Am 1. Oktober 2013 wurde der Betreiber der Online-Drogenhandelsplattform Silk Road, Ross Ulbricht, in einer Bibliothek in San Francisco festgenommen. Die Silk Road war die erste große Online-Drogenhandelsplattform in der Geschichte. Die Verhaftung Ulbrichts schlug damals große Wellen. Ulbricht verstand bereits im Jahr 2011 schon die Möglichkeiten, die ihm Bitcoin und die Anonymität des Tor-Netzwerkes ermöglichen. Silk Road wurde zu der größten Drogenplattform weltweit und prägte die Wahrnehmung von Bitcoin für immer.

Wer war Ross Ulbricht?

Ross Ulbricht wurde am 27. März 1984 in Austin, Texas geboren. Im Alter von 25 Jahren schloss er sein Studium zum Ingenieur in Pennsylvania ab. Nach dem Abgang von der Universität reiste Ulbricht an verschiedene Orte der Welt. Zu diesem Zeitpunkt wurde Ulbricht bewusst, dass er sich nicht mit einem normalen Angestelltenjob zufriedengeben möchte. Er wollte Unternehmer werden.

Ross Ulbricht

Ulbricht beschäftigte sich in sehr stark mit der sogenannten österreichischen Schule der Nationalökonomie, einer sehr liberal geprägten volkswirtschaftlichen Lehrmeinung, welche die Menschen und deren individuelle Vorlieben und deren Handeln als zentrales Objekt innerhalb wirtschaftlicher Prozesse betrachtet. Ersten Beiträgen im zugehörigen Silk Road Forum zufolge wurde er vor allem von den Schriften der Ökonomen Murray Rothbard und Ludwig von Mises geprägt. Mit seiner libertär gesinnten Einstellung sah Ulbricht den Staat als den primären Aggressor an. Sein Ziel war es die staatliche Aggression gegen das Individuum zu verhindern.

"Ich möchte die Wirtschaftstheorie als Mittel verwenden, um die Anwendung von Zwang und Aggression unter der Menschheit abzuschaffen. So wie die Sklaverei fast überall abgeschafft wurde, glaube ich, dass Gewalt und alle andere Formen von Zwang ein Ende haben können."

Ross Ulbricht

Ulbricht glaubte, dass ein uneingeschränkter freier Handel seine Vision der Gesellschaft umsetzen kann. Vor allem der global geführte Krieg gegen Drogen war für Ulbricht nicht zu ertragen. Er wollte die Gewalt des Drogenhandels minimieren und gleichzeitig dem Staat die Möglichkeit nehmen, den Drogenkrieg weiterzuführen.

Mit der Implementierung von Bitcoin als Zahlungsmittel auf Silk Road erlaubt Ulbricht jeden Nutzer direkt monetären Wert auszutauschen. Keine Regierung oder Bank konnte den Zahlungsverkehr der Markteilnehmer stoppen. Bitcoin und das Tor-Netzwerk boten Ulbricht unbegrenzte Möglichkeiten. Gleichzeitig gab es damit für Bitcoin auch den ersten realen Anwendungsfall. Das noch heute stark verbreitete Vorurteil, dass Bitcoin nur von Kriminellen benutzt wird, hat seinen Ursprung in den Anfangszeiten der Silk Road.

Der Erfolg der Silk Road

Primäres Ziel der Silk Road war es, die Gewalt, die beim gängigen Drogenhandel auftritt, durch das Internet zu minimieren. Obwohl Ulbricht sich für den freien Handel von Produkten und Dienstleistungen einsetzte, zog er eine klare Linie, welche Produkte auf seiner Seite nicht verkauft werden dürfen. In erster Linie waren dies Produkte, die an dritten Personen direkt Schaden anrichten würden wie Waffen jeglicher Art, Kinderpornografie oder gefälschte Geldscheine.

Als die ersten Nachrichtensender auf die Silk Road aufmerksam wurden, stieg die Nutzeranzahl explosiv an. Die Plattform generierte von 2011 bis 2013 einen Umsatz von ca. 1,2 Milliarden US-Dollar. Ulbricht verlangte bei jeder Transaktion eine Provision von bis zu 10%. Die Summe der Provisionen beliefen sich bis zum Ende der Silk Road im Jahr 2013 auf über 80 Millionen US-Dollar in Bitcoin.

