Der Aufstieg von FTX in den vergangenen Jahren war beispiellos. Die Plattform wuchs neben Coinbase und Binance zu einer der weltweit größten Handelsplattformen und konnte im Jahr 2021 unter CEO Sam Bankman-Fried (SBF) einen Gewinn von über einer Milliarde US-Dollar erwirtschaften. Neben FTX leitete SBF bis Oktober letzten Jahres mit Alameda Research auch einen Krypto-Hedgefonds, welcher im Zuge des DeFi-Winters dieses Jahres und den Rettungsaktionen viel Aufmerksamkeit bekam. Nun stehen die Unternehmen von SBF aber zum ersten Mal unter Druck und die Gerüchte über eine mögliche Insolvenz von FTX nahmen in den letzten Tagen zu.

Hintergrund

Auslöser war ein Bericht der Krypto-Newsseite Coindesk, in dem ein Teil der Bilanz von Alameda Research veröffentlicht wurde. Denn obwohl FTX und Alameda Research auf dem Papier unabhängige Unternehmen sind, warf das Dokument Fragen über die tatsächliche Unabhängigkeit der Firmen auf.

Gemäß den Informationen von Coindesk besteht die Bilanz von Alameda Research aus:

  • Vermögenswerten im Wert von 14,6 Milliarden US-Dollar. Diese Summe setzt sich zusammen aus dem FTX-Token (FTT) im Wert von 5,8 Milliarden US-Dollar, Solana Token im Wert von 1,2 Milliarden US-Dollar, 3,37 Milliarden US-Dollar an nicht identifizierten „Krypto-Beständen“ und 2 Milliarden US-Dollar an Wertpapieren. Dagegen besaß das Unternehmen lediglich 134 Millionen US-Dollar an Bareinlagen.
  • Verbindlichkeiten, welche sich auf 8 Milliarden US-Dollar belaufen, von denen 7,4 Milliarden US-Dollar FTT-Darlehen sind. Weitere Informationen zu den Verbindlichkeiten wurden in dem Coindesk Artikel nicht genannt.

Die veröffentlichte Bilanz zeigte zunächst die Abhängigkeit zwischen FTX und Alameda Research auf. Der FTT-Token, welcher von der FTX-Handelsbörse ausgegeben wird, macht in der Bilanz von Alameda etwa 1/3 des Gesamtvermögens aus und entspricht 88 % des Nettoeigenkapitals des Unternehmens. Mit anderen Worten: Der Großteil der Vermögenswerte der Firma, welche von SBF gegründet wurde, beruht auf einem Krypto-Token, welcher von einem Unternehmen unter der Leitung von SBF ausgegeben wurde.

Die Illiquidität des FTX-Tokens

Neben der Abhängigkeit zu SBF besitzt die Bilanz von Alameda Research aber noch weitere Probleme wie die Liquidität des FTT-Tokens.

Die gesamte Marktkapitalisierung von FTT beträgt 3 Milliarden US-Dollar. Alameda Research besitzt zwar auf der Bilanz FTT im Wert von 5,8 Milliarden US-Dollar, allerdings werden gesperrte Tokens ("Locked Coins") lediglich mit 50% des Wertes bilanziert. Diese Zahlen geben aber einen ersten Eindruck von dem Verteilungsproblem von FTT, denn 93 % des gesamten FTT-Angebots werden lediglich von zehn Adressen gehalten.

Die Verteilung von FTT: 93% des FTT Bestandes befindet sich im Besitz von zehn Adressen. Quelle: Substack Dirty Media Bubble

Besorgniserregender ist aber die Tatsache, dass nur eine kleine Anzahl von FTT-Besitzern den Token auch aktiv nutzen und mit diesem handeln. Eine Untersuchung des Blockchain-Analyseunternehmens Messari hat gezeigt, dass lediglich 180 bis 200 Adressen den Token aktiv handeln. Es gab lediglich einen Ausreißer am 5. August, als plötzlich 10.000 Adressen aktiv wurden. Dieser Vorfall wurde bis heute noch nicht geklärt.

