Die Gerüchteküche darum, ob es sich bei dem beliebten Stable-Coin Tether (USDt) möglicherweise um einen der größten Betrugsfälle in der Geschichte des modernen Finanzwesens handelt, brodelt bereits seit vielen Jahren. Eigentlich sollte das System recht einfach sein. Für jeden US-Dollar, der bei der Tether Ltd. eingezahlt wird, emittiert diese einen USDt-Coin, der genau den Wert eines US-Dollars repräsentiert. Da sich im Laufe der Zeit zwar immer wieder neue dubiose Verknüpfungen und Verdächtigungen aufgetan haben aber bis dato jeglicher Beweis für die ungeheuerlichen Anschuldigungen fehlt, halten sich die Gerüchte um eine fehlende Deckung von USDt bis heute hartnäckig.

In den vergangenen Tagen kam darüber hinaus wieder vermehrt das Interesse an dieser Thematik auf und uns erreichten diesbezüglich viele Fragen aus der Blocktrainer-Community. Dies veranlasste uns zu einer kurzen Aufarbeitung des Themas in diesem Blogpost.

Die allgegenwärtige Bedrohung

Die bekannte Legende vom Schwert des Damokles, wird in der Regel als Metapher für eine bestehende Gefahr in einer scheinbar komfortablen Situation gebraucht. Der Überlieferung zufolge wollte Dionysios von Syrakus seinem Höfling Damokles, welcher unzufrieden mit seinem Leben war und sich nach Macht und Reichtum sehnte, die Vergänglichkeit und Instabilität einer derartig erhabenen Position verdeutlichen. Aus diesem Grunde lud Dionysios Damokles zu einem Festmahl an der königlichen Tafel ein, bei welchem er wahren Luxus dargeboten bekam. Allerdings ließ der Herrscher ein Schwert, welches nur von einem Rosshaar gehalten wurde, direkt über Damokles Platz befestigen. Die drohende Gefahr, die über seinem Kopf schwebte, lies Damokles schließlich erkennen, dass auch Reichtum und Macht keinen Schutz vor Gefahren bieten, sondern vielmehr ständiger Bedrohung ausgesetzt sind.

Oft wird im Hinblick auf die mittlerweile extrem hohe Marktkapitalisierung im Krypto-Markt in Bezug auf die drohende Gefahr durch USDt das Damokles-Gleichnis herangezogen.

Viele Bitcoin- und Krypto-Enthusiasten scheinen eine Gefährdung für das eigene Portfolio (gerade in Hochphasen des Marktes) nur all zu gerne auszublenden. Andere hingegen, wittern teilweise Gefahren wo keine sind, sehen überall verdächtige Verknüpfungen, schüren Ängste bei Anlegern und (wie man es heutzutage sagt) verbreiten "FUD" (Fear, Uncertainty, Doubt).

Doch wie ist die Sachlage bei der Tether-Thematik? Ist es wirklich ein gewaltiges Betrugsschema, das sogar den Wirecard-Skandal in den Schatten stellen würde? Oder steigern sich die Kritiker nur zu sehr in die ganze Geschichte hinein? Eine Antwort auf diese beiden Fragen ist tatsächlich schwierig zu geben, denn einerseits wirkt das komplette Tether-Konstrukt äußerst dubios und es birgt viele "rote Flaggen". Andererseits gibt es weder wirkliche pro noch contra Beweise für die Verdächtigungen und Anschuldigungen.

Die roten Flaggen

Das Gebilde um die Tether Ltd. (die emittierende Firma) ist sehr verworren und undurchsichtig. Es ist deshalb nahezu unmöglich es komplett zu durchblicken und wirklich alle Zusammenhänge und roten Flaggen aufzuzeigen. Einer der ersten Kritikpunkte von selbsternannten "Tether-Jägern" ist zumeist aber das dubiose Team hinter dem Stablecoin. Alle Beteiligten und "Macher" des Konstrukts fielen in der Vergangenheit bereits durch Betrügereien oder andere unrühmliche Verhaltensweisen auf. Dies ist natürlich noch lange kein Beweis dafür, dass es bei Tether nicht mit rechten Dingen zugeht, ein erster Anhaltspunkt ist es aber allemal.

Hinzu kommt die undurchsichtige Verbindung mit der Kryptobörse Bitfinex, die durch die sogenannten Paradise Papers öffentlich wurde. Von beiden Seiten wurde diese Verbindung nämlich lange bestritten. Heraus kam jedoch, dass hinter Bitfinex die selben dubiosen Charaktere stehen wie hinter Tether. Beiden Unternehmen wurde im Jahr 2017 von ihrer damaligen Partnerbank Wells Fargo gekündigt und trotzdem verfünffachte sich zu dieser Zeit die Umlaufmenge an USDt - obwohl das Unternehmen offiziell keinen Bankpartner hatte, der die USD Einzahlungen für die USDt-Emission hätte abwickeln können. Für viele Menschen ist dies eines der offensichtlichsten Indizien dafür, dass bei Tether etwas faul ist.

Dass die beiden Unternehmen anschließend mit der "Crypto Capital Corp." einen Finanzdienstleister aus Panama nutzten, der bereits in der Vergangenheit mit Geldwäsche für Drogenkartelle in die Schlagzeilen geriet, trägt ebenfalls nicht gerade zur Vertrauensbildung bei. Als die Konten der Crypto Capital Corp. im Jahr 2018 durch eine polnische Staatsanwaltschaft beschlagnahmt wurden, stand Bitfinex kurz vor der Inslovenz, da deren Guthaben von ca. 850 Millionen US-Dollar ebenfalls mit eingefroren wurde.