Einen Teil seines Ziels erreichte Ulbricht. Nachdem die Silk Road offline genommen wurde, folgten die ersten Studien. Diese ergaben, dass die Gewalt im Zusammenhang mit Drogendelikten deutlich abgenommen hatte. Der Handel über die Plattform habe das Risiko für Konflikte vor allem zwischen Lieferanten und Zwischenhändlern deutlich reduziert. Als die Silk Road immer größer wurde, nahmen die amerikanischen Behörden ihre Ermittlungen auf. Eine Person war für sie von entscheidender Bedeutung: Dread Pirate Roberts.

Die Fahndung nach Dread Pirate Roberts

Ross Ulbricht gab sich als Online Alter Ego den Namen Dread Pirate Roberts, einem fiktiven Charakter aus dem 80er-Jahre Fantasyfilm "Die Braut des Prinzen". Das Besondere an Dread Pirate Roberts war, dass dieser im Film von wechselnden Charakteren gespielt wurde. Im Hinblick auf den Prozess gegen Ulbricht wird dieser Punkt noch relevant.

Eine der vielen Dread Pirate Roberts. Quelle: Sideshow

Die Ermittler tappten lange im Dunkeln. Durch die Anonymität die das Tor-Netzwerk mit sich bringt gab es nur sehr wenige Anhaltspunkte. Erschwerend kam hinzu, dass die Silk Road die erste Plattform ihrer Art war. Die Ermittler hatten keine Erfahrung, wie sie mit einem solchen Fall umgehen sollen.

Ulbricht war sich bewusst, dass die Ermittler ihm bereits auf den Versen waren. Immer öfter gab es mysteriöse Vorfälle auf der Plattform. Die Ermittler versuchten selbst Agenten als Käufer und Verkäufer einzuschleusen. Sie bestellten Produkte und konnten somit bei unachtsamen Verkäufern die Adresse zurückverfolgen. Die Verkäufer wurden daraufhin durchsucht. Zu Verhaftungen kam es aber nur in wenigen Fällen. Die Ermittler wollten in Kooperation mit den Verkäufern Kontakt zu Dread Pirate Roberts aufbauen, um ihm Informationen zu entlocken die Rückschlüsse auf seine Identität gegeben hätten.

Die Ermittler griffen zu kontroversen Methoden. Angeblich ermöglichte ein Bug im Login Captcha den Fahndern den Standort des Servers zu ermitteln. Dieser befand sich in Island. Mehrere Internetaktivisten widersprachen dieser Theorie. Auch der Whistleblower Edward Snowden glaubte an eine größer koordinierte Aktion gegen die Silk Road. Nach Snowden sei der amerikanische Geheimdienst NSA involviert gewesen. Auch dieser Punkt wird später beim Prozess noch relevant.

Über den Server konnten dann erste Administratoren der Seite ausfindig gemacht werden. Aber niemand von ihnen wusste, wer hinter dem Pseudonym Dread Pirate Roberts stecken könnte.

Lösung des Rätsels

Der IRS Special Agent Gary Alford lüftete schließlich das Geheimnis. Beim googlen von "Silk Road.onion" stieß er auf einen Bitcoin Talk Eintrag eines Users namens altoid. Dieser machte Anfang des Jahres 2011 auf das Projekt Silk Road aufmerksam. In einem anderen Eintrag suchte altoid Ende 2011 einen Lead Developer für ein Bitcoin-Projekt. Die Adresse, die er hinterlegte: rossulbricht @ gmail dot com.

Dieser Hinweis reichte den Ermittlern für eine Festnahme aber noch nicht aus. Erst als eine Bestellung von Ulbricht, die gefälschte Pässe beinhaltete, abgefangen wurde und der Datenverkehr des Servers zeigte, dass sich Dread Pirate Roberts nur wenig hundert Meter entfernt von Ulbrichts Wohnung in die Silk Road einloggte, reichte das den Ermittlern aus Ross Ulbricht festzunehmen.

