In den letzten Wochen erlebte das Lightning Netzwerk einen massiven Aufschwung. Sowohl die Anzahl der Nodes als auch die Liquidität des Netzwerkes stiegen stark an. Die Gründe dafür sind sehr vielschichtig. In diesem Beitrag sehen wir uns das und wie die Zukunft von Lightning einmal aussehen könnte etwas genauer an.

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Die Zahlen

Die Anonymität des Lightning Netzwerks ist zwar ein Vorteil für die User, aber zugleich ein Nachteil für die Analyse des Netzwerkes. Lightning Explorer wie 1ML.com erheben für ihre Daten der Kapazität des Netzwerkes nur die öffentlichen Zahlungskanäle. Einige Nodes wollen aber nicht, dass ihre Kanäle öffentlich sind und entscheiden sich deshalb private Kanäle zu betreiben, die dann über das TOR-Netzwerk laufen.

Eine Untersuchung von BitMEX im letzten Jahr hat ergeben, dass 27.8% der Kanäle privat sind und diese Kanäle eine Netzwerkkapazität von 12% besitzen. Inwieweit sich diese Zahlen in den letzten Wochen und Monaten verändert haben, ist nicht weiter bekannt. Will man aber die Netzwerkkapazität des Lightning Netzwerkes berechnen, muss von einer höheren Basis ausgegangen werden, als übliche Lightning Explorer sie angeben.

Die Anzahl der gesamten (öffentlichen) Nodes beträgt inzwischen 25.700. Die aktiven Nodes haben die Marke von 15.000 geknackt. Hier fällt vor allem das starke Wachstum auf. Während es vor einem Jahr noch 7500 aktive Nodes waren, hat sich die Anzahl nun über ein Jahr gesehen ziemlich genau verdoppelt.

Als eine aktive Node bezeichnet man eine Node, die zumindest zu einer weiteren Node eine aktive Zahlungsverbindung (Kanal) besitzt.

Anzahl der aktiven Nodes. Quelle: Bitcoin Visuals

Mit der steigenden Anzahl der Nodes steigen auch die Kanäle im Netzwerk. Da eine aktive Node einen Kanal zu einer anderen Node offen hat, steigen die Anzahl der aktiven Nodes und die der Kanäle fast Hand in Hand. Vor einem Jahr gab es noch ca. 38.000 Kanäle im Netzwerk, inzwischen sind es ca. 68.000. Ein Wachstum von knapp 80%.

Anzahl der Kanäle. Quelle: Bitcoin Visuals

Ein häufiger Kritikpunkt am Lightning Netzwerk ist bzw. war die Liquidität. Um Zahlungen senden und empfangen zu können, wird auf beiden Seiten eines Lightningkanals Liquidität benötigt. Mit dem Anstieg der Kapazität in den letzten Wochen und Monaten wird dieses Problem auch geringer. Wenn erstmal genügend Bitcoin im Netzwerk sind, ist auch das Problem der fehlenden Liquidität leichter zu lösen. Die Gesamtkapazität liegt aktuell bei rund 2365 Bitcoin. Die Wachstumsrate der Kapazität ist ebenfalls sehr beeindruckend. Im April lag sie noch bei ca. 5%, im Mai bei 14%, im Juni bei 18% und im Juli bei unglaublichen 27% Wachstum pro Monat. Erst im August kühlte das Wachstum wieder etwas ab, liegt aber dennoch bei rund 16%.

Kapazität des Lightning Netzwerks. Quelle: Bitcoin Visuals

Adoption des Lightning Netzwerks

Um die fortschreitende Adoption des Lightning Netzwerks messen zu können, genügt es jedoch nicht sich auf die Zahlen der Nodes, Kanäle und der Kapazität zu beschränken. Viel wichtiger ist das Transaktionsvolumen im Lightning Netzwerk. Schließlich ist das Lightning Netzwerk ein Zahlungsnetzwerk. Die Anonymität des Lightning Netzwerks macht es allerdings auch hier schwierig genaue Zahlen zu ermitteln. Applikationen, die auf dem Lightning Netzwerk laufen, können jedoch eine ungefähre Einschätzung geben.