Diese beinahe Insolvenz wurde von den Verantwortlichen jedoch nicht öffentlich gemacht. Ganz im Gegenteil. Es wurde versucht die finanzielle Lücke mit Mitteln aus Tether-Reserven zu füllen, wodurch der Stablecoin nicht mehr vollständig durch US-Dollar gedeckt war. Daraufhin nahm die Tether Ltd. das ursprüngliche Versprechen, dass jeder USDt durch einen echten US-Dollar gedeckt ist, zurück. Ab diesem Zeitpunkt konnten die USDt- Reserven auch herkömmliche Währungen und Barmitteläquivalente umfassen und von Zeit zu Zeit auch andere Vermögenswerte und Forderungen aus Darlehen, die Tether an Dritte vergeben hat. Zu diesen Dritten können natürlich auch verbundene Unternehmen (wie z.B. Bitfinex) gehören. Der Staat New York verklagte daraufhin Tether wegen des Vorwurfs, dass Einlagen von Bitfinex-Kunden und Tether-Guthaben unzulässiger Weise miteinander vermischt wurden und bezüglich der Reserven gelogen wurde. Das Verfahren wurde im Frühjahr 2021 eingestellt, nachdem Tether eine Strafe von etwas mehr als 18 Millionen US-Dollar zahlte und die Auflage bekam, nicht mehr in New York agieren zu dürfen.

Schließlich fand sich mit der puerto-ricanischen Noble Bank ein Geldinstitut, welches gewillt war, die Geschäfte von Tether und Bitfinex zu übernehmen. Auch hier gibt es jedoch wieder eine suspekte Verbindung. Denn einer der Mitgründer der Noble Bank war ein gewisser Brock Pierce, der u.a. auch einer der Mitgründer von Tether war und in der Krypto-Szene insgesamt keinen guten Ruf genießt.

Auch hier sehen viele Kritiker wieder eine rote Flagge, die sich in das Gewirr um verschiedene Banken, verdächtige Geldflüsse und dubiose Gründer nahtlos einreiht.

Dann wäre da außerdem noch die Frage nach den Kunden. Es gibt keinerlei Hinweise darauf, wer die Großinvestoren sind, die die USDt bei Tether kaufen - und theoretisch auch wieder gegen USD eintauschen könnten. Ein solcher "Rücktausch" in US-Dollar fand bis dato verdächtigerweise nicht statt, nichtmal in Schwächephasen des Marktes. In einem "normalen Markt" müssten USDt eigentlich auch wieder zurück in USD getauscht werden. Ein weiteres Indiz dafür, dass die USDt nicht aufgrund von hoher Nachfrage erzeugt werden, sondern lediglich, um den Krypto-Markt künstlich aufzublasen.

Fehlende Wirtschaftsprüfung

Eine der größten, wenn nicht sogar der größte Kritikpunkt, ist seit jeher die fehlende umfassende Prüfung und Beglaubigung der Reserven durch unabhängige Wirtschaftsprüfer. Zwar gibt es ein Gutachten von Moore Cayman, welches die Deckung bestätigt, dieses ist aber mehr eine Momentaufnahme zu dem damaligen Zeitpunkt (Juni 2021) und kein Ersatz für eine vollumfängliche Wirtschaftsprüfung.

Angebliche und durch Moore Cayman bestätigte Aufteilung der Reserven.
Quelle: Tether Ltd.

Dass das Unternehmen bisher keiner richtigen Prüfung zugestimmt beziehungsweise sogar selbst in Auftrag gegebenen hat, ist für viele Kritiker ebenfalls äußerst verdächtig.

Durch den Moore- Cayman-Bericht wurde zwar klar, dass Tether, tatsächlich Schuldverschreibungen/Commercial Papers hält, allerdings ist noch immer nicht genau klar welche. In den letzten Tagen war oft davon die Rede, dass ein Großteil der Commercial Papers die quasi-insolvente chinesische Firma Evergrande betreffen.

Was passiert wenn Tether zusammenbricht?

Was genau passieren würde, wenn herauskäme, dass die USDt tatsächlich nicht gedeckt sind und der Krypto-Markt künstlich aufgebläht wurde ist nicht ganz klar. Während einige Leute behaupten, dass es sogar positive Auswirkungen hätte, da die Leute ja ihre USDt verkaufen müssten und diese entsprechend gegen Bitcoins und andere Krypto-Assets traden werden. Die wahrscheinlichere Variante dürfte aber die sein, dass es zu einer Art "Bank-run" kommen wird und alle USDt-Halter ihre Stablecoins gegen Dollar verkaufen wollen - die es jedoch nicht gibt. Dies würde eine Panik auslösen und zu einem massiven Einbruch des gesamten Krypto-Marktes führen.

Kurz- und mittelfristig wäre das Vertrauen in den kompletten Markt stark geschädigt und die Handelsvolumina würden deutlich zurückgehen. Und mit ihnen natürlich die Preise der Krypto-Assets.

Allerdings würde sich langfristig an Bitcoin und seinen Eigenschaften als freies und nicht zensierbares Geld nichts ändern.

Wer Tether nicht anrührt, Börsen mit hohem USDt-Volumen meidet, seine Bitcoins auf einer eigenen Hardwarewallet (z.B. die BitBox02) lagert und einen langfristigen Anlagehorizont hat, der sollte sich von all den Ungewissheiten und Verdächtigungen nicht verunsichern lassen.

Das Damokles-Schwert USDt hängt zwar über dem Krypto-Markt, aber ob das Rosshaar überhaupt reißt ist ungewiss. Der gesamte Krypto-Markt ist mittlerweile sehr stark gewachsen und vor allem der Bitcoin hat mittlerweile ein starkes Fundament auf dem er aufbaut. Sollte das Damokles-Schwert fallen, würde es dem Netzwerk zwar ein paar Wunden zufügen, aber es mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht umbringen.