Vergleicht man diese Zahlen mit Krypto-Projekten mit einer ähnlichen Marktkapitalisierung, erhält man ein besseres Bild zur Illiquidität des Tokens. Chainlink mit einer Marktkapitalisierung von vier Milliarden US-Dollar besitzt zehnmal mehr aktive Wallets als FTT. Das Handelsvolumen von FTT schwankt zwischen 6 und 42 Millionen US-Dollar, während dieses bei Chainlink zwischen 25 und 173 Millionen US-Dollar liegt.

Hinzu kommt, dass die Börse FTX ein aktiver Käufer von FTT ist. Das Unternehmen verwendet 33% der eingenommenen Handelsgebühren, um den eigenen Token zurückzukaufen. Durch den Rückkauf wird das Angebot der FTT verringert und damit der Verkaufsdruck reduziert. Dieser Vorgang ist identisch zu Aktienrückkäufen durch börsennotierte Unternehmen und soll für einen Preisanstieg des FTT-Tokens sorgen.

Lediglich 180 bis 200 Adressen handeln FTT aktiv. Quelle: Substack Dirty Media Bubb

Gefahren für Alameda Research

Der illiquide FTT kann für Alameda Research, welches einen Großteil seiner Vermögenswerte in FTT besitzt, zum Problem werden. In der Krypto-Industrie ist es ein gängiges Vorgehen, Kredite bei anderen Unternehmen mit Kryptowährungen abzusichern. Die beliebteste Kryptowährung dafür ist der Bitcoin, welcher von allen Kryptowährungen die höchste Liquidität besitzt.

Risikoorientierte Unternehmen akzeptieren dagegen auch diverse Altcoins als Sicherheit, welche eine deutlich niedrigere Liquidität besitzen und damit leichter manipulierbar sind. Sollte es zu einem Abverkauf kommen, würde die niedrige Liquidität zu einer höheren Volatilität führen. In so einem Szenario des Preisverfalls, wäre der Schuldner gezwungen entweder mehr Sicherheit nachzulegen oder der Gläubiger wäre berechtigt, einen Teil der Sicherheiten zu liquidieren. Diese Liquidierung der Sicherheit hätte einen weiteren Verkaufsdruck auf den Vermögenswert zur Folge und dadurch auf dessen Preis. Dies kann zu einer Liquidierungskaskade führen. Je geringer die Liquidität des Vermögenswerts, desto stärker kann diese ausfallen.

88% des Nettoeigenkapitals von Alameda Research befinden sich in einem illiquiden Token. Der Coindesk Bericht gibt zwar keinen weiteren Einblick in die Kreditstruktur des Unternehmens, allerdings ist davon auszugehen, dass ein Großteil der Kredite mit FTT besichert sein müssen. Denn schließlich besitzt Alameda ein Großteil seines Kapitals in FTT. Ein Abverkauf von FTT würde aufgrund des illiquiden Markts und der hohen Abhängigkeit zu dem Token den Hedgefonds besonders hart treffen.

Binance veräußert FTT Position

Verlieren die Gläubiger das Vertrauen in die Zahlungsfähigkeit von FTX und Alameda Research, könnten diese ihre FTT-Positionen abstoßen und damit Alameda Research unter Druck setzen. Gestern gab dann der CEO von Binance, Changpeng Zhao (CZ), bekannt FTT Positionen zu liquidieren und sorgte damit für viel Aufsehen in den sozialen Medien. allen voran bei Twitter:

Im Rahmen des Ausstiegs von Binance aus dem FTX-Aktienprogramm im vergangenen Jahr erhielt Binance rund 2,1 Milliarden US-Dollar in Barmitteln (BUSD und FTT). Aufgrund der kürzlich ans Licht gekommenen Enthüllungen haben wir beschlossen, alle verbleibenden FTT in unseren Büchern zu liquidieren. 1/4

CZ, Binance CEO

Der Verkauf von FTT durch Binance könnte ein erstes Zeichen dafür sein, dass die Gläubiger das Vertrauen in FTX und Alameda Research verlieren. Hierbei darf aber auch nicht vergessen werden, dass FTX ein Hauptkonkurrent von Binance ist und das Unternehmen von einer Insolvenz von FTX stark profitieren würde.

