Das Akronym BRICS steht für eine Vereinigung aus Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika. Diese Länder machen gemeinsam fast ein Drittel der weltweiten Wirtschaftsleistung aus, wobei der Großteil auf China entfällt. In dieser Hinsicht haben die fünf Schwellenländer mittlerweile sogar die G7-Staaten (USA, Kanada, Großbritannien, Deutschland, Frankreich, Italien, Japan) überholt und die Tendenz ist steigend.

Quelle: acornmc.co.uk
Quelle: Statista

Anfang Juni wird sich die Vereinigung in Kapstadt treffen, um sich über Erweiterungsmöglichkeiten zu besprechen. Der südafrikanische BRICS-Botschafter Anil Sooklal gab bereits zum Besten, dass einige Länder einen Beitritt angefragt haben.

"Etwa 20 Länder haben sich formell oder informell an die BRICS-Führer gewandt, um Vollmitglieder der BRICS zu werden. Also, die Erweiterung ist etwas, dem wir im Prinzip zugestimmt haben."

- BRICS-Sonderbotschafter Prof. Anil Sooklal

Zu den Ländern, die schon Interesse bekundet haben, gehören mitunter Argentinien, Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Indonesien und vor allem der Iran, der besonders stark von US-Sanktionen betroffen ist.

Ein immer stärker werdender Zusammenschluss von nicht-westlichen Ländern, die mitunter sehr reich an Rohstoffen sind, hätte weitreichende Implikation für die Weltwirtschaft. Nicht zuletzt auch durch die Bestrebungen der Schwellenländer sich unabhängiger von der Weltreservewährung, dem US-Dollar, aufzustellen.

Eigene BRICS-Währung

Dass die BRICS-Staaten mit einer Art gemeinsamen Währung liebäugeln, ist schon länger bekannt. Blocktrainer.de berichtete darüber bereits im Juli letzten Jahres. Der Anlass damals war, dass Russlands Präsident Wladimir Putin auf dem BRICS Business Forum erklärte, dass die BRICS-Staaten an ihrer eigenen Weltreservewährung arbeiten.

"Die Frage der Schaffung einer internationalen Reservewährung auf der Grundlage eines Korbes von Währungen unserer Länder wird derzeit ausgearbeitet."

- Russlands Präsident Putin

In den letzten Wochen und Monaten gab es nun weitere Entwicklungen in dieser Hinsicht, die vermehrt nun auch von westlichen Medienhäusern aufgegriffen wurden:

Russlands Außenminister Sergey Lavrov verkündete Anfang dieses Jahres, dass die BRICS-Staaten auf dem nächsten Gipfeltreffen Ende August über die Einführung der gemeinsamen Währung diskutieren werden.

Alexander Babakov, stellvertretender Vorsitzender der Staatsduma Russlands, meldete sich daraufhin im März dieses Jahres auf dem Russia-India Business Forum zu Wort. Laut India TV sagte er, dass Indien und Russland eine Finanzbeziehung mit einer neuen gemeinsamen Währung eingehen sollten. Weiteren Berichten zufolge soll Babakov gesagt haben, dass die neue Währung für den grenzüberschreitenden Handel der BRICS-Staaten verwendet und dabei keine Rücksicht auf den Euro und US-Dollar genommen werden soll. Auch soll, so Babakov, die neue Währung durch Gold und andere Rohstoffe, wie seltene Erden, abgesichert werden.

Wenig später verlieh noch Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva in einer Rede vor der New Development Bank, der BRICS-Bank, seinen Unmut gegenüber der Weltreservewährung Ausdruck und erntete dafür Beifall.

"Jede Nacht frage ich mich, warum alle Länder ihren Handel auf dem Dollar basieren müssen. Warum können wir nicht auf der Grundlage unserer eigenen Währungen Handel treiben? Warum sind wir nicht innovativ? Wer hat nach dem Wegfall des Goldstandards entschieden, dass der Dollar die Währung ist?"

- Brasiliens Präsident Lula

Abkehr vom US-Dollar

Auch wenn sich die Abneigung gegenüber dem US-Dollar überwiegend bei den Schwellenländern wiederfindet, gibt es mittlerweile auch ähnliche Stimmen aus dem Westen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron kritisierte im Rahmen seines Peking-Aufenthaltes vor wenigen Wochen die Macht des US-Dollars. Macron betonte, dass Europa sich unabhängiger vom US-Dollar aufstellen sollte.

