Bitcoin-Mining-Unternehmen erweitern ihr Geschäft mit KI
Sinkende Profitabilität beim Mining
Bitcoin-Mining-Unternehmen stehen traditionell vor der Herausforderung, dass ihre Rentabilität stark von der Höhe des BTC-Preises, der Verknappung des neu hinzukommenden Angebots (Halving-Events) und dem wachsenden Wettbewerb abhängt. Wenn die globale Hashrate steigt, sinkt der eigene Anteil daran – und damit auch die Erträge beziehungsweise die Rentabilität.
Folglich sind kontinuierliche Anpassungen erforderlich: Um mit der Konkurrenz mithalten zu können, müssen Miner regelmäßig in neue, effizientere Hardware investieren, was zu immer höheren Kapitalkosten führt.
Ein Preisanstieg von Bitcoin kann diese Effekte zwar teilweise ausgleichen und sich auch positiv auf die Rentabilität auswirken: Laut der Investmentbank Jefferies lag der tägliche Umsatz pro Exahash (EH/s) im August 2024 – vier Monate nach dem letzten Halving – bei rund 43.000 US-Dollar. Ein Jahr später, nach einer bullischen Phase, erreichte er 56.000 US-Dollar.
Doch allein im September dieses Jahres sank die Profitabilität des Bitcoin-Minings um mehr als 7 % auf 52.000 US-Dollar pro EH/s pro Tag. Der BTC-Preis fiel um 2 % und die gesamte Hashrate des Netzwerks stieg um rund 9 % an.
Anstieg der Schulden
Die schrumpfenden Margen und der wachsende Wettbewerb bringen viele Mining-Unternehmen zunehmend in finanzielle Schwierigkeiten. Sie stehen vor der Entscheidung, entweder den Betrieb einzustellen oder Wege zu finden, ihre Rentabilität anderweitig zu sichern.
In der Vergangenheit finanzierten börsennotierte Unternehmen das kostspielige Wettrüsten bei der Rechenleistung vor allem durch die Ausgabe von Aktien. Inzwischen greifen sie jedoch verstärkt auf Fremdkapital zurück, um neue Investitionen zu tätigen und Liquidität zu wahren, wenn die Eigenmittel nicht ausreichen.
Laut einer Analyse des Investmentunternehmens VanEck hat sich die Gesamtverschuldung der Bitcoin-Miner im vergangenen Jahr versechsfacht – von 2,1 Milliarden Dollar auf 12,7 Milliarden US-Dollar. Auch The Miner Mag bestätigt den Anstieg der Gesamtverbindlichkeiten der börsennotierten Mining-Unternehmen.
Die Analysten stellten zudem fest, dass dieser finanzielle Druck viele Unternehmen zu einer strategischen Neuausrichtung zwingt.
Verlagerung in Richtung KI
Die Investitionen der Miner beschränken sich längst nicht mehr ausschließlich auf klassische Mining-Ausrüstung. Zunehmend fließt Kapital in den Ausbau und die Anpassung bestehender Infrastruktur, damit diese auch für Anwendungen im Bereich Künstliche Intelligenz (KI/AI) und High-Performance Computing (HPC) geeignet ist.
Derartige Anwendungen können im Vergleich zu Bitcoin-Mining wirtschaftlich attraktiver sein, da sie oft auch bei hohen Strompreisen rentabel sind. Die Mining-Unternehmen diversifizieren somit ihr Geschäftsmodell und erschließen zusätzliche Einnahmequellen im rasant wachsenden KI-Sektor.
Die Nachfrage nach Energie und Rechenleistung für KI-Anwendungen steigt stetig an. Anstatt in Konkurrenz zu treten, setzt die Branche zunehmend auf Konvergenz: Für viele KI-Unternehmen ist es effizienter, bestehende Mining-Infrastruktur zu nutzen oder zu übernehmen, anstatt selbst neue Rechenzentren aufzubauen – zumal Genehmigungen und Stromanschlüsse oft Jahre auf sich warten lassen.
