Auf 177 Seiten haben die drei Parteien SPD, FDP und Bündnis 90/die Grünen im neuen Koalitionsvertrag ihre Ziele für die kommende Regierungsperiode formuliert. Wer allerdings gehofft hat, dass zum Themenbereich Bitcoin und Kryptowährungen konkrete Aussagen getroffen werden, etwa zur steuerrechtlichen Behandlung, Regulatorik oder ähnlichem, der wird beim Lesen des Koalitionsvertrages enttäuscht werden. Zwar versuchen die Ampel-Parteien durchaus in gewisser Weise eine Art "digitale Aufbruchsstimmung" zu vermitteln, doch obwohl bereits der Titel "mehr Fortschritt wagen" darauf hindeutet, dass fortschrittliche Technologien wie z.B. der Bitcoin und Krypto-Assets ein wichtiges Thema im Vertrag sein könnten, bleiben die Aussagen diesbezüglich oft weich, schwammig und unkonkret und lassen so viel Interpretationsspielraum. Das Wort "Bitcoin" sucht man komplett vergebens im Dokument.

Chancen nutzen, Risiken identifizieren

"Für FinTechs, InsurTechs, Plattformen, NeoBroker und alle weiteren Ideengeber soll Deutschland einer der führenden Standorte innerhalb Europas werden. Es gilt, die mit den neuen Technologien, wie z. B. Blockchain, verbundenen Chancen zu nutzen, Risiken zu identifizieren und einen angemessenen
regulatorischen Rahmen schaffen."

Im Koalitionsvertrag wird bemerkenswert oft von Chancen, die es zu nutzen gilt, gesprochen. So auch im Zusammenhang mit digitalen Finanzdienstleistungen und Währungen. Diesbezüglich sollen die mit der Blockchaintechnologie verbundenen Chancen ebenfalls genutzt und damit einhergehend die Risiken identifiziert werden. Darauf aufbauend soll anschließend ein "angemessener regulatorischer Rahmen" geschaffen werden.

Grundsätzlich klingt es ja in der Tat nicht schlecht, denn rückblickend wurden von der Politik in Bezug auf Blockchain- und Krypto-Assets bisher hauptsächlich die Risiken angesprochen und die Chancen komplett ignoriert. Nichtsdestotrotz, lässt sich in diesen Absatz sowohl in die Pro als auch die Contra-Richtung viel hineininterpretieren. Traut man der neuen Bundesregierung wirklich zu, die Chancen korrekt und vollständig zu identifizieren? Wie wird ein "angemessener regulatorischer Rahmen" aussehen? Angemessen in Bezug auf was?

Um Johann Wolfgang von Goethe zu zitieren: „Die Botschaft hör' ich wohl, allein mir fehlt der Glaube“. Der Glaube daran, dass die Koalitionsparteien tatsächlich in der Lage sein werden, den Rechtsrahmen so zu schaffen, dass Unternehmen hierzulande effektiv und international wettbewerbsfähig im Bereich Bitcoin, Blockchain und Krypto-Assets agieren können. Aber natürlich lassen wir uns alle gerne eines Besseren belehren. Einige weitere Passagen des Vertrages mindern jedoch stark die Erwartungen. Bei Buzzwords wie z.B. "Grundbuch auf der Blockchain" rollen sich eingefleischten Bitcoin-Enthusiasten schließlich die Fußnägel hoch.

Geldwäsche, Travel Rule und Aufsicht

"Wir brauchen eine neue Dynamik gegenüber den Chancen und Risiken aus neuen Finanzinnovationen, Kryptoassets und Geschäftsmodellen. [...] Wir brauchen für den Kryptobereich eine gemeinsame europäische Aufsicht. Wir verpflichten Kryptoassetdienstleister zur konsequenten Identifikation der wirtschaftlich Berechtigten."

Eine konsequente Identifikation der wirtschaftlich Berechtigten bei Kryptoassetdienstleistern, ist grundsätzlich eine gute Idee, die wahrscheinlich einigen Betrugsmaschen entgegenwirken kann. Es wäre jedoch schön gewesen, wenn Phrasen wie "eine neue Dynamik" etwas genauer definiert und konkreter erläutert worden wären.

Auch der Punkt "gemeinsame europäische Aufsicht" ruft tatsächlich eher Skepsis als Aufbruchstimmung aus. Denn laut Koalitionsvertrag soll diese EU-Aufsichtsbehörde den Missbrauch von Kryptowerten für Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung verhindern - und dies unter anderem durch die Umsetzung von Empfehlungen der Financial Aktion Task Force (FATF). Die Financial Action Task Force ist eine internationale Organisation, die Empfehlungen an ihre Mitgliedstaaten zur effektiven Geldwäsche- und Terrorismuspräventionsregulierung herausgibt.

Laut einer aktuellen als "Travel Rule" bezeichneten Empfehlung der FATF, gilt es für die Mitgliedsstaaten sicherzustellen, dass Dienstleister mit Bezug zu virtuellen Währungen bei der Durchführung von Transaktionen Informationen über den Sender und den Empfänger erfassen. Diese sollen anderen an der Transaktion beteiligten Dienstleistern sowie auf Verlangen auch an Behörden weitergeben werden. Diese Travel Rule soll nun auch im Rahmen einer "Kryptowertetransferverordnung" in deutsches Recht integriert werden.

Dies würde allerdings einen regulatorischen Rattenschwanz nach sich ziehen, der für viele Dienstleister kaum zu bewältigen wäre und Deutschland als Innovationsstandort unattraktiv erscheinen ließe.

Digitaler E-€uro

"Den Prozess zur Einführung eines digitalen Euro als Ergänzung zum Bargeld, der als gesetzliches Zahlungsmittel in Europa für alle zugänglich und allgemein einsetzbar ist, wollen wir konstruktiv begleiten. Europa braucht zudem eine eigenständige Zahlungsverkehrsinfrastruktur und offene Schnittstellen für einen barrierefreien Zugang zu digitalen Finanzdienstleistungen für alle
Verbraucherinnen und Verbraucher sowie Händler."

Lobenswert ist hierbei zu erwähnen, dass der digitale Euro nur ergänzend zum Bargeld eingeführt werden soll und nicht etwa ersetzend (wobei das höchstwahrscheinlich nur eine Frage der Zeit sein wird). Wie das Endprodukt "E-€uro" dann schlussendlich aussehen wird (z.B. hinsichtlich Privatsphäre etc.) bleibt ja ohnehin noch immer abzuwarten. Die Schaffung von offenen Schnittstellen und barrierefreiem Zugang zu digitalen Finanzdienstleistungen ist auf jeden Fall sehr erstrebenswert.

Fazit

Dass verhältnismäßig wenig (konkrete) Aussagen zu Bitcoin und Co. im Koalitionsvertrag zu finden sind, muss erstmal nichts Schlechtes bedeuten. Tatsächlich hätte es deutlich schlimmer kommen können, als es jetzt auf den ersten Blick erscheint. Man sollte jedoch bedenken, dass es bei einem derartigen Dokument lediglich darum geht Kompromisse in den einzelnen Zielsetzungen der Koalitionsparteien abzustecken und zu formulieren. Für den Einsatz in der Realität werden konkrete Gesetze und Richtlinien geschaffen werden, die sowohl vom Bundestag, aber teilweise auch von anderen EU-Mitgliedstaaten mit getragen werden müssen. Deswegen sollten jetzt keine voreiligen Schlüsse gezogen werden. "Abwarten und Tee trinken" heißt die Devise.