LN Marktes ist eine Trading Plattform für Derivate. Seit seiner Einführung im März 2020 betrug das abgewickelte Volumen 200 Millionen US-Dollar mit einer stark steigenden Tendenz. Die größte australische „Bitcoin-Only“ Handelsseite Bitaroo gab an, dass sie seit ihrer Lightning Implementation vor neun Monaten 54 Millionen US-Dollar an Zahlungsvolumen abgewickelt haben. Wenn einzelne Applikationen wie LN-Marktes oder Bitaroo Zahlungsvolumen von 50 bis 200 Millionen US-Dollar erreichen, kann angenommen werden, dass das gesamte Volumen im Netzwerk in Milliarden gemessen werden kann.

Ein weiteres Indiz ist das Volumen der Routing Nodes im Netzwerk. Alex Bosworth, Leiter der Lightninginfrastruktur bei Lightning Labs gab auf Twitter an, dass er mit seinen Routing Nodes ungefähr 4500 US-Dollar im Monat einnimmt. Seine zwei Nodes haben eine Kapazität von 55 Bitcoin mit einer Routinggebühr von 0,25%. Um mit dieser Gebühr 4500 US-Dollar einzunehmen, muss er jeden Monat Transaktionen im Volumen von 1.8 Millionen US-Dollar weiterleiten. Natürlich ist es schwierig von einzelnen Nodes auf das gesamte Netzwerk zu schließen, trotzdem sind diese Zahlen beeindruckend.

Ein logischer Ansatz wäre die Marktkapitalisierung von Bitcoin auf das abgewickelte Transaktionsvolumen des Basislayer hochzurechnen und dieses Verhältnis dann ebenfalls auf das Lightning Netzwerk anzuwenden. Die Marktkapitalisierung von Bitcoin beträgt aktuell ca. 900 Milliarden US-Dollar. Bitcoin wickelt jährlich Transaktionen im Wert von vier Billionen US-Dollar ab. Das ist ein bisschen mehr als das Vierfache seiner Marktkapitalisierung. Die Kapazität des Lightning Netzwerkes beträgt 116 Millionen US-Dollar. Mit demselben Richtwert von vier erreicht das Lightning Netzwerk ein jährliches Transaktionsvolumen von 464 Millionen US-Dollar. Genau wie oben ist es auch hier schwierig mit den Daten auf das gesamte Transaktionsvolumen des Netzwerkes zu extrapolieren.

Gründe für das Wachstum

Ein Grund ist sicher das Bitcoingesetz in El Salvador, das in wenigen Tagen in Kraft tritt. Die Vorbereitung laufen auf Hochtouren und Präsident Bukele will jedem Bürger den Einstieg so einfach wie möglich gestalten. Die Bitcoin App Chivo der Regierung wird voraussichtlich ebenfalls Lightning benutzen, analog zu verbreiteten Lightning Apps wie Strike oder Bitcoin Beach. In den nächsten Wochen werden immer mehr Salvadorianer dem Lightning Netzwerk beitreten. Genau wie auch viele weitere Menschen weltweit.

In den letzten zwölf Monaten hat sich viel getan im Bitcoin-Kosmos. Bitcoin ist in den traditionellen Finanzmärkten angekommen. Wenn das mediale Interesse an Bitcoin steigt und der Hype zurückkehrt, steigen auch die Transaktionskosten im Bitcoin Netzwerk. Die Leute sehen sich nach neuen Möglichkeiten um, um BTC günstig und schnell transferieren zu können. Ähnlich wie das SegWit-Update eine stagnierende Adoption über den Bärenmarkt hatte, hatte es auch das Lightning Netzwerk. Erst als die Transaktionskosten gestiegen sind, nahm auch die Nachfrage nach billigen Transaktionen zu und die viele wichen auf das Lightning Netzwerk aus.