Für die Mining-Unternehmen selbst bieten der Infrastrukturausbau und langfristige Verträge mit KI-Anbietern eine zusätzliche, stabilere Einnahmequelle. Diese kann nicht nur kurzfristige Schwächephasen überbrücken, sondern auch langfristig zur Stabilisierung der Kapitalstruktur beitragen und die starken Schwankungen der Mining-Erträge ausgleichen.
Diese Entwicklung ist weniger eine Notlösung, sondern eine notwendige Anpassung an den neuen Markt – auch wenn die steigende Verschuldung ein Risiko darstellt und der hybride Ansatz operative Herausforderungen mit sich bringt. Doch das klassische Bitcoin-Mining „reicht einfach nicht mehr aus“, wie Branchenexperten gegenüber Yahoo Finance betonten.
Milliarden-Deals und zufriedene Investoren
Von Mining-Unternehmen wird heute zunehmend erwartet, Infrastrukturgeschäfte jenseits klassischer ASICs und Block-Belohnungen zu entwickeln.
In den vergangenen Monaten haben zahlreiche Miner die Diversifizierung in KI- und Recheninfrastruktur zu einer strategischen Option gemacht, die auch bei den Investoren positiv aufgenommen wurde und zu teilweise massiven Aktienkursgewinnen führte:
- Riot Platforms Inc., einer der größten börsennotierten Miner der USA, kündigte im Sommer an, seine Anlage in Corsicana (Texas) auf ein hybrides Modell mit HPC umzustellen. Der Aktienkurs stieg daraufhin um mehr als 100 %.
- MARA Holdings (ehemals Marathon Digital), mit rund 60 EH/s der größte Miner der USA, investiert zunehmend in AI/HPC-Infrastruktur. Das Unternehmen entwickelte sogar ein eigenes Kühlsystem, das auch für KI und HPC geeignet ist.
- CleanSpark (50 EH/s) kündigte an, seine Ressourcen künftig ebenfalls teilweise für KI-Anwendungen zu nutzen.
- Galaxy Digital baut seine Anlage in Dickens County (Texas) zu einem KI- und HPC-Zentrum um, unterstützt vom Cloud-AI-Anbieter CoreWeave.
- Der Nvidia-Partner CoreWeave hat im Juli außerdem ein Angebot gemacht, den Bitcoin-Miner Core Scientific für 9 Milliarden US-Dollar zu übernehmen, um dessen Infrastruktur für KI-Anwendungen zu nutzen.
- Auch CoreWeaves Konkurrent Fluidstack, an dem Google beteiligt ist, schloss milliardenschwere, zehnjährige Mietverträge mit den Bitcoin-Minern TeraWulf und Cipher Mining. Die Aktienkurse dieser Unternehmen haben sich seit Jahresbeginn vervielfacht.
- Ebenso positionieren sich kleinere Unternehmen wie BitDigital, Hive Digital oder Iren (ehemals Ires Energy) zunehmend als Infrastruktur-Provider für KI, statt als reine Bitcoin-Miner – und konnten ebenfalls deutliche Kurssteigerungen verzeichnen.
Ob sich die hohen Erwartungen rund um die Miner-Aktien erfüllen, bleibt abzuwarten. Wenn Aufträge ausbleiben oder die Hardware nicht optimal ausgelastet ist, könnte die aktuelle Euphorie schnell verfliegen. Dennoch zeigt die Öffnung hin zu KI und HPC, wie sich die Branche weiterentwickelt – möglicherweise sogar hin zu einer neuen Wachstumsphase.
Strategische Evolution
Die Integration des Bitcoin-Minings in verschiedene Energiesysteme weltweit verdeutlicht die Dynamik der Branche. Durch ihr flexibles Energieverbrauchsmuster können Mining-Anlagen fast überall eingesetzt werden, insbesondere in wenig erschlossenen Regionen und sich entwickelnden Märkten. Sie helfen, ungenutzte oder überschüssige Energiequellen zu monetarisieren, Stromnetze zu stabilisieren und den Ausbau erneuerbarer Kapazitäten zu fördern. Somit können Bitcoin-Miner bereits jetzt schon als Partner der Energiebranche angesehen werden.