In den letzten Wochen häuften sich schließlich die Schlagzeilen, dass immer mehr Länder lieber andere Währungen als den US-Dollar für den Handel nutzen:

  • Saudi-Arabien zieht in Betracht, Öl an China gegen Yuan anstatt Dollar zu verkaufen (März 2023)
  • Brasilien und China einigen sich darauf, in ihren eigenen Währungen Handel zu betreiben (März 2023)
  • Der Yuan hat den Dollar als meistgehandelte Währung in Russland abgelöst (April 2023)
  • Pakistan lässt den Euro und den Dollar fallen, um mit China im Yuan zu handeln (April 2023)
  • Argentinien will für Importe aus China lieber im Yuan als im Dollar zahlen (April 2023)
  • Indonesien handelt mit anderen Ländern lieber in den lokalen Währungen als mit dem Dollar (April 2023)
  • Russland handelt mit dem Ausland zunehmend in der Türkischen Lira, dem Yuan und dem Russischen Rubel und weniger in Euro und Dollar (April 2023)
  • Der Yuan überholt den Dollar und wird zur meistgenutzten Währung bei grenzüberschreitenden Transaktionen mit China (April 2023)

Laut Daten von SWIFT ist der Anteil an den globalen Währungstransaktionen mit Yuan in der jüngsten Vergangenheit deutlich gestiegen. Im Februar 2022 waren es noch weniger als 2 % - im März 2023 schon 4,5 %. Knapp 84 % entfallen aber immer noch auf den US-Dollar.

Geld als Waffe

Nach den im Rahmen des Ukraine-Kriegs verhängten Sanktionen des Westens gegen Russland scheint vielerorts ein Umdenken stattgefunden zu haben.

Russische Banken wurden vom Westen kontrolliertem Zahlungssystem SWIFT, mit über 11.000 teilnehmenden Banken aus rund 200 Ländern, ausgeschlossen. Das chinesische Pendant CIPS, mit etwa 1.300 teilnehmenden Banken aus über 100 Ländern, war als Alternative zur Stelle. Das CIPS-System ist dafür da, die Internationalisierung des Yuan voranzutreiben und in der letzten Zeit erfreute es sich immer größer Beliebtheit.

Aufgrund des Krieges musste auch die vermeintlich sicherste Anlage der Welt, US-Staatsanleihen, aufseiten Russlands als wertlos ausgebucht werden. Das hat vielen Ländern respektive Zentralbanken noch einmal ins Gedächtnis gerufen, dass ihre Reserven mit Kontrahentenrisiko ihnen nur bedingt auch gehören.

Matthew Ferranti aus der Abteilung für Wirtschaftswissenschaften der Elite-Universität Harvard stellte daraufhin in einem Paper heraus, dass es in einem Umfeld von weiter drohenden Sanktionen sinnvoll für Zentralbanken von Schwellenländern sei, Gold, aber auch Bitcoin zu kaufen. Vor dem Ukraine-Krieg hatte Russland (mutmaßlich aus Antizipation) bereits vermehrt US-Staatsanleihen abgestoßen und Gold gekauft:

Russland: Bestände an Gold (rot) - Bestände an US-Staatsanleihen (blau) - Quelle: Schiffgold

In China ist derzeit etwas Ähnliches beobachtbar. China hat einen großen Handelsüberschuss gegenüber den USA. Früher haben sie mit dem daraus resultierenden US-Dollar-Überschuss viele US-Staatsanleihen gekauft. Die US-Staatsanleihen stoßen sie in den letzten Jahren jedoch immer schneller ab und kaufen anstelle dessen Gold - es bleibt zu hoffen, dass dies kein Vorbote für eine kriegerische Auseinandersetzung mit Taiwan ist.

China: Kaufvolumen von Gold (gold) -Verkaufsvolumen von US-Staatsanleihen (blau) seit 2018 - Quelle: kitco.com

China vergibt mit den überschüssigen US-Dollar auch Kredite an andere Länder. Das macht aller Anschein nach nur einen kleinen Anteil der Kreditvergabe durch China aus. Stand 2021 wurden nämlich mehr als 90 % der Notkredite an andere Länder durch China in der eigenen Währung, dem Yuan, gegeben.

Haben Entitäten Schulden in einer bestimmten Währung, so müssen die ebendiese künftig nachfragen, um ihre Schulden zurückzahlen zu können. Entsprechend ist es förderlich für die Stärke und die Akzeptanz einer Währung, wenn weltweit Schulden in dieser denominiert sind.

