Eine Gruppierung Schweizer Bitcoiner möchte die Schweizerische Nationalbank (SNB) dazu verpflichten, neben Gold- auch Bitcoin-Reserven aufzubauen, um die Souveränität und Neutralität des Landes zu schützen. 

Mit einer Aufnahme von Bitcoin in die Reserven würde die Schweiz ihre Unabhängigkeit von der Europäischen Zentralbank markieren. Ein solcher Schritt würde unsere Neutralität stärken.
Luzius Meisser, Präsident vom Finanzdienstleister Bitcoin Suisse gegenüber der NZZ

Schweizerische Notenbank soll Bitcoin kaufen

Stand heute steht im Verfassungsartikel der Notenbank Folgendes: “Die Schweizerische Nationalbank bildet aus ihren Erträgen ausreichende Währungsreserven; ein Teil dieser Reserven wird in Gold gehalten.” Dieser soll künftig um den Zusatz “und Bitcoin” ergänzt werden, fordert die Initiative. Die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) berichtete.

Dadurch soll es der SNB trotz Verpflichtung überlassen sein, wie viel Bitcoin sie letztendlich kauft. Am kommenden Freitag ist die Generalversammlung der SNB und die Gruppierung möchte eine Debatte über eine Aufnahme von Bitcoin in die Notenbankreserven anstoßen.

Wir sind dabei, die organisatorischen Vorbereitungen für das Komitee abzuschliessen und die Unterlagen zu erstellen, die bei der Staatskanzlei eingereicht werden müssen, um den Prozess zu starten.
Yves Bennaïm, Vorstandsmitglied des Branchenverbands Bitcoin Association Switzerland gegenüber der NZZ

Bennaïm erklärt der NZZ, dass er sich um die Zukunft der Schweiz in einer zunehmend unsicheren Welt sorgt. Sein Mitstreiter Luzius Meisser hat gemeinsam mit anderen Aktionären auf der Generalversammlung 2022 bereits vorgeschlagen, die SNB solle zulasten von deutschen Staatsanleihen jeden Monat für eine Milliarde Franken Bitcoin kaufen. Angesichts der Devisenreserven von einigen 100 Milliarden Franken wäre dies ein gar nicht so großes Investment für die SNB gewesen.

Monatliches Update: gemäß meinem Vorschlag ab Mai 2022 jeden Monat 1 Milliarde von deutschen Anleihen in Bitcoin umzuschichten, hatte die @SNB_BNS 964.000 Bitcoin akkumuliert und mehr als 35 Milliarden CHF an (unrealisierten) Kapitalgewinnen erwirtschaftet, im Gegensatz zu einem Verlust von 2,5 Milliarden CHF mit den Anleihen.

Mehr dazu an der kommenden Generalversammlung der Schweizerischen Nationalbank sowie an der Swiss Bitcoin Conference unmittelbar danach.
Luzius Meisser

“Hätte sie dies getan, wäre die Schweiz heute rund 30 Milliarden Franken reicher”, betont Meisser gegenüber der NZZ. Er kündigt an, in seiner dreiminütigen Redezeit am Freitag auch diese Rechnung vorzutragen. 

Natürlich hat meine Wortmeldung auch eine Marketingkomponente. Aber ich bin wirklich der Überzeugung, dass Bitcoin Bestandteil der Schweizer Währungsreserven sein sollte.
Luzius Meisser gegenüber der NZZ

Meisser findet, dass Bitcoin langfristig robuster als in Euro- oder US-Dollar denominierte Anlagen ist, weil die Wirtschaftsräume dazu neigen, ihre Schulden mittels Inflation zu entwerten. Dadurch werden die Reserven der SNB, die zu guten Teilen aus Staatsanleihen bestehen, entwertet, erklärt Meisser der NZZ. Ihm sei es wichtig, dass die Schweiz bei diesem Thema zu den Pionieren gehört, damit andere Zentralbanken der SNB nicht zuvorkommen und sie dadurch ins Hintertreffen gerät.

Die Situation der SNB

Die Schweizerische Nationalbank ist zu rund 55 Prozent ein öffentliches Unternehmen, das zum Teil den Kantonen und Kantonalbanken, aber nicht dem Bund gehört. Die restlichen Anteile halten Privatpersonen, die zwar Stimmrechte, aber keinen maßgeblichen Einfluss auf die Schweizer Geldhüter haben. Zudem ist es auch nicht das erste Mal, dass eine Gruppierung die SNB dazu bewegen möchte, in ihrem Interesse zu handeln. Im vergangenen Jahr haben zum Beispiel Klimaaktivisten die Generalversammlung gekapert. Generell kommt es immer wieder vor, dass unterschiedlichste Interessengruppen fordern, dass die SNB überschüssige Reserven für ihre Klientel bereitstellt.

