Warum sich die Fehlinformationen über Bitcoin so hartnäckig halten
Viele Aussagen über Bitcoin, wie dass Bitcoin nur klimaschädliche Auswirkungen haben würde, beruhen vor allem auf Arbeiten verschiedener Autoren, die ohne verlässliche Daten angebliche Fakten über die größte Kryptowährung verbreiteten. Den Vorteilen, die Bitcoin bietet, schenkten sie anfänglich keine Beachtung.
Dadurch hat sich in der Bevölkerung und in den Medien eine grundlegende Meinung über das Thema gebildet, die nicht der Realität entspricht, wie zahlreiche neuere Studien verdeutlichen. Trotzdem übernehmen Medien und Politiker weiterhin ungeprüft die alten Aussagen, die sich im Diskurs etabliert haben und sogar konkrete staatliche Maßnahmen wie Regulierungen und Verbote mit sich gezogen haben.
Die späteren, qualitativ besseren Forschungsergebnisse können sich momentan nur schwer gegen die widerstandsfähigen Fehlinformationen des einst etablierten Narratives durchsetzen. Dies behindert auch das eigentliche Potenzial, das Bitcoin für Umwelt und Gesellschaft bietet.
Dr. Simon Collins hat dieses Phänomen für das Digital Assets Research Institute (DARI) untersucht und ein Arbeitspapier mit dem Titel „Ausuferndes Zitieren und die Hartnäckigkeit von Fehlinformationen über Bitcoin“ verfasst.
Der Einfluss von Alex de Vries
Um die Verbreitung und den Einfluss von längst widerlegten Beiträgen zu untersuchen, hat sich Collins mit der Anzahl der Zitate aus fragwürdigen Quellen beschäftigt. Dabei sticht ein Autor hervor, der in den vergangenen Jahren die größte Verantwortung für die Verbreitung von Fehlinformationen über Bitcoin trägt: Bitcoin-Gegner und Mitarbeiter der Niederländischen Zentralbank Alex de Vries. De Vries hat auch die Plattform Digiconomist ins Leben gerufen, um angebliche Negativfolgen von digitalen Trends aufzudecken – allen voran Bitcoin.
Arbeiten von Alex de Vries über Bitcoin:
- Bitcoin's Growing Energy Problem (2018)
- Renewable energy will not solve bitcoin's sustainability problem (2019)
- Bitcoin's energy consumption is underestimated: A market dynamics approach (2020)
- Bitcoin boom: What rising prices mean for the network's energy consumption (2021)
- Bitcoin's growing e-waste problem (2021; De Vries, A., Stoll, C.)
- Revisiting Bitcoin's carbon footprint (2022; De Vries, A., Gallersdörfer, U., Klaaßen, L., Stoll, C.)
- Cryptocurrencies on the road to sustainability: Ethereum paving the way for Bitcoin. (2023)
Die einflussreichste Arbeit von de Vries, „Bitcoin's Growing Energy Problem“ aus dem Jahr 2018, wurde zwar bereits von Experten widerlegt, jedoch wird sie bis heute in neuen Veröffentlichungen zitiert. In dieser Arbeit unterschätzt de Vries die Lebensdauer der Mining-Hardware, setzt den Energieverbrauch der Branche zu hoch an und vereinfacht den Mining-Prozess zu sehr, wodurch zahlreiche Ungenauigkeiten entstehen. Dabei bezieht sich de Vries nicht auf bestehende Arbeiten, verzichtet auf eine korrekte Einordnung seiner Methodik und nutzt lediglich Anekdoten, um seine Thesen zu untermauern.
Auch in seinen anderen Arbeiten über Bitcoin finden sich diverse Fehlannahmen in Bezug auf die Energieeffizienz in der Industrie oder die Entwicklung der Mining-Hardware und des -Marktes. Zudem nutzt de Vries die heute mehrfach von Experten widerlegte Metrik „pro Transaktion“, die auch Truby im Jahr 2018 in „Decarbonizing Bitcoin“ verwendet hat, um auf der Grundlage der ungenauen Energiedaten von de Vries Berechnungen durchzuführen.
De Vries Arbeiten wurden insgesamt über 1.130 Mal in anderen Papieren zitiert und waren die Grundlage für weitere Berechnungen, die letztlich fehlerhaft waren und zu schwerwiegenden Fehlinformationen führten, die sich im Diskurs etablierten. Die Mitarbeiter von de Vries, Christian Stoll und Lena Klaaßen, wurden zudem fast 1.000 beziehungsweise 800 Mal zitiert.
Publikationen mit methodischen Mängeln
Dr. Simon Collins zeigt in seiner wissenschaftlichen Arbeit in einer Grafik die Zitate aus zehn einflussreichen Publikationen mit methodischen Mängeln, die alle auf der einflussreichsten Arbeit von de Vries aus dem Jahr 2018 beruhen.
Viele dieser Arbeiten führen keine Originalstudien durch, sondern stellen bestehende Fehlinformationen zusammen und verbreiten sie weiter, wodurch ein sich selbst verstärkender Kreislauf der Ungenauigkeit entsteht. Neue Forscher, die in das Gebiet einsteigen, werden sofort mit diesen fehlerhaften Studien konfrontiert, was es zunehmend schwieriger macht, dass sich korrekte Informationen durchsetzen.
