten von Venezuela und Zimbabwe.

Die Weltbank erklärte, dass die Wirtschafts- und Finanzkrise im Libanon eine der schlimmsten sei, die es seit den 1850er-Jahren auf der ganzen Welt gegeben habe. Die Vereinten Nationen schätzen, dass 78% der libanesischen Bevölkerung mittlerweile unter die Armutsgrenze gefallen sei.

Grund für diese Entwicklung ist das Missmanagement innerhalb des lokalen Bankensektors und in der Politik. Die Lage spitzte sich über mehrere Jahrzehnte zu, bevor diese im Jahr 2019 eskalierte und es im ganzen Land zu Aufständen gegen die Regierung kam.

Die Bevölkerung verlor das Vertrauen in die Regierung und in die eigene Währung. Hohe Inflationsraten und Abwertungen zu westlichen Fiatwährungen waren die Folge. Das libanesische Pfund ist wie viele Fiatwährungen des Nahen Ostens an den US-Dollar gekoppelt. Über 25 Jahre hinweg gab es eine Bindung von 1.500 libanesischen Pfund zu einem US-Dollar. Im Jahr 2020 wurde die Bindung schließlich aufgegeben und seitdem befindet sich das Land in einer Währungskrise. Der Straßenpreis liegt jetzt bei etwa 40.000 Pfund für einen US-Dollar.

Um eine weitere Abwertung zu verhindern, führte die Regierung mit den lokalen Banken Kapitalkontrollen ein. Kontostände sind nur noch fiktive Zahlen, welche nicht mehr den realen Wert widerspiegeln. So muss die libanesische Bevölkerung mit einem Verlust von bis zu 85% rechnen, wenn diese versuchen auf das Geld aus den Vorkrisenjahren zuzugreifen. Es ist also kein Wunder, dass sich die Bevölkerung nach Alternativen zu dem derzeitigen System umsieht.

Die Inflationsrate des Libanons erreichte in diesem Jahr fast 250%. Quelle: Trading Economics

Bitcoin als ein Ausweg für die Bevölkerung

MacKenzie Sigalos nahm in ihren Bericht Kontakt mit mehreren Einheimischen auf und sprach mit diesen über die Bitcoin-Adoption des Landes. Der Architekt Georgio Abou Gebrael erklärte der Reporterin, dass er im Jahr 2020 auf Bitcoin gestoßen sei. Die Kapitalkontrollen verschärften sich immer weiter und Bitcoin war für den 29-Jährigen die einzige Möglichkeit, Zahlungen aus dem Ausland zu empfangen. Gebrael beschäftigte sich daraufhin immer mehr mit der Digitalwährung und sah in dem Bitcoin eine Lösung für die wirtschaftlichen Probleme seines Landes.

Seitdem versucht der Architekt neben seinem normalen Job mit freiberuflichen Tätigkeiten, welche laut eigener Aussage zu 90% in Bitcoin bezahlt werden, seinen Bitcoin-Bestand weiter zu vergrößern. Seitdem beschreibt er, sei er süchtig danach, weitere Bitcoin zu kaufen. Für Gebrael ist Bitcoin nicht nur eine Möglichkeit, seinen Lebensunterhalt zu verbessern, sondern zugleich seine Bank mit einem Sparkonto.

„Wenn ich für meinen Architekturjob bezahlt werde, ziehe ich mein ganzes Geld von der Bank ab“, erklärte Gebrael fort. Dieses Geld verwendet er dann, um jeden Samstag kleine Mengen weitere Bitcoin zu kaufen. Den Rest behält er für Ausgaben des täglichen Bedarfs.

Für Gebrael ist Bitcoin die einzige Hoffnung auf ein besseres wirtschaftliches Leben im Libanon und auch der Grund, weshalb er noch dort lebt. „Bitcoin hat uns wirklich Hoffnung gegeben“, sagte Gebrael gegenüber CNBC. „Ich bin in meinem Dorf geboren, ich habe mein ganzes Leben hier gelebt und Bitcoin hat mich überzeugt, hierzubleiben.“

Das Mining-Geschäft im Libanon

Auch das Mining-Geschäft hilft der Bevölkerung, die wirtschaftliche Lage ihres Heimatlandes zu verbessern. Vor etwa mehr als zwei Jahren begannen Ahmad Abu Daher und einer seiner Freunde mit dem Mining von Ethereum mit drei GPU-Maschinen, bevor diese dann auf Bitcoin-Mining umgestiegen sind. Den Strom für seine Mining-Geräte erhält der 22-Jährige aus einem Wasserkraftwerk, nur etwa 30 Meilen (ca. 48 km) südlich der Stadt Beirut.

Das Geschäft floriert inzwischen für den jungen Unternehmer. So erklärte er gegenüber CNCB, dass er im September einen Gewinn von 20.000 Dollar erzielen konnte – die Hälfte aus seinem Mining-Geschäft, die andere Hälfte aus dem Verkauf von Mining-Geräten und dem Handel mit Kryptowährungen. Inzwischen hat Abu Daher auch Kunden außerhalb des Libanon, in Syrien, der Türkei, Frankreich und dem Vereinigten Königreich.

Allerdings ist das Mining-Geschäft im Libanon auch mit viel Unsicherheiten verbunden. Es herrscht Stromknappheit und in der Vergangenheit kam es bereits öfter zu Razzien gegen illegale Mining-Einrichtungen, welche unerlaubt das offizielle Stromnetz verwendeten.

