Der Verband der deutschen Kreditwirtschaft, zu dem unter anderem der Bundesverband der Volks- und Raiffeisenbanken, der Deutsche Sparkassen- und Giroverband und der Bundesverband der öffentlichen Banken Deutschlands gehören, hat in einem Brief an den Bundesminister für Finanzen, Christian Lindner, seine Sorgen bezüglich des digitalen Euros zum Ausdruck gebracht.

In dem Schreiben vom 8. August 2023, das Blocktrainer.de vorliegt, bezieht sich der Verband auf den Vorschlag der Europäischen Kommission vom 28. Juni 2023, einen gesetzlichen Rahmen für den digitalen Euro zu schaffen. Während bisher technische Aspekte im Vordergrund der Diskussion standen, betont der Verband die Notwendigkeit, grundlegende Fragen zu klären. Es besteht die Befürchtung, dass der digitale Euro negative Konsequenzen für Europas Wirtschaft und Bürger mit sich bringen und aufgrund mangelnder Akzeptanz in der Gesellschaft scheitern könnte.

Stabilität des Finanzmarktes in Gefahr?

Banken und Sparkassen haben die Idee des digitalen Euros von Beginn an konstruktiv begleitet. Nach der Vorlage des Gesetzesvorschlages der Europäischen Kommission sind jedoch Bedenken gewachsen. Ein kritischer Punkt, den der Verband hervorhebt, ist die potenzielle Gefahr für die Stabilität des Finanzmarktes. Der digitale Euro würde hauptsächlich aus den Einlagen gespeist, die Bürgerinnen und Bürger bei Kreditinstituten halten. Wenn diese Einlagen in digitalen Euro auf einem Konto bei der EZB umgewandelt werden, könnte dies die Liquidität der Institute verringern und somit die Kreditvergabe beeinträchtigen. Die Bankenverbände bemängeln, dass weder die Europäische Zentralbank (EZB), noch die Europäische Kommission die Auswirkungen einer digitalen Zentralbankwährung angemessen untersucht habe.

Ausschnitt aus dem Brief. Quelle: Die Deutsche Kreditwirtschaft

Anonymität vs. Kontrolle

Im Brief monieren die Bankenverbände auch den möglichen Zielkonflikt, der sich zwischen Anonymität und Kontrollmöglichkeiten ergeben könnte. Der aktuelle Gesetzesvorschlag bietet keine Lösung an, die einerseits die Anonymität vergleichbar mit Bargeld garantiert und andererseits die Möglichkeit zur Überprüfung von Haltelimits und potenziell krimineller Zahlungen bietet. Je nach Abwägung zwischen Privatsphäre und Kontrolle könnte dadurch die gesellschaftliche Akzeptanz des digitalen Euro gefährdet sein, heißt es.

Ausschnitt aus dem Brief. Quelle: Die Deutsche Kreditwirtschaft

Widersprüchliche Rollen der EZB


In ihrer Rolle als unabhängige Notenbank und gleichzeitig Aufseher der Kreditwirtschaft übt die Europäische Zentralbank bereits heute eine Doppelfunktion aus. Mit der Einführung des digitalen Euros würde sie schließlich zusätzlich ein Bezahlverfahren betreiben, was die EZB in den direkten Wettbewerb mit Banken und Zahlungsdienstleistern bringen würde. Der Bankenverband befürchtet dadurch die Auflösung der jahrzehntelangen Rollenverteilung zwischen der EZB und den Geschäftsbanken. Der Verband betont, dass Zentralbanken Zahlungsmittel bereitstellen sollten, während es Aufgabe der Banken sein sollte, Bezahlverfahren zu entwickeln. Ein staatliches Bezahlverfahren ist angesichts bewährter und zukünftiger privatwirtschaftlicher Lösungen nicht erforderlich und könnte zu Wettbewerbsverzerrungen führen, heißt es in dem Brief.

Stattdessen sollten auch zukünftig die jeweiligen Kernkompetenzen beibehalten werden: Zentralbanken stellen Zahlungsmittel zur Verfügung, während es den Banken obliegt, Bezahlverfahren zu entwickeln. Ein flächendeckendes staatliches Bezahlverfahren ist angesichts bewährter und zukünftiger privatwirtschaftlicher Lösungen nicht erforderlich. Es würde zu Wettbewerbsverzerrungen führen, die Erträge des gesamten europäischen Bankensektors schwächen und letztlich privatwirtschaftliche Innovation hemmen.

Zitat aus dem Brief der Bankenverbände

Kein Nutzen für die Bürger

Interessanterweise sehen die Bankenverbände auch keinerlei Nutzen in einem digitalen Euro. Sie erklären, dass sich der faktische Mehrwert eines digitalen Euro nur schwer erkennen lasse und lediglich die Zentralbank selbst davon profitieren würde.

Ein potenzieller Nutzen allein für Zentralbanken rechtfertigt nicht die beträchtlichen Investitionen seitens der öffentlichen Hand, des Handels und der Kreditwirtschaft. Ohne deutliche Vorteile für die Bürgerinnen und Bürger wird der digitale Euro auch nicht die notwendige gesellschaftliche Akzeptanz entfalten.

Zitat aus dem Brief der Bankenverbände

Bitte um Gespräch

Der Verband hat um ein vertiefendes Gespräch mit dem Bundesminister gebeten und fordert eine breite politische Diskussion zu dieser Thematik. Es wird auch darauf hingewiesen, dass in dieser Angelegenheit auch weitere Gespräche auf europäischer Ebene mit der Europäischen Zentralbank geführt werden müssen. Auch in diesem Bezug wird abermals auf die gesellschaftliche Akzeptanz eingegangen. "Ein digitaler Euro, der wenig Akzeptanz bei der Bevölkerung findet, könnte dem europäischen Finanzmarkt Schaden zufügen und das Vertrauen in die europäischen Institutionen gefährden", schreiben die Bankenvertreter. Unterzeichnet wurde das Schreiben von den fünf Präsidenten der großen deutschen Bankenverbände.

Auszug aus dem Brief. Quelle: Die Deutsche Kreditwirtschaft

Ob Herr Lindner der Bitte um ein Gespräch nachkommt, ist bis dato nicht bekannt. Es ist in jedem Fall spannend zu sehen, dass sich nicht nur zahlreiche deutsche beziehungsweise europäische Bürger, sondern auch die Geschäftsbanken kritische Gedanken zu den Plänen der Zentralbank machen und ihre Bedenken äußern. In Anbetracht der Tatsache, dass sich die Geschäftsbanken in ihrem Tagesgeschäft durch eine Euro-CBDC massiv bedroht sehen, allerdings nur wenig verwunderlich.