Am 1. Oktober 2013 wurde Ross Ulbricht in einer öffentlichen Bibliothek in San Francisco festgenommen. Die Ermittler wussten, dass Ulbricht seinen Arbeitslaptop verschlüsselt hatte. Sie mussten ihn also festnehmen während er auf der Silk Road als Dread Pirate Roberts eingeloggt ist. Das gelang ihnen dann auch. Zwei FBI Agenten inszenierten einen Streit in der Bibliothek, um Ulbricht abzulenken. Ein dritter Beamte schnappte sich daraufhin den Laptop.

Ross Ulbrichts gefälschte Pässe. Quelle: "Die Zeit"

Prozess gegen Ross Ulbricht

Die Beweislast gegen Ulbricht war erdrückend. Bei der Hausdurchsuchung wurde ein Tagebuch gefunden, mehre USB-Sticks mit sensiblen Daten wie Datenbankauszügen und Chatprotokollen. Auch konnte nachgewiesen werden, dass 89% der von Ulbricht gehaltenen Bitcoin von dem beschlagnahmten Silk Road Server stammten.

Viele Außenstehende erwarteten, dass Ulbricht sich schuldig bekennen wird und damit versucht das Strafmaß zu verringern. Zur großen Verwunderung wählten Ulbricht und sein Verteidiger einen anderen Weg. Ulbricht behauptete vor Gericht, dass er zwar die Silk Road 2011 gegründet hat, danach aber die Leitung abgab. Der wirkliche Betreiber wusste, dass es immer gefährlicher wurde und gab Ulbricht die Adminrechte der Silk Road dann wieder zurück. Der Name Dread Pirate Roberts passt zu dieser Theorie, dass die Silkroad einen abwechselnden Betreiber hatte. Die Verteidigung plädierte für nicht schuldig.

Die Geschworenen stellten sich aber auf die Seite der Staatsanwaltschaft. Ross Ulbricht wurde zu zweimal lebenslänglich + 40 Jahre Gefängnis wegen illegalen Hackings, Geldwäsche und Drogenhandel verurteilt.

Kritik am Prozess

Der erste offensichtliche Kritikpunkt ist das Strafmaß. Der Fall Ross Ulbricht war der erste Fall für eine Online Drogenhandelsplattform. Die Ermittlungen liefen mehr als zwei Jahre und kurz nachdem Silk Road offline war, wurde die Silk Road 2.0 online gestellt. Das hohe Strafmaß kann als ein Symbol für zukünftige Betreiber solcher Plattformen gesehen werden. Die Regierungen können nicht verhindern, dass Plattformen wie die Silk Road entstehen. Nachfrage schafft Angebot. Sie statuierten an Ulbricht ein Exempel in der Hoffnung zukünftige Betreiber abzuschrecken.

Sollten die Ermittler mithilfe von der NSA sich einen illegalen Zugriff zu den Servern in Island verschafft haben, hätte dies einen Verstoß gegen den vierten Zusatzartikel der amerikanischen Verfassung bedeuten können. Dieser Artikel gibt jedem Bürger das Recht sich vor staatlichen Übergriffen zu schützen und garantiert damit das Recht auf Privatsphäre. Ulbricht legte beim Supreme Court Berufung ein. Ulbrichts Anwälte argumentierten, dass nur mit einem gültigen Haftbefehl solche Schritte rechtens sind. Der Supreme Court lehnte den Einspruch im Jahr 2018 jedoch ab.

Während des Prozesses wurden außerdem Zeugen der Verteidigung nicht zugelassen und die Richterin blockte Versuche des Verteidigers ab, den Prozess zu verlangsamen bis alle relevanten Informationen zusammengetragen sind. Ulbricht ging aufgrund der Nichtzulassung von Zeugen in Berufung. Doch das Berufungsgericht bestätigte 2017 das Urteil.

Hinzu kommen noch diverse Korruptionsvorwürfe gegen FBI Agenten. Die FBI Ermittler Force und Bridges gaben sich als Mitglieder eines Drogenkartells aus und bauten Kontakt zu Ulbricht auf, um ihm Informationen zu entlocken. Beide bereicherten sich und erbeuteten insgesamt Bitcoin im Wert von über einer Million US-Dollar. Die Staatsanwaltschaft führte im Strafprozess Force und Brigdes nicht als Zeugen auf und die Richterin untersagte der Verteidigung eine Präsentation mit Informationen zu Force und Bridges.