FTT-Preis sorgt für Spekulationen

Der Verkauf von Binance sorgte für einen Abverkauf auf dem FTT-Markt. Gestern verzeichnete der Token ein Minus von 7% und wird derzeit bei 22 US-Dollar gehandelt. Als Reaktion auf den Verkauf von Binance bot die CEO von Alameda Research, Caroline Ellison, CZ an, die FTT bei einem Kurs von 22 US-Dollar außerbörslich zu kaufen:

„CZ, wenn Sie die Auswirkungen des Markts auf Ihre FTT-Verkäufe minimieren möchten, kauft Alameda Ihnen heute gerne alles für 22 US-Dollar pro Token ab!

Caroline Ellison, Alameda Research CEO

Der Markt-Analyst von Bitcoin Magazin Dylan LeClair zeigte sich überrascht von dem Angebot durch Ellison, denn Alameda Research könnte die FTT auch auf dem Spot-Markt kaufen. Eine Erklärung nach LeClair wäre, dass Alameda Research aufgrund seiner hinterlegten Sicherheiten den FTT-Preis nicht sinken lassen kann, weil ihre Kredite mit FTT hinterlegt sind. Fällt der Spot-Preis von FTT, könnte Alameda in Schwierigkeiten geraten:

Für diejenigen, denen etwas Kontext fehlt, es scheint so, dass Alameda/FTX Kredite besitzt, die mit FTT besichert sind, von denen sie eine große Mehrheit besitzen.

CZ reagiert, indem er den gesamten Anteil in seinem Besitz entlädt.

Fragen Sie sich, warum Alameda ein Interesse daran hat, den FTT-Preis nicht unter 22 US-Dollar fallen zu lassen? Sie könnten den Preis fallen lassen, um dann mit einem Rabatt kaufen zu können, es sei denn, Sie sind gehebelt investiert …

Dylan LeClair, Bitcoin Magazin

Weiter untersuchte LeClair das Handelsvolumen von FTT und fand dabei heraus, dass unterhalb der 22 US-Dollar Marke das bisherige Handelsvolumen des Tokens verschwindend gering war. Bei einem Abverkauf unter 22 US-Dollar könnte damit der Preis weiter unter Verkaufsdruck geraten. Wie bereits erwähnt, könnte dies gefährlich für Alameda Research werden, wenn ihre Kredite mit FTT besichert sind.

Alameda Research legt Kapital nach

In der Nacht schickte dann Alameda Research USDC im Wert von 56 Millionen US-Dollar an FTX. Innerhalb der letzten 24 Stunden sendete Alameda Research Stablecoins im Wert von insgesamt 257 Millionen US-Dollar an die Handelsbörse. Kurz nach der letzten Transaktion wurde dann ein Abfluss von 417.000 FTT-Tokens von der Handelsseite registriert. Es kann zwar nicht sicher gesagt werden, dass Alameda Research der Käufer der FTT war, die Ereignisse in den letzten 24 Stunden lassen aber vermuten, dass das Unternehmen versucht, den Preis des Tokens zu stabilisieren.

"Alameda Research sendet Stablecoins in Schritten an FTX.

Vor nur 15 Minuten haben sie USDC im Wert von 56 Millionen von Circle erhalten und dann an FTX versendet.

Innerhalb der letzten 24 Stunden haben sie insgesamt 257 Millionen US-Dollar an die Plattform gesendet."

The Data Nerd

Antwort von FTX und Alameda Research

Obwohl Sam Bankman-Fried nicht mehr in einer leitenden Position bei Alameda Research ist, äußerte sich dieser auf Twitter zu den Geschehnissen und erklärte, dass alle Vermögenswerte auf der FTX-Plattform sicher wären. Gleichzeitig lud dieser CZ zu einem Gespräch ein. Caroline Ellison widersprach in einem Tweet dem Coindesk Artikel und erklärte, dass Alameda Research weitere 10 Milliarden US-Dollar an Vermögenswerten besäße, welche nicht auf der Unternehmensbilanz gelistet wären. Weiter erklärte sie, dass Alameda Research einen Großteil der Kredite nach den Ereignissen um Celsius und Terra Luna bereits zurückgezahlt habe. Damit sind sich zumindest SBF und Ellision einig, dass keines der beiden Unternehmen vor einer möglichen Insolvenz steht.