Nach mehr als zehnjährigem Hin und Her um die Zukunft des Bitcoin-Pioniers und Wikileaks-Gründers Julian Assange, scheint es nun eine endgültige Entscheidung der britischen Regierung zu geben: Der Whistleblower soll in die Vereinigten Staaten von Amerika ausgeliefert werden. Die Innenministerin Priti Patel unterzeichnete bereits ein entsprechendes Dekret. In den USA drohen dem Mann, der von vielen Menschen noch immer als Held gefeiert wird, mehrere Verfahren unter anderem wegen Spionage und bis zu 175 Jahre Haft, oder, wie einige befürchten gar der Tod.
Zusammenfassung des Falls Assange
Der Fall des australischen Staatsbürgers Julian Assange dürfte vermutlich weitläufig bekannt sein. Nachdem er Kriegsverbrechen und Korruption innerhalb des US-Militärs öffentlich gemacht hatte, geriet er ins Fadenkreuz der US-Behörden. Von 2012 bis 2019 lebte er nach einem genehmigten Asylgesuch in der ecuadorianischen Botschaft in London und wurde zwischenzeitlich sogar zum Staatsbürger Ecuadors. Im April 2019 entzog ihm der neue ecuadorianische Präsident Moreno dann sowohl das Asylrecht als auch die Staatsbürgerschaft. Assange wurde daraufhin von der britischen Polizei festgenommen und wegen Justizentzugs zu einer 50-wöchigen Haftstrafe verurteilt, welche er im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh zu verbüßen hatte.

Quelle: Wikimedia
Währenddessen reichten die Vereinigten Staaten von Amerika einen Antrag auf Auslieferung Assanges bei den britischen Behörden ein. Aufgrund des Auslieferungsprozesses kam Assange deswegen auch nach Ablauf der 50 Wochen nicht wieder frei. Da dem Enthüllungsjournalisten in Übersee allerdings eine lebenslange Haftstrafe oder schlimmstenfalls sogar die Todesstrafe droht, entschied zunächst ein Londoner Gericht, dass dem Antrag nicht stattgegeben wird und verhängte ein Auslieferungsverbot für Julian Assange. Die Verteidiger Assanges plädierten außerdem darauf, dass die Veröffentlichung der Dokumente von der Pressefreiheit gedeckt gewesen sei und auch sein gesundheitlicher Zustand – er leide an Depressionen – gegen eine Auslieferung spreche. Durch die extreme Stresssituation erlitt Assange im Oktober letzten Jahres sogar einen leichten Schlaganfall.
Traurigerweise hob dennoch ein Berufungsgericht in London im vergangenen Dezember dieses Verbot wieder auf und auch die britische Regierung hat den Weg für eine Auslieferung nun freigemacht.
Das britische Innenministerium teilte gestern mit, dass die Innenministerin Patel bereits eine Auslieferungsanweisung unterzeichnet habe. Assange habe jedoch das Recht, in der üblichen 14-Tage-Frist Berufung einzulegen, so das Ministerium. Die letzte Möglichkeit, seine Auslieferung abzuwenden, besteht jetzt in der Anfechtung vor dem High bzw. anschließend dem Supreme Court Großbritanniens. Sollte jedoch auch das höchste britische Gericht nichts gegen eine Auslieferung einzuwenden haben, muss diese gemäß britischem Recht spätestens innerhalb der nächsten 28 Tage erfolgen. Es bleibt also nur noch ein letzter Strohhalm, an den sich Assange, seine Frau Stella und seine zahlreichen Unterstützerinnen und Unterstützer klammern können.
Assange als Bitcoin-Pionier
Mitglied der Cypherpunk-Mailingliste
Durch die mediale Aufarbeitung des Falls Assange, ist dieser vielen Menschen als Spion, Politaktivist und Enthüllungsjournalist bekannt. Was jedoch weniger weit verbreitet ist, ist die Tatsache, dass Julian Assange auch ein ehemaliger Computerhacker, Programmierer und ein waschechter Cypherpunk ist.
Lese-Tipp: Was sind Cypherpunks?
