Erst vor ein paar Tagen hatte die US-Krypto-Börse Coinbase die SEC durch eine Anklage gezwungen, auf die regulatorischen Vorschläge von Coinbase zu antworten. Da eine Reaktion der Behörde ausblieb, richtet sich der Coinbase-Vorstand nun direkt an die SEC, um auf die Wells Notice, die Coinbase von der SEC erhalten hat, zu antworten.

Videobotschaft an die SEC

Neben einem 73-seitigen PDF-Dokument richten sich der CEO von Coinbase Brian Armstrong sowie der CLO (Chief Legal Officer) Paul Grewal persönlich mit einer Videobotschaft direkt an die SEC.

Nach einer kurzen Darlegung der Geschichte von Coinbase und den Problemen des globalen Finanzsystems, beschreibt Armstrong die Schwierigkeiten bei der Gründung einer Krypto-Börse in den USA. Diesen Problemen habe Armstrong sich bewusst gestellt, weil die USA ein großer, entscheidender Markt und ein Finanz- und Technologiezentrum sei, in dem die Rechtsstaatlichkeit geachtet würde und Unternehmen effizient mit regulatorischen Instanzen zusammenarbeiten könnten. Zusammen wurde eine neue Industrie aufgebaut, wobei man darauf abzielte, „trotz des Mangels an klaren Rechtsvorschriften sicher und rücksichtsvoll zu sein“.

„Wir sind bestrebt, im Rahmen der Vorschriften zu arbeiten. Wir wollen eine klare Marktstruktur, was den Handel mit Krypto-Securities betrifft. Nicht alle Krypto-Assets sind Securities. Es gibt auch Krypto-Commodities, Stable-Coins und Krypto-Kunstwerke. Wir wollen mit verschiedenen regulatorischen Instanzen zusammenarbeiten, um diese Industrie sicher und vertrauenswürdig zu gestalten. Die Wells Notice ist zu diesen Zeitpunkt ohne klare Regeln nicht konstruktiv und auch nicht gut für Amerika. Wir sind bereit, diese Position vor Gericht zu verteidigen, aber es muss nicht dazu kommen, da wir einen gangbaren Weg für unsere Industrie auch in einem Dialog regeln können.“

- Brain Amrstrong, CEO von Coinbase 

Das Hin und Her der SEC

Paul Grewal führt fort, dass Coinbase immer versucht habe, mit der SEC zusammenzuarbeiten, indem die Krypto-Börse ihre rechtlichen Standpunkte mit der Behörde geteilt und Auskunft nach den Standpunkten der SEC verlangt habe, die meist unbeantwortet blieb.

Nachdem die SEC das Unternehmen ausführlich untersuchte, hatte die Behörde im April 2021 den Börsengang von Coinbase genehmigt, wobei sich das Geschäftsmodell und dabei insbesondere die rechtliche Einstufung der angebotenen Produkte, wie gelistete Assets, Staking und die Coinbase-Wallet, bis heute nicht geändert habe.

Einen Monat nach dem Börsengang von Coinbase hatte der Vorsitzende der SEC, Gary Gensler, bemerkt, dass die Behörde nicht die rechtlichen Befugnisse hätte, Unternehmen wie Coinbase zu regulieren.

„Die Börsen, die den Handel mit diesen Krypto-Assets anbieten, besitzen weder bei der SEC noch bei unserer Partnerbehörde CFTC einen regulatorischen Rahmen.“

- Gary Gensler, Vorsitzender der SEC

Die SEC wollte zusammen mit dem Kongress derartige Rahmenbedingungen ausarbeiten. Dies bedeutet, dass es weder Gesetze noch Regulierungen gab, welche die SEC autorisiert, Coinbase für Regelverletzungen zu belangen, was jedoch durch die Wells Notice getan wurde. Die SEC hatte den Austausch über regulatorische Standpunkte mit Coinbase eingestellt und der Krypto-Börse eine Wells Notice geschickt, jedoch ohne diese klar zu begründen.

Durch die Wells Notice wurde deutlich, dass die SEC nun eine neue Sichtweise vertritt und eine Regelverletzung von Coinbase bezüglich des Wertpapierhandels in den Raum stellt.