Engagierte Ross Ulbricht einen Auftragsmörder?

Ein kontroverses Thema ist, ob Ross Ulbricht Auftragsmörder engagiert hat. Die Chatprotokolle belasten hier Ross Ulbricht schwer. Nur wenn die Theorie stimmen würde, dass es sich bei Dread Pirate Roberts nicht um Ross Ulbricht handelte, könnte Ulbricht hierbei entlastet werden. Die Staatsanwaltschaft nahm zuerst die Aufträge in die Anklageschrift mit auf, ließ sie dann aber doch außen vor. Es gab keine Beweise, ob die Mordaufträge tatsächlich ausgeführt worden sind.

In den Chatprotokollen stellte sich heraus, dass immer wieder Probleme mit Verkäufern auftraten. Ulbricht wurde erpresst. Große Verkäufer der Seite drohten Ulbricht, Adressdaten der Kunden zu veröffentlichen, wenn er ihnen kein Geld schickt. In einem Fall ging es um mehr als 5000 Kundendaten. Das hätte zu einem massiven Vertrauensverlust in die Plattform geführt, wenn nicht sogar das Ende bedeutet.

Ulbricht sah sich genötigt zum Schutz der Website und der Kunden diese Leute auszuschalten. Nachweislich hat Dread Pirate Roberts zwei Transaktionen an einen Auftragsmörder getätigt, um fünf Personen auszuschalten. Die erste Transaktion belief sich auf 1670 Bitcoin und die zweite auf 3000 Bitcoin.

Transaktion 1. Quelle: mempool.space
Transaktion 2. Quelle: mempool.spacce

Die Aufträge wurden nie ausgeführt. Erst 2018 wurde James Ellingson verhaftet. Er spielte eine Doppelrolle als Erpresser und Auftragsmörder. Ross Ulbricht überwies ihm die 4670 Bitcoin, die heute einen Gegenwert von 196 Millionen US-Dollar besitzen.

Haftbedingungen von Ulbricht

Ross Ulbricht verbringt seine Haftstrafe in verschiedenen Hochsicherheitsgefängnissen. Dabei handelt es sich um Gefängnisse für die Aufbewahrung von Schwerstkriminellen. Er steht unter ständiger Beobachtung und ist fast komplett von der Außenwelt abgeschirmt.

Eine besonders harte Disziplinarmaßnahme ist der Aufenthalt in der sogenannten SHU-Zelle. Dabei handelt es sich um ein Gefängnis innerhalb des Gefängnisses. Die Insassen werden 23 Stunden am Tag in vollständiger Einzelisolation gehalten und haben auch keinen Kontakt mehr zu ihren Mithäftlingen. Unter den Häftlingen sind die SHU-Zellen besser bekannt als "Loch". Die längste Zeit am Stück verbrachte Ross mit dreieinhalb Monaten im Loch. Damals weigerte sich Ulbricht gegenüber einem anderen Häftling auszusagen.

Nach der Bitcoin Konferenz 2021 in Miami wurde Ulbricht eine Woche in das Loch gesperrt. Der Grund war eine Tonaufnahme eines Interviews mit ihm, welche bei der Bitcoin Konferenz eingespielt wurde.

Fazit

Die Geschichte von Bitcoin und Silk Road ist nicht voneinander zu trennen. Vor der Silk Road kannten nur eine handvoll von Gruppen wie z.B. die Cypherpunks das Bitcoin Netzwerk. Mit der Silk Road hatte Bitcoin auf einmal verschiedenste Nutzer. Die Regierungen haben es geschafft Ross Ulbricht und die Silk Road zu stoppen, aber eine Idee wie Bitcoin ist nicht zu stoppen. Ross sitzt vermutlich für immer im Gefängnis, aber er wird immer ein Teil der Community bleiben. Die Frage nach der Verhältnismäßigkeit muss hier eindeutig gestellt werden. Ist es fair einen 29-jährigen jegliche Chance auf Resozialisierung zu nehmen? Ist es fair jemanden lebenslänglich wegzusperren für gewaltfreie Strafdelikte? Die Fragen müssen auch in der Zukunft gestellt werden. Ross Ulbricht ist eine bedeutende Figur in der Geschichte von Bitcoin, die niemals vergessen werden darf.