Als Cypherpunks bezeichnet man die Mitglieder einer Aktivistenbewegung, die in den frühen 90er Jahren ihre Wurzeln hat und sich für Freiheit und Privatsphäre im Internet einsetzte. Themen wie Kryptografie und zensurresistentes digitales Geld wurden bereits lange vor der Erfindung des Bitcoins via Mailing-Listen diskutiert. Man kann Assange also durchaus als einen wahren Pionier der Bitcoin-Community betrachten.
Wie man hier nachlesen kann, war Julian Assange bereits im Jahr 1995 Mitglied der Cypherpunks Mailing-Liste, aus deren Reihen dann auch die ersten Konzepte für Kryptowährungen und schlussendlich auch der Bitcoin entstanden sind.
Julian Assange hat der Cypherpunk-Bewegung sogar ein ganzes Buch gewidmet, welches im März 2013 erschienen ist.
Anwendungsfall für Bitcoin
In vielen Artikeln wird die ehemalige Darknet-Plattform „Silkroad“ als einer der ersten Anwendungsfälle für Bitcoin in der realen Welt genannt. Oft wird die vom mittlerweile ebenfalls inhaftierten Ross Ulbricht verwaltete Webseite als Paradebeispiel dafür herangezogen, wie damit schon in den frühen Jahren (Anfang 2011) bewiesen werden konnte, dass ein freies, pseudonymes und zensurresistentes Geld einen Anwendungsfall hat.
Da der Kauf von Drogen im Internet für viele Leute kein wirklich erstrebenswerter Use Case ist, mit dem man prahlen sollte, möchten wir an dieser Stelle darauf aufmerksam machen, dass auch Julian Assange und seine Plattform Wikileaks nahezu zeitgleich mit Silkroad begannen, BTC als Zahlungsmittel für Spenden anzunehmen. Die zensurresistente Finanzierung von politischem Aktivismus und damit die Sicherung der Pressefreiheit können sicherlich mehr Menschen als nützlichen Anwendungsfall akzeptieren. Julian Assange war auch an dieser Front ein Vorreiter und eben ein wahrer Bitcoin-Pionier!

Timeline
Der Kampf für Assanges Freiheit
Obwohl der Fall von Julian Assange durchaus öffentliches Interesse genießt und weltweit zahlreiche Menschenrechtsorganisationen für seine Freilassung kämpfen beziehungsweise diverse Petitionen sowie etliche prominente Fürsprecher bereits seine Entlassung aus der Haft forderten, lebt der Mann dennoch seit Jahren ein unwürdiges Leben. Dass ihm jetzt sogar die Auslieferung in die USA und dort gegebenenfalls sogar der Tod droht, sollte weltweit eine noch viel größere Stimme der Entrüstung auslösen, als bisher geschehen.
Während das bisherige Verhalten der meisten westlichen Politiker und allen voran der vergangenen Bundesregierung in diesem Fall als Bankrotterklärung an unsere Rechtsstaatlichkeit bezeichnet werden kann, bleibt nur zu hoffen, dass sich besser früh als spät etwas daran ändert.
Laut einer aktuellen Meldung der Tagesschau, gab es seitens der deutschen Regierung eine durchweg politische Antwort, die jegliche inhaltliche Kritik an der Entscheidung der britischen Behörden missen lässt. „Eine Sprecherin erklärte lediglich, der Rechtsweg sei noch nicht ausgeschöpft, das Auslieferungsurteil sei also ’noch nicht unanfechtbar'“, hieß es in der Tagesschau.
Entgegen ihrer eigenen Forderungen an die damals rot-schwarze Bundesregierung, sich für eine Freilassung Julian Assanges einzusetzen, hielt sich auch die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/die Grünen) bisher in dieser Sache bedeckt. Seitdem sie im Amt ist, ignoriert sie den Fall und handelt nicht im Rahmen der Möglichkeiten, die ihr Amt ihr gewähren würde. Es bleibt zu hoffen, dass sich die Bundesregierung nicht weiter auf britische Rechtsstaatlichkeit verlässt, sondern das Vorgehen der USA als eine politisch motivierte Verfolgung anerkennt. Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Pressefreiheit stehen auf dem Spiel, weswegen dem Fall des Julian Assange auch in Zeiten von Krieg und Pandemie definitiv mehr Beachtung geschenkt werden sollte!