Sehr geehrte Abgeordnete des Europäischen Parlamentes, sehr geehrte Abgeordnete aller europäischen Länder,

wir wenden uns mit diesem offenen Brief an Sie, um auf Chancen und Gefahren im Zusammenhang mit Bitcoin, Blockchain und Kryptowährungen hinzuweisen, weil wir erleben, dass gesetzliche Regulierungen geplant sind oder umgesetzt werden, die den Bürgern und Bürgerinnen der EU nicht nützen, sondern sogar potenziell schaden. Wir beobachten, dass diese Regulierungen zum größten Teil auf Mangel an Informationen begründet sind und möchten in diesem Brief und einem dazugehörigen Video Grundlagen bereitstellen, damit Sie gute und kluge Entscheidungen treffen können.

Vorab sei gesagt, dass wir Regulierung befürworten, weil sich Innovationen sehr viel besser in einem definierten Umfeld entwickeln können und Planungssicherheit langfristigen Wohlstand für alle ermöglicht. Deshalb fordern wir Sie ausdrücklich auf, den Kryptomarkt auf Basis informierter, kluger Entscheidungen zum Wohle aller zu regulieren.

Bitcoin ≠ Krypto

Zunächst möchten wir feststellen, dass Bitcoin und "Krypto" zwei verschiedene Welten sind, auch wenn bei der Verwendung des Wortes „Kryptowährungen“ vermittelt wird, dass alle gleich sind. Dem ist nicht so. Bei allen Überlegungen und Regulierungen muss zwischen Bitcoin und anderen Blockchain-Produkten streng unterschieden werden.

Tatsächlich nutzen die meisten Kryptowährungen eine Blockchain als Speicherfunktion für die Aufzeichnung der Wertetransfers von einem Teilnehmer zum anderen. Dabei ist jedoch Blockchain nicht gleich Blockchain. Die Unterschiede sind so groß wie die Unterschiede zwischen einem Fahrrad, einem Motorroller, einem PKW, einem LKW, einem Zug und einem Flugzeug, auch wenn all diese Transportmittel sind. Dieser Umstand wird in der Regel nicht berücksichtigt und führt zu erheblichen Missverständnissen.

Eine Blockchain ist im Grunde genommen eine langsame Datenbank, die Transaktionen in einem sogenannten Datenblock abspeichert. Durch eine mathematische Funktion wird für jeden Block eine Art Seriennummer errechnet. Dadurch dass die Seriennummer eines Blocks in den nächsten Block eingerechnet wird, sind die Datenblöcke miteinander verkettet. Daher der Name Blockchain.

Jede Veränderung in einem älteren Block verändert zwangsläufig die Seriennummer des betroffenen Blocks. Weil diese Seriennummer jedoch Bestandteil der Berechnung des folgenden Blocks ist, setzt sich die Änderung durch die gesamte Kette fort und alle Seriennummern ändern sich.

Soweit das Grundprinzip einer Blockchain. Das allein ist jedoch nicht die Magie der Blockchain, obwohl das oft angenommen wird, woraus sich erneut viele Missverständnisse ergeben.

Verteilung und Schwierigkeitsgrad

Die Manipulationssicherheit von historischen Daten und Transaktionen liegt darin begründet, dass alle Datenblöcke und die gesamte Blockchain auf tausenden unabhängigen Computer selbstständig von diesen lokal gespeichert werden.

Viele zehntausend Computer rund um die Welt besitzen zu jeder Zeit eine vollständige Kopie der Bitcoin Blockchain und vergleichen jeden neuen Datenblock mit dem Ergebnis der eigenen, unabhängigen Berechnungen vor Ort. Sollten die selbst errechneten Ergebnisse abweichen, wird der gelieferte Block nicht an die bestehende Blockchain angehängt.

Eine Blockchain wird dadurch synchronisiert, dass diese unabhängigen Computer die Blockchain nach jeweils eigener Überprüfung auf ihrem lokalen Computer speichern. Es entstehen somit zehntausende Kopien. Sollten nicht alle zu dem gleichen Ergebnis kommen, wird der neue Datenblock nicht angenommen und dafür ein passender Datenblock angehängt, auf den sich die Mehrzahl der Computer einigen können.

Der Kern einer manipulationssicheren und vertrauenswürdigen Blockchain besteht also zum einen aus der dezentralen Verteilung auf den teilnehmenden Computern und zum anderen durch den Schwierigkeitsgrad der Rechenoperation, um einen gültigen Datenblock zu berechnen und an die dezentral verteilten Computer zu liefern.

Je schwieriger diese Rechenoperationen sind, die auch als Mining bezeichnet werden, desto schwieriger wird jedwede Manipulation der Daten. Die Sicherheit des Minings beruht also einerseits auf reinem Rechenaufwand und zusätzlich auf der Zeitspanne, die nötig ist, um Datenblöcke korrekt zu berechnen. Sicherheit kostet als Folge dessen Zeit und benötigt Rechenleistung, während die Miningcomputer natürlich mit Strom versorgt werden müssen.