Durch eine weltweite Kreditvergabe haben die Weltbank und der Internationale Währungsfonds den US-Dollar gestärkt. Mit der New Development Bank (ehemals BRICS Development Bank) haben die BRICS-Staaten im Jahr 2014 ihre Alternative ins Leben gerufen. Die Bank hat es sich zur Aufgabe gemacht, ebenfalls ein globaler Kreditgeber zu werden. Die Kredite werden in der Regel in den Währungen der Mitgliedsstaaten gegeben. Mittlerweile hat die Bank auch Mitglieder über die BRICS-Staaten hinaus.

Ablösung der Weltreservewährung?

Zum einen beobachten wir, dass einige Schwellenländer weniger Handel in US-Dollar betreiben wollen. Zum anderen stoßen Schwellenländer zum Teil ihre US-Dollar-Reserven in Form von US-Staatsanleihen ab, um mitunter Gold zu kaufen. Das Bild ist aber bei Weitem nicht einheitlich. BRICS-Mitglied Indien pflegt beispielsweise noch gute Beziehungen zum Westen und trat in den letzten Jahren eher als Käufer von US-Staatsanleihen auf.

Trotz der jüngsten Entwicklungen ist der US-Dollar immer noch die mit Abstand führende Reservewährung von Zentralbanken. Stand Q4 2022 lag der Anteil des US-Dollars bei 58,36 %, des Euros bei 20,47 und des Yuans lediglich bei 2,69 %. Dennoch, der Trend beim US-Dollar ist eindeutig fallend. In guten 20 Jahren ist der US-Dollars-Anteil von über 70 auf unter 60 % gesunken:

Währungsreserven in Q4 2022 - Quelle: IMF Data
Entwicklung der Währungsreserven von 1999 bis 2021 - Quelle: IMF Blog

Es ist gut vorstellbar, dass sich der absteigende Trend beim US-Dollar in den nächsten Jahren noch weiter verschärft. Noch ist der Yuan in dieser Hinsicht ein recht unbedeutender Konkurrent. Mit einer BRICS-Währung könnte sich die Konkurrenzsituation für den US-Dollar jedoch verschärfen.

Bei der BRICS-Währung würde das Vertrauen in diese nicht nur an einem Staat hängen. Zudem wurde angekündigt, dass die Währung mit einer Art Korb aus Rohstoffen gedeckt werde, was ebenfalls das Vertrauen in diese stärken könnte. Es bleibt abzuwarten, ob die Währung dann lediglich für den grenzüberschreitenden Handel der Länder genutzt werden würde und die jeweiligen lokalen Währungen erhalten bleiben.

Sollte aber die BRICS-Währung auch die jeweiligen Schwellenländerwährungen ablösen, so könnten Staatsanleihen der BRICS-Staaten oder Schuldverschreibungen in der Währung allgemein ein attraktives Finanzinstrument werden. Im Endeffekt wäre das eine Option, in mit Rohstoffen gedeckte Wertpapiere zu investieren, die Zinsen abwerfen. Das könnte Investoren, aber auch Staaten und Zentralbanken weltweit dazu verleiten, die Wertpapiere zu kaufen und infolgedessen die Akzeptanz der Währung stärken.

Warum nicht Bitcoin?

An dieser Stelle drängt sich die Frage auf, warum die Schwellenländer eine eigene Währung für den grenzüberschreitenden Handel einführen wollen, wenn sie auch einfach auf Bitcoin zurückgreifen könnten. Dass das funktioniert, hat der Iran gezeigt, der Importe aus Venezuela und der Türkei in Bitcoin bezahlt hat. Bitcoin ist Geld für Feinde: Man muss niemandem vertrauen und niemand kann aus dem Zahlungssystem ausgeschlossen werden.

Naheliegen ist, dass Bitcoin derweil keine Option ist, weil die BRICS-Staaten nicht die gesamte Kontrolle über die Währung, mit der sie handeln, verlieren wollen. Außerdem liegt den BRICS-Staaten, insbesondere China, viel daran, die eigene Währung zu internationalisieren. Kontrolliert man eine Währung, die weltweit akzeptiert wird, so kann das ungemein von Vorteil sein. Die USA profitierten etwa immens davon, dass Öl weltweit in US-Dollar gepreist wurde, also in einer Währung, die sie selbst drucken konnten.