Die Ergänzung des Geschäftsmodells mit KI ist weniger eine Flucht aus dem Mining, sondern eine logische Weiterentwicklung, um die Rentabilität zu steigern und Standorte besser auszulasten: Beide Branchen benötigen denselben Rohstoff – Energie – und profitieren von günstigen Stromquellen.
Allerdings gibt es entscheidende Unterschiede, die man nicht unterschätzen sollte. Neben unterschiedlicher Hardware, Baukosten, Netzwerkanbindung, Speicher- und Kühlanforderungen sind es vor allem die Flexibilität und der geringere ökologische Fußabdruck, die Mining-Anlagen zu einem einzigartigen Stromverbraucher und zentralen Akteur bei Energieinfrastrukturen machen.
Bitcoin-Mining bleibt die einfachste Methode, ungenutzte Energiequellen – auch für energieintensive Anwendungen jenseits des Minings – zu erschließen. Die Erweiterung der Infrastruktur für KI- und HPC-Anwendungen ist zwar kapitalintensiv und erfordert Fachwissen, was auch nicht jeder Miner bewältigen kann, doch die Basis für derartige Rechenzentren kann am einfachsten durch Mining-Unternehmen geschaffen werden.
Denkbar ist daher, dass Miner künftig nicht mehr nur Bitcoin schürfen, sondern aufgrund von makroökonomischen Faktoren als universelle Energie- und Rechenleistungsdienstleister agieren – an der Schnittstelle zwischen Bitcoin, Künstlicher Intelligenz und nachhaltiger Energieversorgung. So könnte die Verbindung von Mining- und KI-Infrastruktur langfristig auch die Ressourcennutzung verbessern und die Umweltbelastung senken.
Ist das Bitcoin-Netzwerk bedroht?
Manche Beobachter befürchten jedoch, dass KI-Anwendungen Miner verdrängen und so die Sicherheit des Bitcoin-Netzwerks gefährden könnten. Ein Blick auf die gesamte Hashrate des Netzwerks zeigt jedoch, dass diese Sorgen momentan eher unbegründet sind. Die Bitcoin-Hashrate ist jüngst auf über 1,1 Zetahashes pro Sekunde (ZH/s) und damit auf ein neues Allzeithoch gestiegen. Die zunehmend effizientere Hardware dürfte diesen Trend weiter fortsetzen.
Wie sich die Ergänzung des Geschäftsmodells der Miner durch KI langfristig auf die Hashrate auswirkt, bleibt aber noch offen. Die Analysten des Vermögensverwalters VanEck sehen keine Gefahr und erwarten, dass die Priorisierung von Strom für KI „letztlich auch Bitcoin zugutekommt“.
KI-Rechenzentren eignen sich nicht für abgelegene Standorte oder unerschlossene Energiequellen – hier bleiben Miner klar im Vorteil. Auch für Demand-Response-Programme sind Bitcoin-Miner die bessere Wahl. Zudem sorgt die zyklische Nachfrage nach KI-Computing – tagsüber hoch, nachts niedrig – für ein natürliches Gleichgewicht zwischen Mining- und KI-Lasten.
Selbst wenn im Dual-Use-Modell zeitweise Mining-Hardware vom Netz genommen wird und die Hashrate lokal betrachtet sinkt, bedeutet das keinen dauerhaften Verlust, so wie es womöglich bei einer Insolvenz eines Mining-Unternehmens der Fall wäre. Steigt der BTC-Preis, kehrt auch die Rentabilität zurück – und mit ihr die Rechenleistung.
Unter dem Strich entsteht ein neues Ökosystem, das nicht auf Konkurrenz, sondern auf Kooperation beruht, und die Energieinfrastruktur insgesamt widerstandsfähiger macht.