Je schneller eine Blockchain getaktet wird, desto unsicherer wird sie. Je schneller sie fortgeschrieben wird, desto leichter muss zwangsläufig die Rechenaufgabe für die Miner sein. Am schnellsten ist demgemäß eine Blockchain, in der die Miner nur eine einfache Rechenaufgabe lösen müssen und wenn dies alles nur auf einem einzelnen Computer verarbeitet wird. Dann ist die Blockchain jedoch maximal unsicher und jede einfache Datenbank kann diese Aufgabe schneller, besser und billiger erledigen.

Zusammenfassend muss also festgestellt werden, dass sowohl die breite Distribution der Computer, die weltweit die Blockchain speichern, als auch der Schwierigkeitsgrad, die geforderte Seriennummer neuer Datenblöcke zu berechnen, entscheidend für die Unabhängigkeit, die Manipulationssicherheit und die Stabilität einer Blockchain sind.

Wer kann die Regeln ändern?

Ein weiteres essenzielles Kriterium ist es zu analysieren, mit welchem Aufwand es gelingt, die Bedingungen einer Blockchain zu ändern. Wer kann mit welchem Aufwand die Programmierung und somit die Protokollregeln ändern? Wenn die Programmierung einer Blockchain, leicht zu verändern ist, können die Bedingungen an die Schwierigkeit des Minings und die Notwendigkeit der breiten Verteilung leicht verändert werden. Das führt zur Kontrolle durch eine bestimmte Gruppe von Personen.

Gerade letzteres ist bei allen Blockchains, außer der Bitcoin Blockchain, gegeben, sodass alle, außer Bitcoin, in sich instabil sind, da Änderungen oft nicht ausreichend getestet werden konnten. Zudem und das ist sehr kritisch, stehen solche Änderungen unter der Kontrolle einiger weniger Personen, die die Bedingungen jederzeit nach ihren Vorlieben verändern können.

Deshalb sind alle Blockchains, außer Bitcoin, im Grunde genommen FinTech Produkte, die allenfalls den gleichen Stellenwert besitzen können, wie exotische Derivate der klassischen Finanzindustrie.

Besonders große Gefahren gehen von sogenannten DeFi Produkten oder DeFi-Chains aus. Diese nutzen sogenannte Smart Contracts, die, nachdem sie auf der jeweiligen Blockchain gestartet wurden, automatische finanzielle Transaktionen ausführen. Dabei sind diese Smart Contracts oft ineinander verschachtelt und dadurch massiv fehleranfällig.

Vergleichbar sind die Konstrukte, unter die auch die populären NFTs und Stable Coins zu subsumieren sind, allenfalls mit den brandgefährlichen algorithmischen Computer-Handelssystemen der Wall Street, die ganze Märkte in kurzer Zeit ex- oder implodieren lassen können - zum Nachteil der Masse der Anleger und Sparer.

Obwohl diese alternativen Blockchains und FinTech Produkte in den meisten Fällen mit guten Absichten programmiert sind, ist es, wie jeder weiß, grundsätzlich nicht möglich solche Automatismen fehlerfrei zu programmieren, weil das bei hochfunktionaler Software grundsätzlich nicht möglich ist. Dadurch entstehen für Anleger Verlustgefahren.

Weitere, nicht überschaubare Risiken, bergen potenzielle Programmierfehler, die oft erst nach einem längeren Zeitraum auftauchen. Immer wieder werden solche Fehler auch von Hackern gefunden und ausgenutzt.

Konzeptionelle Schwächen

Schließlich stellen auch konzeptionelle Schwachstellen eine massive Bedrohung für Anleger und Investoren dar, wie es gerade der jüngste Milliardenverlust für Anleger in den LUNA Token und den UST Token gezeigt haben und die Schwierigkeiten im Celsius Network.

Natürlich kann die Programmierung der meisten Blockchains schnell geändert werden, um solche Fehler auszumerzen. Die typische alternative Blockchain kann in eine neue Version überführt oder angehalten werden, wenn das nötig ist.

Genau hier stehen sich jedoch die Anforderungen diametral entgegen. Eine manipulationssichere, ehrliche und zuverlässige Blockchain, wie die Bitcoin Blockchain, muss in jeder Hinsicht ausreichend dezentral aufgebaut sein. Der Miningprozess muss zudem einen erheblichen Schwierigkeitsgrad aufweisen, um die Sicherheit zu gewährleisten.

Aber genau diese Möglichkeiten, die meisten Blockchains zu stoppen oder zu ändern bedeutet sich in die Abhängigkeit von nicht kontrollierbaren Softwarehäusern zu begeben. Das betrifft alle Nutzer, private, gewerbliche, Banken, Institutionen und auch die öffentliche Hand, sogar ganze Regierungen, geraten in gefährliche Abhängigkeiten, wenn sie solche nicht sicheren Blockchains einsetzen.