Insbesondere Russland, Indien und China haben sich deutlich gegen die Nutzung von Bitcoin und Co. innerhalb der jeweiligen Landesgrenzen ausgesprochen respektive diese verboten. Laut einem lokalen Bericht wird nun aber in Russland experimentiert, Kryptowährungen für den grenzüberschreitenden Handel von Unternehmen mit staatlicher Beteiligung einzusetzen. Es soll auch nicht ausgeschlossen werden, dass dies in einer späteren Phase für private Unternehmen möglich sein wird. Im gleichen Atemzug wird aber weiterhin bestärkt, dass dennoch an den Verboten für die Nutzung im Inland festgehalten wird.

"Wir vertreten die gleiche Position, dass Kryptowährungen [...] nicht im Inland verwendet werden sollten, und für externe Abrechnungen gehen wir davon aus, dass es als Experiment möglich ist, dieser Gesetzentwurf wird auch als experimentelle rechtliche Regelung vorbereitet."

- Elvira Nabiullina, Gouverneurin der russischen Zentralbank

Sollten die Länder Handel in Bitcoin im großen Stil betreiben, obwohl sie es der eigenen Bevölkerung untersagen, dann hätte das unter Umständen eine problematische Signalwirkung. Die Bürger würden sich vermutlich fragen, wieso das Land nicht die eigene tolle (Digital-)Währung nutzt und anstelle dessen auf Bitcoin zurückgreift, der doch so oft schlechtgeredet wurde.

Des Weiteren könnte die noch geringe Liquidität des Bitcoin ein Problem darstellen. Sollte beispielsweise China viele Milliarden US-Dollar an Gegenwert in Bitcoin an ein anderes Land schicken wollen, dann müssten sie die Bitcoin erst einmal einkaufen. Da Bitcoin aber noch ein vergleichsweise kleines Asset ist, könnte ein solcher Kaufdruck den Bitcoin-Preis kurzfristig zu sehr in die Höhe treiben, um eine anständige Wirtschaftsrechnung durchzuführen. Bitcoin müsste so gesehen so groß und liquide werden, dass eine Nachfrage in Höhe von vielen Milliarden US-Dollar in kürzester Zeit kaum Auswirkungen auf den Kurs hätte. Gold wäre in dieser Hinsicht derzeit besser geeignet. Die hohe Liquidität im Gold-Markt lässt aktuell Zentralbanken im großen Stil Gold kaufen, ohne dass es sich unmittelbar im Kurs widerspiegelt. Selbstverständlich ist Gold aber keine Option für grenzüberschreitenden Handel.

Fazit

Alles sieht momentan danach aus, als hätten wir Peak-Dollar hinter uns. Immer mehr Länder versuchen sich vom US-Dollar abzuwenden und andere Währungen sowie nicht durch die USA kontrollierte Zahlungssysteme zu nutzen. An vorderster Front kämpfen die BRICS-Staaten, die mittlerweile auch eine ökonomisch gesehen immer stärkere Vereinigung ausmachen. Entsprechend sollten die Bestrebungen, eine BRICS-Währung einzuführen, durchaus ernst genommen werden.

Nichtsdestotrotz wird eine BRICS-Währung, geschweige denn der Yuan, den US-Dollar in absehbarer Zeit vermutlich nicht als Weltreservewährung ablösen. Wahrscheinlicher ist, dass sich neben dem US-Dollar/Euro-Währungsraum ein weiterer Währungsraum und somit eine multipolare Weltwährungsordnung etablieren wird. Wie die USA auf die sich vermutlich in Zukunft weiter zuspitzende Konkurrenzsituation reagieren wird, bleibt abzuwarten. Eine mögliche Strategie wäre, dem Unmut gegenüber dem US-Dollar damit zu kontern, ein freies Geld zu adoptieren. Somit könnte die USA einen Wechsel der Weltreservewährung selbst anführen und die Vorreiterrolle weiterhin innehaben.

Bitcoin spielt bei der Dollar-BRICS-Thematik noch eine untergeordnete Rolle, obwohl Bitcoin als zensurfreies und nicht kontrollierbares Geld wohl langfristig die beste Alternative darstellen würde. Das Problem ist eben, dass Länder ungern die monetäre Souveränität aus der Hand geben. Das wahrscheinlichste BRICS-Bitcoin-Szenario wäre aktuell vermutlich, dass die potenzielle BRICS-Währung zu einem Teil mit Bitcoin gedeckt wäre. Die hinterlegten Bitcoin könnten verifiziert werden und somit das Vertrauen in die Währung stützen.

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