Meinungsänderung nach FTX-Pleite

Grewal glaubt, dass die veränderte Sichtweise mit der Pleite von FTX im Dezember 2022 in Verbindung steht. Gary Gensler war nun der Meinung, dass die SEC genügend Befugnisse hätte.

Das Geschäftsmodell von FTX würde sich jedoch gänzlich von der Vorgehensweise von Coinbase unterscheiden. Ferner besitzt Coinbase bereits eine Lizenz vom New Yorker Amt für Finanzdienstleistungen, wonach Coinbase keine Wertpapiere listen darf.

„Coinbase listet keine Wertpapiere. Es gibt ein robustes Verfahren auf der Grundlage der SEC-Leitlinien. [...] Es würde für ein kurzfristiges Unternehmen besser sein, dabei nicht so konservativ zu sein wie wir, doch so wollen wir nicht sein. […] Aber wir bitten darum, dass diese Regeln nicht mittendrin geändert werden, ohne das die Industrie benachrichtigt wird.“

„Wir wissen, dass Gary Gensler glaubt, dass die meisten digitalen Vermögenswerte Securities sind, doch auch wenn das so wäre, hat Coinbase die meisten dieser Assets nicht gelistet. Wir lehnen mehr als 90 % der Assets ab, die für ein Listing infrage kommen, und es gibt eine Menge mehr, die wir gar nicht in Betracht ziehen. Es wäre besser, wenn die SEC Gesetze vorschlagen oder zumindest auf die Petition von Coinbase für eine Gesetzesinitiative reagieren würde.“

- Paul Grewal, CLO von Coinbase

Tatsächlich wurden noch keine neuen Gesetze vom Kongress verabschiedet oder von der SEC vorgeschlagen. Außerdem haben anderen Behörden teilweise eine andere Meinung als die SEC, wie z.B. die Einstufung einiger Kryptowährungen, Stablecoins und Bitcoin als Rohstoff/Ware durch die CFTC, was unter anderem im Zuge der Anklageschrift gegen Binance deutlich wurde. Ebenso habe das Justizministerium die Anklage eines ehemaligen Coinbase-Mitarbeiters wegen Wertpapierbetrugs abgelehnt.

Bereitschaft von Coinbase zur Einigung

Aufgrund der Unklarheiten, welche Standpunkte die SEC zu bestimmten Produkten und Dienstleistungen vertritt, ist Coinbase fest entschlossen, dies mit der SEC notfalls auch vor Gericht zu klären. Der Vorstand von Coinbase hält Rechtsstreitigkeiten jedoch für unnötig, da dadurch die jetzt schon begrenzten Ressourcen der SEC verschwendet und die Vorgehensweisen der Behörde infrage gestellt würden. Ferner würde es Investoren und die US-Wirtschaft schaden. Armstrong und Grewal betonen hingegen ihre Bereitschaft zum Dialog. Die SEC soll klar benennen, welche Assets als Securities eingestuft werden, sowie eine Registrierung von Securities auf den Weg bringen.

„Wir sind nach wie vor bereit und erpicht darauf, mit der SEC über die Frage zu sprechen, wie Wertpapiergesetze auf unsere Branche angewendet werden können oder sollten. Erst im letzten Sommer hat die SEC Coinbase gebeten, einen Vorschlag für Kryptounternehmen zu entwickeln, die sich bei der SEC registrieren lassen wollen, wenn – und das ist ein wichtiger Punkt – sie Wertpapiere listen wollen. Coinbase listet heute keine Wertpapiere, aber wir würden dies gerne über eine bei der SEC registrierte Plattform tun.“

- Paul Grewal, CLO von Coinbase

Ein derartiger regulatorischer Rahmen brauch jedoch Zeit und die Zustimmung der Regierungsvertreter. Die Anhörung von Gary Gensler vor dem Finanzausschuss hat jedoch gezeigt, dass die Abgeordneten nicht alle einer Meinung sind oder von Lobbyisten beeinflusst wurden. Ob die Börsenaufsichtsbehörde diesmal auf den Klärungsversuch von Coinbase reagiert, bleibt abzuwarten.