Abu Daher macht sich deswegen jedoch keine Sorgen. Seine Mining-Einrichtung ist offiziell registriert und er besitzt einen Zähler, der den verbrauchten Strom dokumentiert. „Wir hatten einige Treffen mit der Polizei und wir haben keine Probleme mit der Regierung, weil wir legalen Strom beziehen und die Infrastruktur nicht beeinträchtigen“, erklärte er.

Ein häufiger Kritikpunkt des Bitcoin-Minings ist die vermeintliche Zentralisierung der Industrie. Der Fall von Abu Daher zeigt aber, dass auch Markteilnehmer mit geringen wirtschaftlichen Ressourcen profitabel Bitcoin schürfen können. Wichtiger als die ökonomischen Ressourcen sind die Energiequellen, denn diese sind der größte Kostenfaktor für die Miner. Der billige Strom der Wasserkraftwerke ermöglicht Abu Daher, auch mit den großen Konkurrenten der Industrie mitzuhalten.

Einige der ASIC-Geräte, die Abu Daher besitzt. Quelle: CNBC

Die Adoption von Tether im Libanon

Besonders hervorgehoben wird in dem Artikel die Verwendung des Stablecoins Tether. Die Kapitalkontrollen des Landes erschweren es der Bevölkerung, an physische US-Dollar zu gelangen. Die Libanesen versuchen deshalb, mit einem synthetischen US-Dollar wie Tether (USDT) ihre Kaufkraft abzusichern. Zwar ist die Verwendung von Stablecoins als Zahlungsmittel eigentlich verboten, allerdings erklärte Gebrael, dass die Regierung derzeit wichtigere Aufgaben hätte als das Verbot zu kontrollieren.

Um Tether hat sich ein Schwarzmarkt gebildet, um den Stablecoin wieder in das libanesische Pfund tauschen zu können. Wenn Gebrael Bargeld benötigt, um Lebensmittel und andere Grundbedürfnisse zu bezahlen, nutzt er zunächst einen Dienst namens FixedFloat, um einen Teil der Bitcoins, die er durch seine freiberufliche Tätigkeit verdient hat, gegen Tether zu tauschen. In einem P2P-Geschäft auf der Straße tauscht dieser dann seine Tether gegen das libanesische Pfund, um damit Lebensmittel kaufen zu können.

Oft kann sich Gebrael diesen Schritt aber auch sparen, denn Tether ist als Zahlungsmittel ebenfalls weitverbreitet „Die Verwendung von USDT ist weitverbreitet. Es gibt viele Cafés, Restaurants und Elektronikgeschäfte, die USDT als Zahlungsmittel akzeptieren. Es ist vorteilhaft, da ich meine Tether oder Bitcoin nicht in Fiat eintauschen muss.“ erklärt Gebrael.

Die Synergie zwischen Bitcoin und Tether

Der US-Dollar ist als die Weltreservewährung die wertbeständigste Fiatwährung. Die Bevölkerung von Ländern mit hohen Inflationsraten versuchen deshalb den US-Dollar als Wertaufbewahrungsspeicher zu verwenden. Die Kapitalkontrollen der Regierungen verhindern dies allerdings. Oft haben die Regierungen Angst, dass die Bevölkerung auf dem freien Markt die einheimische Währung gegen den US-Dollar eintauscht, denn dies würde zu einer weiteren Abwertung der Inlandswährung führen.

Stablecoins wie Tether bieten eine Alternative für die Bevölkerung. Mithilfe eines synthetischen US-Dollars kann jeder Libanese, welcher nur ein Smartphone besitzt, in Besitz von US-Dollar gelangen. Der Fall von Gebrael veranschaulicht den Nutzen von Tether. Dieser kann seine langfristigen Ersparnisse in Bitcoin absichern und kurzfristig, wenn er Fiat in Form von US-Dollar benötigt, diese in Tether umwandeln. Somit ist er kurzfristig mit Tether als auch langfristig mit Bitcoin gegen die Inflation abgesichert.

Langfristig ist es dennoch fraglich, ob Tether eine Lösung für das Inflationsproblem sein kann. Aufgrund seiner Zentralisierung ist Tether kein zensurresistentes Netzwerk wie Bitcoin und auch hier könnten die Regierungen Kapitalkontrollen einführen, welche die Tauschmittelfunktion des Stablecoins einschränken würden. Eine Übergangslösung, bis die Volatilität von Bitcoin so weit zurückgegangen ist, bis dieser als Tauschmittel verwendet werden kann, ist es dennoch.

Fazit

Der Bericht von MacKenzie Sigalos gibt ein ausführliches Bild über die wirtschaftliche Lage des Libanons und ist mehr als empfehlenswert. Man kann nur hoffen, dass sich der Libanon von seiner Wirtschaftskrise erholen wird. Entgegen der in den westlichen Ländern weitverbreiteten Meinung, der Bitcoin habe keinen Wert, zeigen die Fälle im Libanon, dass tatsächlich das Gegenteil der Fall ist. Der Bitcoin hilft sowohl in seiner Eigenschaft als langfristiger Inflationsschutz als auch durch seine Zensurresistenz bereits Menschen überall auf der Welt – nicht nur im Libanon.