Einen Teil der Reserven in Bitcoin zu stecken, kann für Zentralbanken jedoch durchaus Sinn ergeben. Nicht nur um einen potenziell langfristig rentableren Vermögenswerte zu halten als Staatsanleihen oder Devisen, sondern auch um sich unabhängiger von anderen Nationen aufzustellen. Obwohl die Schweiz aufgrund ihrer Neutralität wohl vorerst nicht in eine Auseinandersetzung geraten wird, könnte auch ihr das Einfrieren von US-Staatsanleihen im russischen Besitz im Rahmen des Ukraine-Krieges zu denken gegeben haben. 

Eine wissenschaftliche Arbeit von Matthew Ferranti, einem Doktoranden im fünften Jahr an der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät von Harvard, kam zu dem Ergebnis, dass es für Zentralbanken unter normalen Umständen schon sinnvoll ist, in Bitcoin zu diversifizieren. Insbesondere sollten sie das aber tun, wenn sie von Sanktionsrisiken betroffen sind, so das Paper. Ferranti ist überdies der Berater von Ken Rogoff, einem ehemaligen Ökonomen des IWF und des Federal Reserve Board of Governors und aktuell Harvard-Professor.

Schon seit Längerem kauft die SNB neben Devisen auch Aktien im Rahmen ihrer Diversifizierungsstrategie und um die Aufwertung des Schweizer Franken zu bekämpfen. Ein gegenüber anderen Währungen starker Franken würde Schweizer Produkte nämlich nur noch teurer für das Ausland machen und somit den Export des Landes schwächen. Damit ist die SNB eine der wenigen Zentralbanken, die auch auf die für Notenbanken unkonventionelle Anlageklasse der Aktien setzt.

Im Jahr 2022 und 2023 hat die SNB Verluste in Milliardenhöhe geschrieben, wobei der im vergangenen Jahr mit nur drei Milliarden deutlich geringer ausfiel als der im Jahr davor mit 132,5 Milliarden Franken. Grund für den Rekordverlust im Jahr 2022 waren fallende Aktienkurse, die Aufwertung des Franken und insbesondere die Kursverluste bei dem großen Anleiheportfolio der SNB, aufgrund der Zinsanhebungen der EZB und der US-Notenbank.

SNB bald Bitcoin-Halter?

Im Jahr 2022 schmetterte Thomas Jordan, der Präsident des Direktoriums des SNB, den Vorschlag Bitcoin zu kaufen ab. Die Begründung war, dass Bitcoin “aus heutiger Perspektive” nicht die Anforderungen erfülle, welche die SNB an Währungsreserven stelle und dass es für den Bitcoin-Kauf an einer Rechtsgrundlage fehle. Meissler findet, dass letzteres Argument seit der Einführung von Bitcoin als gesetzlichem Zahlungsmittel in El Salvador eigentlich nicht mehr zutreffend sei.

Seit 2022 hat sich zudem auch noch einiges geändert. Beispielsweise ist Bitcoin seit der Zulassung der Bitcoin-Spot-ETFs tief im größten Finanzmarkt der Welt verwurzelt, wo das Asset als Rohstoff beziehungsweise Ware klassifiziert wird.

Generell ist auch gar nicht so weit hergeholt, dass die SNB als eine der ersten Zentralbanken diesen Schritt gehen könnte. Die Schweizerische Nationalbank legt hohen Wert auf eine Diversifikation, bei der Bitcoin als ein Asset, das wenig Korrelation zu traditionellen Anlageklassen aufweist, einen guten Beitrag leisten kann. Luzius Meisser glaubt zudem, dass sich die SNB solche Themen grundsätzlich auch nüchtern anschaut.

Überdies zeigt sich die Schweiz per se offen für Bitcoin. Die Postfinance, eines der größten Finanzinstitute der Schweiz, und einige Kantonalbanken ermöglichen es ihren Kunden bereits Bitcoin zu kaufen. Zudem können die Bürger im Kanton Zug oder der Stadt Lugano ihre Steuern mit Bitcoin und Co. entrichten.

Ob die Volksinitiative am kommenden Freitag bei der Generalversammlung bereits Erfolg haben wird, bleibt abzuwarten. Grundsätzlich ist es aber für Bitcoin schon positiv zu werten, dass diese Diskussion zunehmend aufkommt und sich immer mehr Menschen mit Satoshi Nakamotos Kreation auseinanderzusetzen.