Dr. Simon Collins, Auszug aus dem Arbeitspapier
So stützten sich viele Autoren auf die besagte fehlerhafte Studie von de Vries und verbreiteten so weitere Missinformationen und willkürliche Annahmen. Zitate aus den zehn Publikationen, die in der Grafik dargestellt sind, tauchten zwischen 2018 und 2024 in mehr als 4.000 anderen „wissenschaftlichen“ Veröffentlichungen auf. Es verbreiteten sich realitätsferne Metriken wie „pro Transaktion“ sowie fehlerhafte Annahmen zum Energieverbrauch (Saleh; Goodkind et al.), zum Elektroschrott, zu den Geschäftspraktiken der Mining-Branche (Stoll et al.) und zu den CO₂-Emissionen (Mora et al.; Goodkind et al.).
Von Wissenschaft zu Mainstream
Das falsche Narrativ aus den fehlerhaften Arbeiten wurde schließlich von den Leitmedien aufgegriffen und in vereinfachter Form an ein breiteres Publikum weitergegeben. Laut einer seriösen Studie von Sai und Vranken stehen die wissenschaftlichen Arbeiten in einem Verhältnis von 10:1 zu den Mainstream-Artikeln. Somit gibt es mehr als 400 Mainstream-Artikel, die ein falsches Narrativ über Bitcoin wiedergeben, wobei die Reichweite der Medien den Einfluss dieser Artikel vergrößert.
Zuverlässige Publikationen
Seit dem Jahr 2022 erscheinen zunehmend genauere und zuverlässige Studien über den Energieverbrauch von Bitcoin, die „strenge Standards einhalten und sicherstellen, dass die Daten überprüfbar und die Ergebnisse reproduzierbar sind“. Collins hat dazu auch eine Grafik mit den Zitaten von zehn seriösen Publikationen angefertigt.
Ein entscheidender Unterschied zwischen diesen Veröffentlichungen und den fehlerhaften Arbeiten ist das Narrativ. Während die Veröffentlichungen, die vorrangig auf de Vries Arbeiten beruhen, grundsätzlich ein negatives Bild von Bitcoin und dem Mining zeichnen, stellen die Autoren der zuverlässigen Publikationen die genannten Aspekte fast ausschließlich in ein positives Licht. Weitere Unterschiede sind die Anzahl der Zitate sowie die dazugehörigen Schlagzeilen.
Sensation vs. Seriosität
Die fehlerhaften Publikationen wurden über 40 Mal mehr zitiert als die zuverlässigen Studien, was Collins auf den drei- bis fünfjährigen Vorsprung bei der Kontrolle der Berichterstattung zurückführt. Stellt man die Grafiken der Zitate im selben Maßstab gegenüber, wird dieser Unterschied deutlich:
Neben dem zeitlichen Vorsprung in der Berichterstattung kommt die Tatsache hinzu, dass sich die unüberprüfbaren Behauptungen in den fehlerhaften Arbeiten eher für aufsehenerregende Schlagzeilen eignen als die realen Ergebnisse der hochwertigen Studien. Mit den seriösen Quellen lassen sich nicht die gleichen großspurigen, pauschalen Behauptungen der unseriösen Publikationen aufstellen.
Behauptungen wie die, dass Bitcoin-Emissionen für den Anstieg der Erdtemperatur um 2 °C verantwortlich sein könnten oder dass Bitcoin direkt für den Verbrauch von Gigalitern Wasser verantwortlich ist, weil ein Kohlekraftwerk dieses Wasser verdampfen lässt. Oder dass Mining-Hardware nur 1,29 Jahre lang nutzbar ist, bevor sie entsorgt wird. Oder dass Bitcoin-Mining im Jahr 2018 für mehr als 350 Todesfälle in den USA und China verantwortlich war.
Dr. Simon Collins, Auszug aus dem Arbeitspapier
So sind mit dem Aufkommen seriöser Studien auch die Medienberichte über den Energieverbrauch von Bitcoin deutlich zurückgegangen.
Fazit
Die Studie von Dr. Collins hat gezeigt, wie wichtig Bitcoin-Bildung für die Zukunft des Assets und letztlich auch des Planeten ist. Insbesondere die fehlerhaften Arbeiten von Alex de Vries haben dazu geführt, dass sich eine voreingenommene Wissensgrundlage zum Energieverbrauch von Bitcoin gebildet hat und Fehlinformationen den entsprechenden Diskurs beherrschen.
Wenn die seriösen Quellen mehr Beachtung finden, könnten sich die Missinformationen allmählich abschwächen und sich der Diskurs langsam verändern, so Collins. Dazu müssten die Forschung mit akademischer Integrität und deren Aufarbeitung sowie offene und differenzierte Diskussionen gefördert werden. Dies könnte letztlich zur Wiederherstellung des Gleichgewichts zwischen Pro- und Contra-Bitcoin-Stimmen führen und zu einer ausgewogeneren Wissensgrundlage führen.
Wir müssen ein gesundes Ökosystem schaffen, in dem Fakten gedeihen können, Mythen infrage gestellt und echte Bedenken mit Bedacht angesprochen werden. In diesem ausgewogenen Umfeld kann Bitcoin dann genau nach seinen Vorteilen und Schwächen bewertet werden.
Dr. Simon Collins, Auszug aus dem Arbeitspapier