Einige wenige Softwarehäuser, die Anwendungssoftware für Unternehmen und Behörden liefern, stellen heute schon eine latente Gefahr durch Abhängigkeiten dar. Wir dürfen nicht zulassen, dass durch schlechte Regulierung auch noch große Teile des modernen Finanzwesens in die Hände von einigen wenigen gelegt werden.

Vor einem solchen Schritt ist dringend geboten, Blockchain technisch und konzeptionell zu verstehen.

Die leichtfertige Aussage „Bitcoin ist schlecht und Blockchain ist gut“ zeugt von fundamentalen Verständnislücken und gefährdet unsere Freiheit und unsere Demokratie.

Bitcoin ist kein Softwarehaus, keine Stiftung und niemand in der Welt kann die Software auf die Schnelle ändern oder gar die Blockchain anhalten. Die Programmiersprache der Bitcoin Blockchain ist auch nicht geeignet hochkomplexe Derivate und automatisierte Abhängigkeiten zu erzeugen, die unerkannte Gefahren darstellen können. 

Die Dezentralisierung ist ausreichend groß, sodass keine Manipulationen oder Änderungen an der Struktur leichtfertig und kurzfristig möglich sind. Der Schwierigkeitsgrad des Minings ist so bedeutend, dass keine Gefahr für die Investoren und Anleger bestehen, sofern keine Sicherheitslücken durch Regulierungen aufgrund von fehlenden Informationen geschaffen werden.

Ein Eldorado für Hacker

Zu diesen regulatorischen Sicherheitslücken gehört der potenzielle direkte oder indirekte Zwang, Bitcoins in die Obhut eines Verwahrers geben zu müssen, wie es in der EU unter dem Stichwort „Travel Rule“ derzeit diskutiert wird.

Das führt nur dazu, dass ein neues Eldorado für Hacker geschaffen wird, die nicht nur die Bitcoins der Anleger stehlen können, sondern auch persönliche Daten und Zusammenhänge aus den neu entstehenden Datenpools entwenden und missbrauchen.

Bitcoin muss deshalb wie Bargeld behandelt werden, mit entsprechenden Freigrenzen, die einerseits die Freiheit des einzelnen nicht diktatorisch einschränken und einem Orwellschen Überwachungsinstrument gleichkommen, gleichzeitig jedoch im Interesse der Sicherheit aller der Geldwäscheprävention dienen. Die diskutierte Vorlage, die Transaktionspartner ab dem ersten Cent vollständig zu identifizieren ist realitätsfern und äußerst gefährlich.

Durch eine solche direkte oder indirekte Vorschrift werden Innovationen erstickt und Anleger, Investoren, Innovatoren und Unternehmer potenziell ins Ausland abgedrängt, wo für die Bitcoin-Industrie wesentlich liberalere Bedingungen herrschen. Außerdem wird jeder unter Generalverdacht gestellt und ein Überwachungsmechanismus installiert, der nicht kontrollierbar ist. Die Freiheit und Sicherheit der Bürger und Bürgerinnen der Europäischen Union wird leichtfertig aufs Spiel gesetzt.

Ökologisches Mining fördern

Wir sind überzeugt davon, dass echten, dezentralen, mit ausreichend hoher Mining-Schwierigkeit versehenen Blockchains die Zukunft gehört.

Die ausreichende Mining-Schwierigkeit kann nach heutiger Kenntnis leider nur durch das sogenannte Proof-of-Work-Verfahren gewährleistet werden. Um Frieden und Freiheit für jeden zu garantieren, sollte dieses Verfahren unterstützt werden, zum Beispiel, indem grünes Mining gefördert wird. Dies ist auch in ökologischer Hinsicht sinnvoll, da grünes Mining auch zur Stabilisierung der Stromnetze beitragen kann, wenn es entsprechend eingesetzt wird. Die Konzepte liegen vor und heute schon werden weit über 50% der Mininganlagen mit grünem Strom betrieben. 

Unglücklicherweise dienen die vorgenannten Fakten nicht als Grundlage der derzeitigen Debatten. Eine kluge und zukunftsweisende Regulierung kann jedoch nur auf Basis von nachvollziehbaren wissenschaftlichen Fakten beschlossen werden.

Wir fordern deshalb, dass sich alle Beteiligten an den Entscheidungsprozessen betreffend Bitcoin, Krypto und Blockchain mit ausreichenden qualitativ hochwertigen Informationen versorgen, bevor Entscheidungen getroffen werden, die den Bürgern und Bürgerinnen der Europäischen Union zum Nachteil gereichen und Frieden und Freiheit bedrohen.

Vielen Dank.

Roman Reher und Joe Martin