Auch einige Big Player könnten künftig zu weiterem Wachstum beitragen. Jack Dorsey, CEO von Square und Twitter, gab bekannt, dass es nur noch eine Frage der Zeit sei, bis Twitter eine Lightning Funktion integriert. Twitter hat 290 Millionen Nutzer weltweit. Jedem Nutzer die Möglichkeit zu geben seine eigene Lightning Wallet mit seinem Twitter Account verbinden zu können, würde die Lightning Adoption massiv steigen lassen.

Der Netzwerkeffekt des Lightning Netzwerks

Wie jede neue technologische Erfindung unterliegt das Lightning Netzwerk dem Netzwerkeffekt. Unter dem Netzwerkeffekt versteht man, dass mit jedem zusätzlichen Nutzer der Wert eines Netzwerks steigt. Wenn mehr Personen also diese Produkte nutzen, wird das Benutzererlebnis für die restlichen Nutzer automatisch besser. Diese Skaleneffekte bewirken, dass Google der Marktführer für Onlinesuchen ist, Amazon für den Onlineversandhandel und WhatsApp beim Versand von Textnachrichten.

Geld unterliegt einem natürlichen Netzwerkeffekt. Der Grund wieso wir Geld nutzen besteht darin die komplexen Tauschgeschäfte durch ein universelles Tauschmittel zu vereinfachen. Man müsse sich nur vorstellen wie kompliziert die Welt wäre, wenn man für jedes Gut, das man kaufen möchte, einen passenden Verkäufer finden möchte, der im Gegenzug etwas kaufen möchte, das ich ihm anbieten kann. Eine komplexe Wirtschaftsordnung wäre damit nicht möglich.

Die Lösung besteht darin sich auf ein Gut zu einigen, das als Geld bzw. Tauschmittel dient. Geld braucht keine Technologie, um einen Netzwerkeffekt zu generieren. Bitcoin hat einen doppelten Netzwerkeffekt. Bitcoin kann als ein monetäres Netzwerk gesehen werden, das Wert speichert. Um diesen Wert zu behalten, muss es abgesichert werden. Dafür sind die Miner zuständig. Sie sind letztendlich nur Dienstleister, die dafür sorgen, dass wir auch in Zukunft unsere in Geld eingetauschte Lebenszeit im Netzwerk speichern können. Je größer das Netzwerk ist, desto mehr monetäre Energie wird gespeichert und desto sicherer wird es für jeden einzelnen Nutzer. Ein positiver Netzwerkeffekt tritt ein.

Das Lightning Netzwerk hat nun aber fast einen dreifachen Netzwerkeffekt. Den ersten Netzwerkeffekt, weil es als ein Zahlungsnetzwerk benutzt wird, den zweiten, weil es auf Bitcoin basiert und der dritte durch die Struktur des Netzwerkes. Wenn es nur zwei Knotenpunkte im Netzwerk gibt, kann es nur einen Kanal geben. Bei drei Nodes sind es drei, bei vier schon sechs, bei fünf sind es zehn und bei sechs schon 15 mögliche Kanäle. Das Wachstum steigt immer stärker an. Lyn Alden erklärte dies in einem Interview. Ihrer Meinung nach ist das Lightning Netzwerk nicht mehr aufzuhalten, wenn es einen kritischen Punkt überschritten hat. Natürlich ist im Lightning Netzwerk nicht jede Node mit allen anderen verbunden. Das Beispiel soll lediglich zeigen wie explosiv das Netzwerk wachsen kann, wenn neue Nutzer hinzukommen.

Fazit

Die Eigenschaften des Lightning Netzwerks, die Anonymität und garantierte Privatsphäre, machen es schwierig genaue Analysen aufzustellen. Aber alle öffentlichen Daten, weisen stark darauf hin, dass auch in Zukunft das Wachstum weiter steigen wird, denn aufgrund des Netzwerkeffekts erscheint es sehr wahrscheinlich, dass das Wachstum zumindest nicht abnehmen wird. Mit jedem neuen Nutzer wird das Lightning Netzwerk besser. Dutzende von Unternehmen arbeiten schon seit Jahren am Lightning Netzwerk. Es sieht aktuell zumindest stark danach aus, dass sich diese Arbeit endlich auszahlt. Das Lightning Netzwerk ist langsam angekommen.